Tsunami

Abfolge besonders langer Wasserwellen
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Ein Tsunami ist eine sich schnell fortpflanzende Meereswoge, die überwiegend durch Erdbeben auf dem Meeresgrund (oft fälschlicherweise als „Seebeben“ bezeichnet) ausgelöst wird.

Auftreffen des Tsunami vom 26. Dezember 2004 auf die Küste Thailands

Tsunamis werden oft als Flutwellen bezeichnet; ihre Entstehung hat jedoch nichts mit den tageszeitlichen Wechseln zwischen Ebbe und Flut (Gezeiten) zu tun; ebensowenig werden Tsunamis durch Wind verursacht. Tsunamis sind nicht mit sogenannten Riesen- oder Monsterwellen (Kaventsmänner) zu verwechseln.

Tsunamis werden auf offenem Meer kaum bemerkt, in Ufernähe jedoch können starke Tsunamis weiträumige katastrophale Schäden verursachen und ganze Küstenstriche verwüsten. Solche Erscheinungen zählen zu den Naturkatastrophen.

Der Begriff Tsunami („Hafenwelle“; jap.tsu: Hafen; 波 nami: Welle) wurde durch japanische Fischer geprägt, die vom Fischfang zurückkehrten und im Hafen alles verwüstet vorfanden, obwohl sie auf offener See keine Welle gesehen oder gespürt hatten. Das liegt daran, dass Japan eine Tiefseesteilküste hat. Die Riesenwellen bilden sich quasi erst kurz vor dem Strand und schlagen deshalb über die Hafenmauer in den Hafen, wo sie die Schiffe zertrümmern.

Eine Reihe verheerender Tsunamis zwischen 1945 und 1965 machte dieses Naturphänomen weltweit bekannt und bildete die Grundlage für wissenschaftliche Arbeiten, in deren Folge sich die japanische Bezeichnung als Internationalismus durchsetzte.

Entstehung

Entstehung und Fortpflanzung eines Tsunami

Entstehung und Ausbreitung eines Tsunami (hier bei einem Erdbeben)

Etwa 86 % aller Tsunamis werden durch Erdbeben verursacht, die restlichen entstehen durch die abrupte Verdrängung großer Wassermassen, bedingt durch Vulkanausbrüche, küstennahe Bergstürze, Unterwasserlawinen oder Meteoriteneinschläge. Auch Nuklearexplosionen können Tsunamis auslösen.

Tsunamis treten am häufigsten im Pazifik auf: Am Rand des Stillen Ozeans, in der Subduktionszone des Pazifischen Feuerrings, schieben sich tektonische Platten der Erdkruste (Lithosphäre) übereinander, wodurch Vulkanismus, See- und Erdbeben verursacht werden.

Ein Erdbeben kann nur dann einen Tsunami verursachen, wenn alle drei folgenden Bedingungen gegeben sind:

  • es eine Magnitude von 7 oder mehr auf der Richterskala erreicht,
  • sein Hypozentrum nahe der Erdoberfläche am Meeresgrund liegt und
  • es eine vertikale Verschiebung des Meeresbodens verursacht, welche die darüber liegende Wassersäule in Bewegung versetzt.

Nur ein Prozent der Erdbeben zwischen 1860 und 1948 verursachten messbare Tsunamis. Da sich die leichte Erdbewegung aber über das Medium Wasser weit ausbreiten kann, sind größere Schäden als bei gleich starken Beben an Land möglich.

Möglich ist auch, dass nicht die unmittelbar durch das Erdbeben bedingte Bewegung des Meeresbodens, sondern ein durch das Erdbeben ausgelöster unterseeischer Hangrutsch den Tsunami verursacht. In einem solchen Fall können schon relativ kleine (Magnitude 7) Erdbeben einen Tsunami nach sich ziehen.

Ausbreitung

Tsunamis unterscheiden sich grundlegend von Wellen, die durch Stürme entstehen, denn bei diesen kann das Wasser zwar unter außerordentlichen Bedingungen bis zu 30 Meter hoch aufgeworfen werden, die tieferen Wasserschichten bleiben dabei jedoch unbewegt. Bei einem Tsunami bewegt sich dagegen das gesamte Wasservolumen, also die gesamte Wassersäule vom Meeresboden bis zur Meeresoberfläche.

Tsunamis sind Schwerewellen

Datei:Tsunami-Bewegung.gif
Bei der Fortpflanzung eines Tsunami bewegt sich die gesamte Wassersäule (Größenordungen übertrieben).

