Vergeltungswaffe
Als Vergeltungswaffen, oder kurz V-Waffen, bezeichnete man in der Zeit des Nationalsozialismus insbesondere den Marschflugkörper Fieseler Fi 103 (V1), die Rakete Aggregat 4 (V2) und die Kanone V3. Ein Großteil dieser Waffensysteme kam nicht nur gegen militärische, sondern auch gegen zivile Ziele zum Einsatz, insbesondere im Raum London und in Südengland. Damit sollte Vergeltung geübt werden für die Zerstörung der deutschen Städte durch englische und amerikanische Bombergeschwader. Wie bei diesen alliierten Luftangriffen wurden auch beim Einsatz der V-Waffen Opfer unter der Zivilbevölkerung bewusst in Kauf genommen. In der Endphase des Krieges wurden V-Waffen vornehmlich für Angriffe auf Antwerpen und Lüttich verwendet, um den Nachschub der alliierten Truppen an der Westfront zu stören.[1]
Weitere V-Waffen waren u. a.
- V4 – Reichenberg-Gerät (bemannte Version der V1),
- „Amerikarakete“ (niemals gebaute V3-Variante, Kombination aus Aggregat 9 und Aggregat 10).
Die V-Waffen sollten als „Wunderwaffen“ eine entscheidende Wende im Zweiten Weltkrieg erzwingen, doch war ihre militärisch-strategische Wirkung sehr gering, da es ihnen unter anderem an Zielgenauigkeit mangelte. Zwar steckten insbesondere hinter der V1 (erster Marschflugkörper) und der V2 (erste Großrakete) zukunftsweisende Ideen, jedoch stand deren Entwicklung noch ganz am Anfang und somit waren sie für den militärischen Gebrauch ungeeignet. Hinzu kamen die alliierten Gegenmaßnahmen der Operation Crossbow, die sich gegen sämtliche Bereiche der V-Waffen-Herstellung, des Transports und des Einsatzes richtete.
Die psychologischen Wirkungen – gefördert durch NS-Propaganda – waren enorm: In Deutschland wurde bei vielen Zivilisten und Soldaten der Glaube an einen möglichen Endsieg gestärkt. In England und Belgien – den Hauptzielen der V-Waffen – wurde die Bevölkerung im Glauben an die Notwendigkeit eines Sieges über das NS-Regime bestärkt.
Die Operation Overcast (die gezielte Erbeutung deutscher Technik und technischer Unterlagen sowie die gezielte Gefangennahme deutscher Techniker und Ingenieure) richtete sich unter anderem auf die V-Waffen. Die Geheimhaltung der Operation und der gefundenen Dokumente sowie der Nimbus, den die V-Waffen während des Krieges bekamen, führten zu langjährigen Spekulationen über den Stand der Technik.
Den geheimdienstlichen Schutz der Abschusseinrichtungen in Nordfrankreich, also die Gegenspionage gegen Agenten der Alliierten, übernahm 1943 die Abwehrstelle Arras.[2]
Literatur
- Horst Boog: Strategischer Luftkrieg in Europa und Reichsluftverteidigung 1943-1945; in: Das Deutsche Reich in der Defensive. Strategischer Luftkrieg in Europa. Krieg im Westen und in Ostasien 1943-1944/45 (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 7), Stuttgart/München 2001, S. 3–418.
- Franz Josef Burghardt: Spione der Vergeltung. Die deutsche Abwehr in Nordfrankreich und die geheimdienstliche Sicherung der Abschussgebiete für V-Waffen im Zweiten Weltkrieg. Eine sozialbiografische Studie. Schönau 2018. ISBN 978-3947009022.
- Heinz Dieter Hölsken: Die V-Waffen. Entstehung, Propaganda, Kriegseinsatz, Stuttgart (Deutsche Verlags-Anstalt) 1984 (Schriftenreihe Studien zur Zeitgeschichte hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte München). ISBN 3-421-06197-1