David Lynch

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David Lynch in Cannes, 2001

David Keith Lynch (* 20. Januar 1946 in Missoula, Montana, Vereinigte Staaten) ist ein US-amerikanischer Regisseur, Maler, Fotograf und Animationskünstler. Er konnte sich jedoch auch schon als Schauspieler, Sounddesigner, Lyriker und Möbeldesigner beweisen.

Leben

Die frühen Jahre

Sein Vater war Agrarwissenschaftler im US-Landwirtschaftsministerium. Weil dieser häufig versetzt wurde, war die Familie zu einem Wanderleben gezwungen.

Ab 1966 besuchte Lynch die Pennsylvania Academy of the Fine Arts in Philadelphia. Seine Werke umfassten damals vor allem den Bereich der Malerei, Skulpturen und Fotografien. In einem Kurs für experimentelle Kunst animierte er Zeichnungen und realisierte 1967 als Abschlussarbeit seinen ersten Kurzfilm Six Men Getting Sick.

Mit Minimalbudget und -ausstattung drehte er anschließend den Film The Alphabet, der auf einem Traum der Nichte seiner damaligen Frau Peggy Lynch basierte. Peggy spielte die Hauptrolle, „das Mädchen“. Anders als im reinen Animationsfilm Six Men Getting Sick kombinierte Lynch in diesem vierminütigen Kurzfilm Animationen mit echten Aufnahmen.

1970 bis 1986

Zu dieser Zeit hatte Lynch bereits länger an einem Drehbuch zu einem Projekt namens The Grandmother gearbeitet. Er erhielt dafür ein Stipendium des American Film Institute. Der 35-minütige Film aus dem Jahr 1970 kann als der eigentliche Beginn von Lynchs filmischem Werk angesehen werden.

1971 begann Lynch mit der Arbeit an seinem ersten Spielfilm Eraserhead, einem Schwarzweißfilm, bei dem etliche Personen des Teams mitwirkten, das ihn bei seinen späteren Filmen begleiten sollte. Das Werk wurde aufgrund zahlreicher finanziell bedingter Drehpausen erst 1976 vollendet. Obwohl Eraserhead auf Grund seiner krassen Morbidität bei den Studios auf wenig Gegenliebe stieß, avancierte der Film kurze Zeit später zum Kultfilm, bedingt unter anderem durch die mitternächtliche Ausstrahlung in vielen amerikanischen Kinos als ein sogenannter midnight movie. Während dieser Zeit fertigte Lynch auch den Kurzfilm The Amputee für eine Videomaterial-Prüfung des American Film Institute an.

1980 drehte Lynch im Auftrag von Mel Brooks den achtfach oscar-nominierten Film Der Elefantenmensch, eine Arbeit, die auf einer wahren Geschichte beruht und durch den Gebrauch von Schwarzweiß und seine eher konventionelle Erzählweise ein subtiles Grauen schafft. Kurz darauf bekam Lynch etliche Angebote, unter anderem auch für den dritten Teil der Star-Wars-Trilogie. Er entschied sich jedoch für die opulente Verfilmung des Romans Der Wüstenplanet (engl. Originaltitel: Dune), welche ihm von Dino De Laurentiis angeboten wurde. Trotz des damals immensen Aufwands und eines Etats von 40 Millionen Dollar war das Science-Fiction-Epos ein kommerzieller Flop. Später wurde aus dem Material noch eine längere TV-Fassung erstellt, mit der Lynch in dieser Form nicht einverstanden war, weshalb das Pseudonym Alan Smithee als Regisseur genannt wurde. Trotzdem arbeitete Lynch mit de Laurentiis weiter.

1986 entstand der Thriller Blue Velvet, sein erster Film, der die dunkle Seite des amerikanischen Kleinbürgertums zeigt, und der im Folgejahr eine Oscar-Nominierung erhielt. Er bedeutete für Lynch den eigentlichen internationalen Durchbruch.

1987 bis 1998

Ab 1987 arbeitete Lynch an der Idee für ein Roadmovie, das er 1990 drehte: Für Wild at Heart – Die Geschichte von Sailor und Lula erhielt er die Goldene Palme der Filmfestspiele von Cannes 1990. Ab 1989 produzierte und schrieb er gemeinsam mit Mark Frost die Fernsehserie Twin Peaks, die in den USA und später weltweit ein großer Erfolg war. Hier führte er gelegentlich auch Regie. Der 1993 nachgereichte Kinofilm Twin Peaks - Fire Walk With Me erzählt, was vor den Ereignissen der Serie stattfand.

David Lynch bei der Emmy-Verleihung 1990

Mit dem Kinofilm Lost Highway (1997) zeigt Lynch mit surrealen Techniken eine doppelte Geschichte. Die Bedeutung von erzählerischer Struktur ist abzulesen an der Bemerkung Lynchs gegenüber dem Magazin Positif, dass es sich bei der Erzählung um ein „Möbiusband“ handele: Die Geschichte führt am Ende zu ihrem Anfang zurück, in der Mitte dreht sie sich plötzlich um, was vordergründig war, ist nun die Kehrseite; Begriffe von Raum und Zeit bleiben im Unklaren.