Grundsätzlich repräsentiert eine Welle keine Bewegung von Wasser, sondern Bewegung von Energie durch Wasser. Aus physikalischer Sicht ist Wellenausbreitung immer dann möglich, wenn eine Auslenkung aus einer Gleichgewichtslage, in diesem Fall ein Anstieg oder Abfall des Wasserspiegels, eine entgegengerichtete Rückstellkraft zur Folge hat. Bei Ozeanwellen wirkt als Rückstellkraft die Schwerkraft, die auf eine möglichst horizontale Wasseroberfläche hinarbeitet. Aus diesem Grund werden Tsunamis zu den Schwerewellen gezählt. Ein Tsunami ist also insbesondere keine Druck- und keine Schallwelle; Kompressibilität, Viskosität und Turbulenz sind nicht relevant. Um die Physik eines Tsunami zu verstehen, genügt es, die Potentialströmung einer idealen, also reibungsfreien, inkompressiblen und wirbelfreien Flüssigkeit zu betrachten. Mathematisch werden Tsunamis durch die Soliton-Lösungen der Korteweg-de-Vries-Gleichung beschrieben.

Die Theorie der Schwerewellen vereinfacht sich in den beiden Grenzfällen der Tief- und der Flachwasserwelle. Normale Wellen, die beispielsweise durch Wind, fahrende Schiffe oder ins Wasser geworfene Steine verursacht werden, sind meist Tiefwasserwellen, da sich ihre Wellenbasis in der Regel über dem Grund des Gewässers befindet, also dort, wo die Welle keine Auswirkungen mehr hat. Ein Tsunami hingegen ist auch im tiefsten Ozean eine Flachwasserwelle, da die gesamte Wassersäule bewegt wird und sich auch am Ozeanboden eine langsamere Bewegung in Richtung der Wellenausbreitung feststellen lässt. Dieser Charakter ergibt sich daraus, dass bei Tsunamis die Wellenlänge (Entfernung von einem Wellenberg zum nächsten) viel größer ist als die Wassertiefe. Dadurch wird auch eine wesentlich größere Wassermenge transportiert.

Ein Tsunami wird vereinfacht durch zwei Grundparameter beschrieben:

  • seine mechanische Energie  ;
  • seine Wellenperiode  : die Zeit, die vergeht, in der zwei Wellenberge denselben Punkt passieren.

Während der Ausbreitung eines Tsunami bleiben diese beiden Parameter weitgehend konstant, da wegen der großen Wellenlänge die Energieverluste durch Reibung vernachlässigbar sind.

Tsunamis seismischer Natur weisen lange Wellenperioden auf, die sich zwischen zehn Minuten und zwei Stunden bewegen. Durch andere Ereignisse als Erdbeben erzeugte Tsunamis haben oft kurzere Wellenperioden im Bereich von einigen Minuten bis zu einer Viertelstunde. Andere Eigenschaften wie die Wellenhöhe und -länge oder die Ausbreitungsgeschwindigkeit hängen neben den beiden Grundparametern nur von der Meerestiefe ab.

Wellenlänge

Die meisten Tsunamis haben, trotz der viel geringeren Meerestiefe, eine Wellenlänge von über 100 Kilometern und können damit als Flachwasserwellen betrachtet werden. In diesem Fall hängt die Wellenlänge   nur von der Wellenperiode   und der Meerestiefe   ab:

 ,

wobei  . Dies ergibt:

 .

Typische Wellenlängen bei Tsunamis liegen damit zwischen 100 und 500 km. Die Wellenlängen von winderzeugten Wellen erreichen dagegen nur zwischen 100 und 200 Meter.

Je größer die Wellenlänge, desto geringer sind die Energieverluste während der Wellenausbreitung. Bei kreisförmiger Ausbreitung ist die Energie, mit der eine Welle auf einen Küstenstreifen auftrifft, in erster Näherung umgekehrt proportional zum Abstand vom Entstehungsort des Tsunami.

Amplitude

Die Wellenhöhe (Amplitude) hängt vom Energiegehalt des Tsunami und der Wassertiefe ab. Bei Tsunamis mit großer Wellenlänge gilt:

 .

Dies bedeutet, dass die Amplitude bei geringerer Wassertiefe zunimmt. Sie nimmt mit größerer Entfernung um den Faktor   ab, da die Energie sich über einen größeren Wellenkamm verteilt. Bei Tsunamis kleinerer Wellenlänge – meist nicht von Erdbeben verursacht – kann die Amplitude mit der Entfernung wesentlich schneller abnehmen.

