Arten nationaler Verantwortlichkeit Deutschlands

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Arten nationaler Verantwortlichkeit Deutschlands (englisch: National responsibility species, NRS), kurz meist als Verantwortungsarten bezeichnet, sind Tier- und Pflanzenarten, für deren Erhalt und Schutz Deutschland nach der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt eine besondere Verantwortung trägt, weil diese entweder nur in Deutschland vorkommen (endemische Art) oder ein besonders hoher Anteil der Weltpopulation in Deutschland lebt. Im Naturschutz stellt das Konzept der Nationalen Verantwortlichkeit eine Ergänzung zu dem Konzept der Roten Listen dar, in denen der Gefährdungsgrad von Tier- und Pflanzenarten bewertet wird. Gemeinsam können diese Konzepte für die Definition von und die Verteilung von Ressourcen für Naturschutzmaßnahmen angewendet werden.[1]

Die 1992 in Rio de Janeiro beschlossenen UN-Konvention zur biologischen Vielfalt (englisch: Convention on Biological Diversity, CBD) forderte die Staaten auf, grundsätzlich neue Konzepte zum Schutz der Naturvielfalt zu entwickeln. Die Bundesrepublik Deutschland setzte diese Aufgabe durch die 2007 verabschiedete Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (auch: nationale Biodiversitätsstrategie, kurz NBS) um.

Für die Entwicklung konkreter Schutzstrategien stellte sich dabei die Frage, für welche Arten ein einzelner Staat oder auch ein einzelnes Bundesland aus globaler Perspektive eine besondere Verantwortung trägt.[1]

Prinzipiell ist ein Staat für alle darin vorkommenden autochthonen Arten verantwortlich.[2] Da die zur Verfügung stehenden Ressourcen allerdings begrenzt sind, muss die Festsetzung von Prioritäten erfolgen, anhand derer die knappen Mittel verteilt werden. Das Verantwortlichkeitskonzept berücksichtigt dabei die Bedeutsamkeit der nationalen Vorkommen einer Art im globalen Zusammenhang.[1] So besitzt Deutschland eine besondere Verantwortung für die Tier- und Pflanzenarten, deren Populationen auf deutschem Territorium für ihr weltweites Überleben unverzichtbar sind. Betroffen davon sind Arten, deren Verbreitungsgebiet zu einem großen Anteil in Deutschland liegt oder die hier in Populationen in hochgradig isolierten Vor- oder Außenposten vorkommen.[1]

Die Festlegung von Verantwortungsarten ist eine Ergänzung zu den Roten Listen gefährdeter Arten, in denen gefährdete Tier- und Pflanzenarten erfasst werden.[3] Allerdings ist das Konzept der nationalen Verantwortlichkeit nicht auf selten oder in ihrer Population rückläufige Arten beschränkt. Einige der nach diesem Konzept als besonders schutzwürdig ausgewählten Arten, wie z. B. der Rotmilan, kommen in Deutschland sogar häufig oder weit verbreitet vor, sind global gesehen aber in ihrem Bestand gefährdet und haben in Deutschland einen eindeutigen Verbreitungsschwerpunkt.[1]

Das Konzept der Nationalen Verantwortlichkeit soll bei der Setzung von Prioritäten im Arten- und Naturschutz helfen, da den Verantwortungsarten eine erhöhte nationale Aufmerksamkeit zukommen muss, um deren Weltbestand zu schützen und zu sichern.[3] Neben praktischen Naturschutzmaßnahmen kann die Festlegung von Verantwortungsarten auch bei der Identifikation prioritärer Naturräume, beim naturschutzorientierten Monitoring, bei der Festlegung von Nachhaltigkeitsindikatoren sowie bei der Festlegung von Eingriffsregelungen als Bewertungs- und Auswahlkriterium herangezogen werden.[1]

Auswahl der Arten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An die Verantwortlichkeitsermittlung wird auf der einen Seite der Anspruch erhoben, fachlich korrekt, auf der anderen Seite aber auch einfach anwendbar und damit im praktischen Naturschutz handhabbar zu sein. Grundlage dafür ist zunächst ein anerkanntes taxonomisches Konzept, auf dessen Basis eine Prüfung der globalen Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten möglich ist.[4]

Für die Analyse der nationalen Verantwortlichkeit werden drei Kriterien herangezogen:[3]

  • der Anteil, den die jeweiligen Populationen im Bezugsraum an der gesamten Weltpopulation haben
  • die Bedeutung der Population für die genetische Vielfalt innerhalb der weltweiten Gesamtpopulationen
  • der Grad der Gefährdung der Art im weltweiten Bezug

Anhand dieser Kriterien werden Arten in drei Kategorien der nationalen Verantwortlichkeit eingeteilt:[3]

  • Arten, für die Deutschland in besonders hohem Maße verantwortlich ist:
Arten, deren Aussterben im Bezugsraum einen äußerst gravierenden negativen Einfluss für den Gesamtbestand hätte bzw. das weltweite Erlöschen dieser Arten bedeuten könnte
  • Arten, für die Deutschland in hohem Maße verantwortlich ist:
Arten, deren Aussterben im Bezugsraum einen gravierenden negativen Einfluss für den Gesamtbestand hätte bzw. die weltweite Gefährdung dieser Arten stark erhöhen würde
  • Arten, für deren hochgradig isolierte Vorposten Deutschland in besonderem Maße verantwortlich ist:
Diese Kategorie wird für Arten vergeben, die die Kriterien der beiden vorgenannten Gefährdungskategorien nicht erfüllen, die im Bezugsraum aber an mindestens einem Standort eine Population bilden bzw. disjunktes Teilareal von geringer Ausdehnung besiedeln (sog. isolierte Vorposten).

Liste einiger deutscher Verantwortungsarten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt wurde das ab 2011 laufende Bundesprogramm Biologische Vielfalt aufgelegt, in dessen Rahmen neben dem Schutz von für die biologischen Vielfalt bedeutenden Hotspots und Ökosystemleistungen auch der Schutz der Verantwortungsarten einen Förderschwerpunkt darstellt.[5] In Zusammenarbeit mit den einzelnen Bundesländern haben das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und das Bundesamt für Naturschutz eine Liste von insgesamt 40 Tier- und Pflanzenarten erstellt, für die eine Förderung im Rahmen dieses Bundesprogramms möglich ist. Diese Liste wurde im Laufe der Jahre deutlich erweitert, es kamen beispielsweise auch Pilze hinzu.[6]

Die folgende Liste ist aufgrund der häufigen Aktualisierungen der Auswahl als Verantwortungsarten unvollständig. Eine aktuelle Liste ist auf der Homepage des Bundesamts für Naturschutz einzusehen.[6]

Bild Deutscher Name Lateinischer Name
Bechsteinfledermaus Myotis bechsteinii
Gartenschläfer Eliomys quercinus
Mopsfledermaus Barbastella barbastellus
Sumpfspitzmaus Neomys anomalus
Waldkatze Felis silvestris silvestris
Bild Deutscher Name Lateinischer Name
Bergente Aythya marila marila
Goldregenpfeifer Pluvialis apricaria altifrons
Kiebitz Vanellus vanellus
Mittelspecht Dendrocopos medius
Rotmilan Milvus milvus
Trauerente Melanitta nigra nigra
Zwergschwan Cygnus columbianus bewickii
Bild Deutscher Name Lateinischer Name
Feuersalamander Salamandra salamandra
Gelbbauchunke Bombina variegata variegata
Bild Deutscher Name Lateinischer Name
Barbe Barbus barbus
Tiefenmaränen Coregonus spec., alle Tiefenformen
Bild Deutscher Name Lateinischer Name
Apollofalter Parnassius apollo, alle Unterarten außer Parnassius apollo bartholomaeus und Parnassius apollo luitpoldus
Schwarzer Apollo, Unterarten Parnassius mnemosyne, alle Unterarten außer Parnassius mnemosyne hartmanni und Parnassius mnemosyne korbi
Forels Kerbameise Formica foreli
Gruben-Großlaufkäfer Carabus (variolosus) nodulosus
Heldbock Cerambyx cerdo
Bild Deutscher Name Lateinischer Name
Abgeplattete Teichmuschel Pseudanodonta complanata
Flussperlmuschel Margaritifera margaritifera
Gemeine Malermuschel Unio pictorum
Bild Deutscher Name Lateinischer Name
Berg-Wohlverleih (Arnika) Arnica montana
Serpentin-Streifenfarn Asplenium cuneifolium
Stängelloser Tragant Astragalus exscapus
Reichenbachs Zittergras-Segge Carex pseudobrizoides
Bayerisches Löffelkraut Cochlearia bavarica
Weichhaariger Pippau Crepis mollis
Breitblättriges Knabenkraut Dactylorhiza majalis
Pfingstnelke Dianthus gratianopolitanus
Scheiden-Gelbstern Gagea spathacea
Sumpf-Enzian Gentianella uliginosa
Sumpf-Bärlapp Lycopodiella inundata
Tide-Wasserfenchel Oenanthe conioides
Weißes Schnabelried Rhynchospora alba
Rheinischer Steinbrech Saxifraga rosacea subsp. sternbergii
Graue Skabiose Scabiosa canescens
Gelbes Galmei-Stiefmütterchen Viola calaminaria

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e f Horst Gruttke: Grundüberlegungen, Modelle und Kriterien zur Ermittlung der Verantwortlichkeit für die Erhaltung von Arten mit Vorkommen in Mitteleuropa - eine Einführung. In: Horst Gruttke (Bearb.): Ermittlung der Verantwortlichkeit für die Erhaltung mitteleuropäischer Arten - Referate und Ergebnisse des Symposiums "Ermittlung der Verantwortlichkeit für die weltweite Erhaltung von Tierarten mit Vorkommen in Mitteleuropa" auf der Insel Vilm vom 17. – 20. November 2003. Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 8, Bundesamt für Naturschutz, Bonn - Bad Godesberg 2004, S. 7–23
  2. § 1 (1) und (2) des Bundesnaturschutzgesetzes, (BNatschG), Fassung vom 29. Juli 2009
  3. a b c d Arten nationaler Verantwortlichkeit Deutschlands auf der Homepage des Bundesamtes für Naturschutz, abgerufen am 20. Oktober 2020
  4. H. Gruttke, G. Ludwig, M. Schnittler, M. Binit-Hafke, M. Fritzlar, J. Kuhn, T. Assmann, H. Brunken. O. Denz, P. Detzel, K. Henle, M. Kuhlmann, H. Laufer, A. Matern, H. Meinig, G. Müller-Motzfeld, F. Schütz, J. Voith und E. Welk: Memorandum: Verantwortlichkeit Deutschlands für die weltweite Erhaltung von Arten. In: Horst Gruttke (Bearb.): Ermittlung der Verantwortlichkeit für die Erhaltung mitteleuropäischer Arten - Referate und Ergebnisse des Symposiums "Ermittlung der Verantwortlichkeit für die weltweite Erhaltung von Tierarten mit Vorkommen in Mitteleuropa" auf der Insel Vilm vom 17. – 20. November 2003. Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 8, Bundesamt für Naturschutz, Bonn - Bad Godesberg 2004, S. 273–280
  5. Bundesprogramm Biologische Vielfalt auf der Homepage des Bundesamtes für Naturschutz, abgerufen am 20. Oktober 2020
  6. a b Arten in besonderer Verantwortung Deutschlands auf der Homepage des Bundesamtes für Naturschutz, abgerufen am 20. Oktober 2020