Ein Jahr später erzählt Lynch in Eine wahre Geschichte – The Straight Story linear und filmisch eher einfach die Geschichte eines alten Mannes, der mit seinem fahrbaren Rasenmäher die USA durchquert, um seinen kranken Bruder wiederzufinden. Es ist die Zeitlupenversion eines Roadmovies.

1999 bis heute

Anfang 1999 begann Lynch die Arbeiten an einer neuen Fernsehserie mit dem Titel Mulholland Drive für ABC. Das Projekt wurde stillgelegt, aber mit Hilfe von Freunden und des französischen Senders Canal+ um acht neue Szenen erweitert und zu einem Kino-Spielfilm ausgebaut: Mulholland Drive – Straße der Finsternis. Für die Leistung, aus der „Ruine der TV-Serie einen Kinofilm gebaut zu haben“ (Zitat der Jury) wurde er 2002 bei den Filmfestspielen von Cannes mit dem Regiepreis ausgezeichnet. Außerdem wurde er 2003 nochmals für die beste Regie für den Oscar nominiert.

2002 veröffentlichte er acht Kurzfilme im Stil einer Sitcom mit dem Titel Rabbits auf seiner Homepage. Teile dieser Serie finden sich im Film Inland Empire wieder.

2005 veröffentlichte Lynch als Regisseur, Drehbuchautor und ausführender Produzent die Kurzfilmserie Dumb Land, die bereits einige Jahre zuvor auf seiner Website erschienen war.

Lynchs aktueller Kinofilm Inland Empire, bewusst als work in progress angelegt, hatte Anfang September 2006 in Venedig Premiere.

Bei den Filmfestspielen von Venedig 2006 wurde David Lynch zudem der Goldene Löwe für sein Lebenswerk verliehen.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy ernannte David Lynch 2007 zum Offizier der Ehrenlegion und würdigte dessen Genie und den Willen, vom Kino über Malerei und Fotografie bis zum Möbeldesign alles anzupacken. [1] [2]

Die Filmkunst David Lynchs

Die Arbeit David Lynchs zeigt Herangehensweisen, die aus der bildenden Kunst bekannt sind. Die Filme werden durch thematische und motivische Stilmittel zu einem großen Ganzen zusammengebunden.

Thematisch greift Lynch auf die Gegebenheiten seiner Kindheit in den fünfziger Jahren und die großen Erfahrungen in der Mitte der US-amerikanischen Gesellschaft zurück. Themen sind: der Mittelstand, die Geborgenheit der Kleinstadt, die Musik, die Familie - und deren dunkle Kehrseite: unterdrückte Gewalt und Sexualität, das Unbewusste, das Irrationale, das Verschwiegene. Das Werk formt aus dem Banalen den Horror, es lässt Gewalt in Komik umschlagen, macht aus Mystischem Alltägliches, es ergänzt Pathos mit überlangen Ausführungen, mischt Improvisiertes mit Zufälligem. Die Paradoxie und die unaufgelöste Metapher sind bei Lynch charakteristisch.

Auf der Motivebene tauchen das Feuer, die Hütte als Ort des Guten oder des Bösen, die Straße als Weg des Schicksals, die Farbe Rot, die verborgene Kammer, seltsame Mittler aus einer anderen Welt und entstellte Gestalten, der Sternenhimmel, Doppelgänger, Elektrizität und vieles mehr auf.

Dadurch ergibt sich ein „Sinn“ eines einzelnen Films vor allem im Zusammenspiel mit den anderen Filmen, als Teil einer übergeordneten Struktur, weniger durch logische Erklärungen und rationale Auflösungen. Mittlerweile ist man in der Lynch-Rezeption so weit, dass man die Filme auf ihre intensive Atmosphäre hin untersucht und akzeptiert, dass sich Lynch wenig bis gar nicht für rationale, übergeordnete Strukturen oder übliche Formen des filmischen Erzählens interessiert. Vielmehr greift Lynch auf Intuition zurück und vergleicht den Prozess des Filmemachens mit dem des Malens.

Der Soundtrack ist ein Rückgriff auf die Popkultur, in der sich der Sound der Nachkriegsjahre mit den Songs der Gegenwart abwechselt.