Auf dem offenen Ozean beträgt die Amplitude selten mehr als einige Dezimeter. Der Wasserspiegel wird somit nur langsam und nur um einen geringen Betrag angehoben und wieder abgesenkt, weshalb das Auftreten eines Tsunami auf offener See meist gar nicht bemerkt wird.

Die Zerstörungskraft eines Tsunami wird nicht grundsätzlich durch seine Amplitude, sondern durch die Wellenperiode sowie durch die transportierte Wassermenge bestimmt.

Geschwindigkeit

Die Geschwindigkeit eines Tsunami hängt von der Meerestiefe ab; je tiefer das Meer, desto schneller, und je flacher, desto langsamer ist der Tsunami. Seine praktische Höchstgeschwindigkeit erreicht er bei einer Meerestiefe von etwa 6000 Metern. Die Geschwindigkeit u einer Tsunamiwelle (genauer: die Phasengeschwindigkeit) ergibt sich aus der Wurzel des Produktes von Erdbeschleunigung g und Wassertiefe h; also

  oder  .
 
Ausbreitung des Tsunami vom 26. Dezember 2004

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit liegt somit auf offenem Meer zwischen 800 und 1100 km/h. Das ist vergleichbar mit der Reisegeschwindigkeit eines Flugzeuges; Tsunamis können binnen einiger Stunden ganze Ozeane durchqueren und sich bis zu 20.000 km ausbreiten, ohne dabei unmittelbar bemerkt zu werden. Winderzeugte Wellen erreichen nur Geschwindigkeiten zwischen 8 und 100 km/h. Bei niedriger Wassertiefe, also in Küstennähe, verlangsamt sich die Welle, wie auf nebenstehender Animation zu sehen ist. Dadurch kommt es zur Brechung der Welle, was eine nicht-kreisförmige Ausbreitung zur Folge hat.

Schwerewellen kommen durch die gleichtaktige Bewegung großer Wassermassen zustande. Jedes einzelne Teilvolumen des Wassers bewegt sich dabei nur um winzige Beträge. Für eine Flachwasser-Schwerewelle mit der Amplitude a in einem Gewässer der Tiefe h kann man das sogar quantitativ angeben: Die Geschwindigkeit, mit der sich die an der Welle beteiligte Materie zirkulär bewegt, ist um einen Faktor a/h kleiner als die Phasengeschwindigkeit der Welle. Für einen großen Tsunami liegt dieser Faktor in der Größenordnung 10-5: Wenn sich eine Welle im offenen Meer mit u = 200 m/s ausbreitet, bewegen sich die Wasserelemente nur mit 2 mm/s, was gegenüber Strömungen und Windwellen völlig vernachlässigbar und nicht direkt beobachtbar ist.

Auftreffen auf die Küste

Erhöhung der Amplitude

Datei:Tsunami bei Küste.gif
Beim Auftreffen auf die Küste erhöht sich die Amplitude; die Wellenlänge und Geschwindigkeit des Tsunami nimmt ab

In Küstennähe wird das Wasser flach. Das hat zur Folge, dass Wellenlänge und Phasengeschwindigkeit abnehmen (proportional zu h1/2), die Amplitude der Welle und die Geschwindigkeit der beteiligten Materie aber zunehmen (proportional zu h-1/4 respektive h-3/4). Die Energie der Tsunamiwelle wird dadurch immer stärker konzentriert, bis sie mit voller Wucht auf die Küste auftrifft. Der Energiegehalt eines Wellenzuges ergibt sich als Querschnitt mal Wellenlänge mal Teilchengeschwindigkeit-zum-Quadrat und ist in erster Näherung unabhängig von h.

Typische Amplituden beim Auftreffen eines Tsunami auf die Küste liegen in einer Größenordnung von 10 Metern; am 24. April 1971 wurde in der Nähe der japanischen Insel Ishigaki von einer Rekordhöhe von 85 Metern in flachem Gelände berichtet. In Ufernähe einer Tiefseesteilküste kann die Amplitude auf etwa 50 Meter ansteigen. Läuft ein Tsunami in einen Fjord, so kann sich die Welle auf weit über 100 Meter aufstauen.

In einem Fjord in Alaska wurden mehrere Wellen mit rund 150 Metern und sogar eine mit bis zu 530 Metern Höhe nachgewiesen (Megatsunami). Diese gigantischen Wellen entstanden jedoch nicht als Fernwirkung eines Erdbebens, sondern durch Wasserverdrängung im Fjord selbst: Heftige Erdbeben ließen Berghänge in den Fjord rutschen und brachten diesen schlagartig zum Überlaufen.

Brechungseffekte

Die Änderung der Wellenausbreitungsgeschwindigkeit bei Annäherung des Tsunami an die Küste hängt vom Tiefenprofil des Meeresbodens ab. Je nach örtlichen Gegebenheiten kann es zu Brechungseffekten kommen: So wie Licht beim Übergang von Luft in Wasser oder Glas seine Richtung ändert, so ändert auch eine Tsunamiwelle ihre Richtung, wenn sie schräg durch eine Zone läuft, in der sich die Meerestiefe ändert. Je nach Ursprungsort des Tsunami und Unterwassertopographie kann es dabei zur Fokussierung des Tsunami auf einzelne Küstenbereiche kommen. Dieser Effekt ist von der Trichterwirkung eines Fjords nicht scharf zu trennen und kann sich mit dieser überlagern.

Zurückweichen des Meeres

Wie ein akustisches Signal, so besteht auch ein Tsunami nicht aus einer einzelnen Welle, sondern aus einem ganzen Paket von Wellen mit unterschiedlichen Frequenzen und Amplituden. Wellen unterschiedlicher Frequenz breiten sich mit leicht unterschiedlicher Geschwindigkeit aus. Deshalb addieren sich die einzelnen Wellen eines Paketes in von Ort zu Ort und von Minute zu Minute unterschiedlicher Weise. Je nach Ursache kann ein Tsunami an einem Punkt der Küste zuerst als Wellenberg oder zuerst als Wellental beobachtet werden. Ist die Ursache des Tsunami ein Hangabrutsch oder Herunterbrechen einer Kontinentalplatte, so wird Wasser zur Sohle hin beschleunigt. Wasser wird komprimiert, und es entsteht zunächst ein Wellental. Danach expandiert das Wasser wieder auf sein ursprüngliches Volumen, und der Wellenberg entsteht. Beim Eintreffen der Welle an der Küste zieht sich zunächst die Küstenlinie zurück, unter Umständen um mehrere 100 Meter. Wenn der Tsunami eine unvorbereitete Bevölkerung trifft, kann es geschehen, dass die Menschen durch das ungewöhnliche Schauspiel des zurückweichenden Meeres angelockt werden, statt dass sie die verbleibenden Minuten bis zur Ankunft der Flutwelle nutzen, um sich auf höher gelegenes Gelände zu retten.

Stokes-Strömung

 
Darstellung eines Tsunami beim Auftreffen auf die Küste

Wenn die Amplitude eines Tsunami in der Nähe der Küste nicht mehr gegen die Wassertiefe vernachlässigbar ist, so wandelt sich ein Teil der Schwingung des Wassers in eine allgemeine horizontale Bewegung um, genannt Stokes-Strömung. In unmittelbarer Küstennähe ist eher diese schnelle Horizontalbewegung als das Ansteigen des Wasserspiegels für die Zerstörung verantwortlich.

In Küstennähe hat die Stokes-Strömung eine theoretische Geschwindigkeit von:

 , also
 .

Die Stokes-Strömung erreicht somit mehrere Dutzend km/h.

Gefahren und Schutz

Tsunamis zählen zu den verheerendsten Naturkatastrophen, mit denen der Mensch konfrontiert werden kann, denn ein mächtiger Tsunami kann seine zerstörerische Energie über Tausende von Kilometern weit mitführen oder sogar um den ganzen Erdball tragen. So wird ein Tsunami als Auslöser für die biblische Sintflut vermutet. Ohne schützende Küstenfelsen können schon drei Meter hohe Wellen mehrere hundert Meter tief ins Land eindringen. Die Schäden, die ein Tsunami beim Vordringen verursacht, werden noch vergrößert, wenn die Wassermassen wieder abfließen. Die Gipfelhöhe eines Tsunami hat nur bedingte Aussagekraft über seine Zerstörungskraft. Gerade bei niedrigen Landhöhen kann auch eine niedrige Wellenhöhe von nur wenigen Metern ähnliche Zerstörungen wie ein großer Tsunami mit über 31 Metern anrichten.

In den letzten zehn Jahren wurden weltweit 82 Tsunamis registriert, wobei zehn von ihnen zusammen mehr als 4000 Menschenleben kosteten. Am 26. Dezember 2004 wurden durch den wohl bisher größten Tsunami in Südostasien mindestens 328.000 Menschen getötet. Ausgelöst wurde die Welle durch eines der stärksten Erdbeben seit Beginn der Aufzeichnungen. Die verheerende Wirkung beruhte hier vor allem auf dem großen Wasservolumen, das pro Kilometer Küstenlinie auf das Land traf, während die Wellenhöhe mit zumeist nur wenigen Metern vergleichsweise niedrig war.

Gefahrenzonen

Die häufigsten Tsunamis entstehen am westlichen und nördlichen Rand der pazifischen Platte, im Pazifischen Feuerring.

Japan musste aufgrund seiner geografischen Lage in den letzten tausend Jahren die meisten Todesopfer durch Tsunamis beklagen; in dieser Zeit starben über 160.000 Menschen. In den letzten 100 Jahren richteten jedoch nur 15 Prozent der 150 registrierten Tsunamis Schäden an oder kosteten Menschenleben. Heutzutage verfügt Japan über ein effektives Frühwarnsystem; für die Bevölkerung finden regelmäßig Trainingsprogramme statt. Viele japanische Küstenstädte schützen sich durch das Errichten riesiger Deiche, z. B. ein 10 Meter hoher und 25 Meter breiter Wall auf der Insel Okushiri.

In Indonesien dagegen wirkt heute noch die Hälfte der Tsunamis katastrophal, denn die meisten Küstenbewohner sind über die Anzeichen, die einen Tsunami ankündigen, nicht informiert. Meistens ist auch das Land sehr flach und die Wassermassen fließen bis ins Landesinnere (siehe auch Erdbeben im Indischen Ozean 2004).

Augenschein hat man auch auf Inseln mit vulkanischem Ursprung wie den Kanarischen Inseln oder Hawaii. Dass die Kanarischen Inseln eine solche Gefahr darstellen, bewies sich vor rund 300.000 Jahren, als ein Teil der Insel Hierro ins Meer rutschte, einen Megatsunami auslöste und an der Ostküste der heutigen USA hausgroße Felsen mehrere hundert Meter ins Landesinnere trug. Die Gefahr eines derartigen Inselrutsches wird von Wissenschaftlern heutzutage besonders bei La Palma (Kanarische Inseln) gesehen, auf der sich eine Woche nach dem letzten Vulkanausbruch 1949 beinahe die Hälfte des Berges auf einer Länge von 20 km um bis zu vier Meter westwärts in Richtung Meer verschoben hat und einen großen Riss im vulkanischen Basalt entstehen ließ. Bei einer erneuten Eruption kann sich aufgrund verschiedenartigen Gesteins und diverser Wasserdepots innerhalb des (aktiven) Vulkanberges ein massiver Teil des Vulkans lösen und ins Meer fallen, so dass vor allem die dicht besiedelte amerikanische Ostküste massiv bedroht ist. Ähnliche Voraussetzungen weist ein großer Bruch auf Hawaii auf, mit dem Unterschied, dass dieser nahezu senkrecht verläuft, also kein allzu großes Gefahrenpotenzial besitzt.

Nicht nur die Anrainerstaaten der Pazifikküste sind von Tsunamis betroffen. Auch an den europäischen Küsten treten diese Riesenwellen auf, wenn auch wesentlich seltener. Da die Afrikanische Platte sich nach Norden unter die Europäische Platte schiebt, können durch Erdbeben im Mittelmeer und im Atlantik ebenfalls Tsunamis entstehen.

Auch ein Meteoriteneinschlag kann einen Megatsunami auslösen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Himmelskörper auf dem Meer aufprallt, ist relativ groß, denn 71 % der Erde sind von Wasser bedeckt. Ein solcher Aufprall würde zuerst eine riesige Staubwolke aufwirbeln und dann eine gigantische Flutwelle von über 100 Metern Höhe. Nicht nur die Küstenländer, sondern auch das Binnenland würde überschwemmt werden. Die Zerstörungen wären verheerend und die Zahl der Toten kaum abschätzbar.

Auswirkungen

  • Ertrinken: Menschen werden durch die starken Strömungen ins Meer gespült. Andere ertrinken, weil sie nicht schwimmen können, oder durch Erschöpfung.
  • Unterkühlung: Bei niedriger Wassertemperatur kühlt der Körper im Wasser sehr schnell aus. Hierdurch können Menschen durch Erfrieren umkommen oder erkranken.
  • Schnittwunden, Prellungen, Quetschungen, innere Blutungen: Menschen werden mitgerissen und von Gegenständen, die im Wasser mittreiben, oder solchen, die fix bleiben (z. B. Felsen, Steinmauern), verletzt.
  • Verschüttetwerden in Gebäuden, die unter dem Druck des Wassers zusammenbrechen.

Außer den unmittelbaren Folgen für die betroffenen Menschen gibt es bei großen Tsunamis auch erhebliche Spätfolgen:

  • Hunger, Durst: Zerstörte Infrastruktur beeinträchtigt die Grundversorgung mit sauberem Wasser und Nahrungsmitteln.
  • Krankheiten, Epidemien: Wenn verstreute Leichen nicht schnell genug bestattet werden können und die ärztliche Versorgung zusammenbricht, können Krankheiten/Seuchen entstehen und sich ausbreiten.
  • Armut: Die breite Zerstörung beraubt viele Menschen ihrer Lebensgrundlagen und Erwerbsmittel.
  • Nach dem Tsunami überwältigt die Menschen der Schock. Wer der Flut entkommen ist, wird die seelischen Wunden nicht mehr los. (Siehe unter: Belastungsstörung)

Schutzmaßnahmen

Viele Staaten haben Frühwarnsysteme eingerichtet, da diese die Tsunamis schon bei der Entstehung erkennen - sie zeichnen die seismographischen Plattenbewegungen auf - und durch den gewonnenen Zeitvorsprung die Küsten evakuiert werden können. Leider besitzen einige von der Gefahr betroffene Staaten diese Systeme nicht, und das Informationsnetz ist so schlecht ausgebaut, dass eine Vorwarnung nur eingeschränkt oder überhaupt nicht möglich ist. Zudem wurde bekannt, daß Behörden aus Angst des Verlusts der Haupteinnahmequelle Tourismus die TSUNAMI Warnungen nicht weitergeleitet haben.

Es sei allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es (fast) überall ein Frühwarnsystem bereits gibt: die einheimischen Tiere. Werden Tiere unruhig, droht immer Gefahr. Gerade in den Inselstaaten ist vor wenigen Monaten bekannt geworden, dass Elefanten regelrecht auf höher gelegene Gebiete rannten. Es gibt mehrere Belege dafür, dass man das Tierreich vor Ort nicht unterschätzen sollte.

Einige Küstenstädte in Japan (wie zum Beispiel die Stadt Taro auf der Insel Okushiri) schützen sich durch bis zu 10 Meter hohe und 25 Meter breite Deiche, deren Tore innerhalb von wenigen Minuten geschlossen werden können. Außerdem beobachten Leute vom Küstenschutz mit Kameras den Meeresspiegel auf Veränderungen. Ein Frühwarnsystem gibt bei Erdbeben der Stärke 4 (Richterskala) automatisch Tsunamialarm, so dass die Einwohner evakuiert werden können.

Um die Tsunami-Schäden einzuschränken, wurden überall auf der Erde Seismographen unter Wasser installiert, bisher jedoch kaum im Indischen Ozean. Eine wichtige Rolle bei der Auswertung der Daten spielt das Pacific Tsunami Warning Center (PTWC) in Honolulu auf Hawaii, das zwischen 1950 und 1965 schrittweise aufgebaut wurde. Fehlalarme können allerdings bei einer unnötigen Evakuierung hohe Kosten verursachen und das Vertrauen der Menschen in die Prognosen untergraben.

Ein neues, weltweites System soll Mitte 2005 in Betrieb gehen. Für die Erkennung von den Erdbeben werden die seismologischen Auswertungen der UNO herangezogen werden, die normalerweise für die Überwachung des Atomsperrvertrages verwendet werden. Dazu müssen nur die Meldesysteme in die nationalen Alarmsysteme integriert werden, da die Erkennungsmöglichkeiten schon vorhanden sind. Die Meldungen dieser künstlichen durch Nuklearexplosionen hervorgerufenen oder natürlichen Erdbeben laufen in Wien bei der IAEA zusammen.

Wenn man von einem Tsunami betroffen ist, sollte man unbedingt folgende Sicherheitsmaßnahmen beachten:

  • Sich ins Landesinnere begeben
  • Nicht in Ufernähe schlafen oder leben (Mindestabstand 300 Meter)
  • Sich auf eine Anhöhe begeben (mindestens 30 Meter Höhe)
  • Dort, wo vorhanden, Alarmsirenen beachten (Da in vielen Gegenden Tsunamis selten sind und gelegentlich Fehlalarm gegeben wird, kommt es vor, dass viele Menschen die Alarmsirenen ignorieren.)
  • Mit mehreren Wellen rechnen und nicht nach der ersten oder zweiten Welle zurückkehren (Zwischen den Wellen weicht das Meer sehr weit zurück. Das ist als Alarmzeichen zu begreifen.)
  • Sich auf einem starken Baum in Sicherheit bringen
  • Sich auf etwas Schwimmfähigem aufhalten (Dach, große Tür, Tor)

Megatsunamis

Megatsunamis werden Tsunamis genannt, deren Höhe im Küstenbereich 100 Meter übersteigt. Würde ein Megatsunami sich frei im Ozean ausbreiten, so könnte er große Schäden auf mehreren Kontinenten anrichten. Da Erdbeben nach heutiger Kenntnis nicht in der Lage sind, derartige Wellen zu erzeugen, könnten nur katastrophale Ereignisse wie der Einschlag eines großen Meteoriten oder der Zusammenbruch eines Bergs im Meer derartige Megatsunamis verursachen. Abgesehen von derartigen Vorstellungen bestehen folgende Tatsachen:

  • In der Geschichte der Menschheit ist kein nicht lokal begrenzter Megatsunami bekannt; der Ausbruch des Krakatau 1883 beispielsweise hat keinen bewirkt.
  • Die möglichen Ursachen eines Megatsunami sind sehr seltene Ereignisse, die im Abstand von mindestens 10.000, wenn nicht Millionen von Jahren auftreten.
  • Erdrutsche verursachen Tsunamis von sehr kurzer Wellenlänge, die sich nicht über tausende von Kilometern fortpflanzen können, ohne ihre Energie zu verbrauchen. Während der Erdrutsche auf Hawaii (1868 auf Mauna Loa und 1975 auf Kilauea) kam es zu großen lokalen Tsunamis, ohne dass die amerikanische oder die asiatische Küste gefährdet waren.

Die größten Tsunamis

 
Großer Tsunami von 2004 beim Auftreffen auf die maledivische Küste

21. Jahrhundert

20. Jahrhundert

  • 17. Juli 1998: An der Nordküste von Papua-Neuguinea werden 2000 Menschen von einer Flutwelle getötet, die von einem Beben ausgelöst wurde.
  • 2. September 1992: An der Pazifikküste von Nicaragua werden etwa 180 Menschen von einer zehn Meter hohen Flutwelle getötet, die von einem Beben 120 km vor der Küste ausgelöst wurde.
  • 16. August 1976: Ein Tsunami im Morogolf fordert auf den Philippinen mehr als 5.000 Menschenleben.
  • 28. März 1964: Am Karfreitag löst ein Erdbeben vor Alaska an der gesamten Westküste der USA eine Flutwelle aus. In Alaska kommen 107, in Oregon vier und in Kalifornien elf Menschen ums Leben.
  • 9. Oktober 1963: Im Städtchen Longarone (das sich zwei Kilometer entfernt unterhalb des Stausees Vaiont befindet) in Italien bricht am Abend unter einem Erdrutsch der gesamte Nordhang des Monte Toc zusammen. Direkt in den Stausee - der Staudamm bricht zwar nicht, das Wasser schwappt aber über und stürzt das Tal in einer 140 Meter hohen Welle hinunter. Mehrere Dörfer werden zerstört, 4000 Menschen kommen ums Leben.
  • 22. Mai 1960: Eine elf Meter hohe Welle im Pazifik tötet in Chile 1000 Menschen. Auf Hawaii kommen 61 Menschen ums Leben, doch kann durch ein erstes Warnsystem der Ort Hilo rechtzeitig evakuiert werden.
  • 9. Juli 1958: In der Lituya Bay (Alaska) entsteht durch einen Erdrutsch ein Tsunami, der auf dem gegenüberliegenden Uferhang der engen fjordähnlichen Bucht bis in eine Höhe von 520 m aufgespült wird.([1], [2]).
  • 1. April 1946: Vor Alaska reißt eine Springflut infolge eines Erdbebens die fünfköpfige Besatzung eines Leuchtturmes in den Tod. Stunden später erreicht die Welle das fast 3700 km entfernte Hawaii, wo 159 Menschen sterben.
  • 1936: Bei einem erneuten Felsabsturz des Ramnefjell in den Lovatn-See entsteht eine 70 m hohe Flutwelle und zerstört wiederum zwei Dörfer. Ein Ausflugsschiff wird 350 m weit ins Land getragen. Die Dörfer werden daraufhin aufgegeben, so dass bei einem weiteren Erdrutsch mit Flutwelle im Jahre 1950 keine Opfer entstehen.
  • 28. Dezember 1908: In Messina/Italien wird die Stadt fast vollständig durch ein Erdbeben und einen darauffolgenden Tsunami zerstört. Mehr als 75.000 Menschen finden den Tod.
  • 31. Januar 1906: Die Küsten Kolumbiens und Ecuadors werden von einer verheerenden Flutwelle überschwemmt, 500 bis 1500 Menschen kommen ums Leben.
  • 15. Januar 1905: Bei einer durch einen Felsabsturz des Ramnefjell in den Lovatn-See (Norwegen) verursachten 40 m hohen Flutwelle sterben am 10 km entfernt gegenüberliegenden Ufer 63 Einwohner der Dörfer Bodal und Nesdal.

19. Jahrhundert

  • 15. Juni 1896: Der so genannte Saraiko-Tsunami, eine Wasserwand von 23 Metern Höhe, überrascht Japan während religiöser Feierlichkeiten. 26.000 Menschen ertrinken.
  • 27. August 1883: Nach der Detonation des Vulkans Krakatau entsteht ein großer Tsunami, der im nahen Umkreis 40 Meter hohe Flutwellen auslöst. Ungefähr 36.000 Menschen sterben. Selbst an der Küste Großbritanniens steigt der Meeresspiegel um etwa einen halben Meter. Eine von der Vulkanexplosion verursachte Luftdruckwelle rast siebenmal um die Erde und löst im 8000 km entfernten Lake Taupo in Neuseeland einen Mikrotsunami aus.
 
Großbrand und Tsunami in Lissabon 1755

18. Jahrhundert

  • 1. November 1755: Die portugiesische Hauptstadt Lissabon wird von einem Brand zerstört, der infolge eines Erdbebens ausbricht. Als die Einwohner vor den Flammen an das Ufer des Tejo flüchten, werden sie von haushohen Flutwellen überrascht. Zwei Drittel der Stadt werden zerstört, 60.000 Menschen sterben. Der Tsunami macht sich noch in Irland und jenseits des Atlantiks auf den kleinen Antillen bemerkbar, Madeira wird von 15 Meter hohen Wellen erreicht. (Das Erdbeben ist auch in Venedig deutlich zu spüren und wird sogar in Casanovas Memoiren erwähnt.)

17. Jahrhundert

  • 18. November 1601: Ein Erdbeben mit Zentrum in Unterwalden in der Zentralschweiz fordert angeblich acht Tote. Erschütterungen sind in der ganzen damaligen Schweiz zu spüren. Die durch das Erdbeben ausgelösten Rutschungen führen zu einer vermutlich bis zu 4 Meter hohen Flutwelle im Vierwaldstättersee, welche in der Stadt Luzern beträchtliche Schäden anrichtet. Das Ereignis wird vom damaligen Stadtschreiber Renward Cysat ausführlich beschrieben. Es handelt sich um einen der ersten durch einen Augenzeugen gut dokumentierten Tsunami ([3]).

Antike und Prähistorie

  • 1628 v. Chr.: Eine Vulkanexplosion auf Santorin führt zu 60 Meter hohen Wellen im gesamten östlichen Mittelmeer. Dies soll zur Auslöschung der minoischen Kultur geführt haben.
  • In prähistorischer Zeit kamen gewaltige Tsunamis mit unvorstellbaren Höhen von 300 bis 400 m vor. Sie entstanden durch gewaltige Hangrutsche oder Einstürze ganzer Berge, die aufgrund von vulkanischen Tätigkeiten ins Meer brachen, zum Beispiel von den Inseln Hawaiis aus vor 110 000 Jahren oder durch Unterwasserlawinen, wie vor 8 000 Jahren vor der norwegischen Küste. Die Tsunamis können heutzutage durch Ablagerungen der so genannten Tsunamite und Felsproben rekonstruiert werden.

Literatur

Bücher:

  • Landau und Lifschitz: Theoretische Physik Bd. VI: Hydrodynamik, Paragraph 12: Theorie der Schwerewellen

Aufsätze:

  • Erwin Lausch: Tsunami: Wenn das Meer aus heiterem Himmel tobt. GEO 4/1997, S. 74
  • Angelo Rubino: Anregung und Ausbreitung von Tsunami-Wellen, die durch untermeerische Erdrutsche verursacht werden. Universität Hamburg, Institut für Meereskunde, 1994
  • G. Margaritondo: Explaining the physics of tsunamis to undergraduate and non-physics students European Journal of Physics 26, 401-407 (2005)
  • Pascal Bernard: Tsunamis im Mittelmeer? Spektrum der Wissenschaft, April 2005, S. 34 - 41 (2005), ISSN 0170-2971

Siehe auch

Deich, Katastrophenschutz

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