„Nur wenige zeitgenössische Regisseure arbeiten in diesem Maße mit den Grundelementen des Kinos. Sein Gespür für das Ineinandergreifen von Ton und Bild, für den Rhythmus von Sprache und Bewegung, für Raum, Farbe und musikalische Effekte machen ihn zu einer Ausnahmeerscheinung. Er arbeitet im Epizentrum des Mediums. Doch seine Originalität und Kreativität kommen vor allem aus seiner ungewöhnlichen Bereitschaft und Fähigkeit, in die tieferen Schichten der eigenen Psyche vorzudringen.“

Chris Rodley: Lynch über Lynch, Vorwort, S. 7

Besonderes zu David Lynch

Lynch arbeitet viel mit Angelo Badalamenti zusammen, der die Musik zu vielen seiner Filme schrieb. Des Weiteren komponiert Lynch selbst Musik für seine Filme.

Ein Wunschprojekt namens Ronnie Rocket hat er nie verwirklicht.

Lange Jahre lebte und arbeitete Lynch, der in den 1980er Jahren kurzzeitig mit Isabella Rossellini, der Tochter Ingrid Bergmans und Roberto Rossellinis, liiert war, mit Mary Sweeney, der Mutter seines inzwischen 14-jährigen Sohnes zusammen. Im Mai 2006 gaben sich die beiden das Jawort, aber nach nur fünf Wochen reichte Lynch die Scheidung wegen ‚unüberbrückbarer Differenzen‘ ein. „Sie wollte heiraten, sie hat geheiratet, ich wollte das nicht – so hat jeder von uns seinen Willen erfüllt bekommen“ lautete Lynchs lakonischer Kommentar zur Trennung.

David Lynch ist auch als Anhänger der transzendentalen Meditation bekannt.

Starregisseur Stanley Kubrick erwarb eine Kino-Kopie von Lynchs Eraserhead, die er gelegentlich in seinem Haus bei London Gästen vorführte, wobei Kubrick erklärte, Eraserhead sei der einzige Film eines anderen Regisseurs, bei dem er selbst gerne Regie geführt hätte.

Filmografie

Fernsehfilme

  • 1989 - Twin Peaks, Pilotfilm und 29 Serienfolgen, Regie beim Pilotfilm und den Folgen 3, 9, 10, 15 und 29
  • 1990/91 - American Chronicles, Dokumentarfilmreihe, produziert von Lynch, Regie der Folge ‚Champions‘: Lynch/Frost
  • 1991/92 - On the Air, 7 Folgen, Regie bei Folge 1
  • 1992 - Hotel Room, Kurzgeschichten-Trilogie

Fernsehkurzfilme

  1. The Neighbor
  2. The Treadmill
  3. The Doctor
  4. A Friend Visits
  5. Get the Stick!
  6. My Teeth are Bleeding
  7. Uncle Bob
  8. Ants

Werbespots

  • 1988 - Obsession, 4 Spots für Calvin Klein.
  • 1988 - Georgia Coffee, 4 Spots für Coca Cola Japan.
  • 1988 - We Care about New York, Informationsfilm für die Stadt New York zum Rattenproblem.
  • 1992 - Wer ist Giò, 60-Sekunden-Spot für Giorgio Armani.
  • 1992 - Opium, für Yves Saint Laurent.
  • 1993 - 2 Spots für Alka-Seltzer Plus.
  • 1993 - Revealed, Informationsfilm über Brustkrebs im Auftrag der American Cancer Society.
  • 1993 - Barilla, 1 Spot für den Nudelhersteller.
  • 1993 - The Wall, für Adidas.
  • 1993 - The Instinct Of Life, für Jil Sander.
  • 1994 - Sun Moon Stars, mit Daryl Hannah für Karl Lagerfeld.
  • 1997 - 4 Spots für den SciFi-Sender.
  • 1997 - Clear Blue Easy (Schwangerschaftstest) mit Marisa Parker.
  • 1998 - Spot für Parisienne.
  • 2000 - Spot für Sony PlayStation 2.
  • 2002 - Spot für das Model Micra vom Automobilhersteller Nissan.
  • 2007 - Spot für das Parfüm Gucci by Gucci.

Musikclips

Einzelnachweise

  1. AFP: Sarkozy ehrt US-Regisseur David Lynch als "Genie"
  2. Tagesanzeiger: Lynch Offizier der Ehrenlegion

Literatur

Bücher von David Lynch

  • David Lynch: Catching the Big Fish: Meditation, Consciousness, and Creativity, Jeremy P. Tarcher/Penguin, New York 2006, ISBN 1-58542-540-0
  • David Lynch: Images, Schirmer/Mosel, München 1994, ISBN 3-88814-746-8
  • David Lynch: The Air is on Fire, Fondation Cartier pour l'art contemporain, Paris 2007 (Vertrieb: außerhalb Frankreichs: Thames & Hudson, London), ISBN 978-2-7427-6496-9

Bücher über David Lynch

Dokumentarfilme über David Lynch

  • 1985-1988 "NO FRANK IN LUMBERTON" von Peter Braatz und Frank Behnke
  • 2003 "Does that hurt you?" von Agnieszka Jurek
Commons: David Lynch – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien