Stück zu schanden werden lassen. Was endlich diejenige Ordnung anlanget, die ich täglich in meinen Amts-Geschäften halte, so bestehet sie in folgenden. Erstlich nach gethanem Morgen-Gebete erkläre ich von 6. bis 7. Uhr den Malabarischen Catechismum Lutheri. Von 7. bis 8. Uhr repetire ich allezeit die aufgeschriebenen und erlerneten malabarischen Vocabula und Phrases. Von 8. bis 12. Uhr lese ich lauter Malabarische Bücher, die ich vorhin noch nicht gelesen habe, in Gegenwart eines alten Poeten und eines Malabarischen Schreibers. Der Poet muß mir die Zeit und Umstände derjenigen Historie besser und weitläufftiger erzählen, die ich auß diesem oder jenem Buch lese, und wenn in Versen etwas schweres und dunckeles vorkommt, so muß er mir solches erklären. Der Schreiber muß alle diejenigen Vocabula und Phrases aufschreiben, die in Lesung anderer Bücher noch nicht vorkommen sind. Anfänglich hatte ich auch lange einen Translatorem hierbey, Namens Alepla; aber selbigen habe ich nicht mehr von nöthen, weßwegen ihn mein lieber Mit-Collega zu sich genommen hat, um in der Malabarischen Sprache mir ein wenig nachzukommen. Von 12. bis 1. Uhr speise ich, und lasse mir unter währendem Essen auß der Bibel vorlesen. Von 1. bis 2. Uhr ruhe ich ein wenig, sintemal man alsdann vor der ungemeinen Hitze nichts thun kan. Von 2. bis 3. Uhr halte ich eine Catechisation im Hause. Von 3. bis 5. Uhr lese ich wiederum in Malabarischen Büchern. Und zwar habe ich allezeit nur einen gewissen Autorem, den ich durchgehe. Wenn aber solcher wohl durchgangen ist, so fange ich denn wiederum einen andern an. Von 5. bis 6. Uhr halten wir unsere Betstunde. Nach selbiger halten wir eine Stunde conferentz mit einander, da ein jedweder dem andern referiret, was den Tag über in seinen Hause und unter seinen anvertrauten vorgegangen. Dabey man denn auf Rath und Mittel bedacht ist, wie alles in guter Ordnung könne erhalten und im Segen fortgesetzet werden. Von halb sieben bis 8. Uhr lasse ich mir von einem Malabarischen Schreiber auß Malabarischen Büchern vorlesen; sintemal ich bey Lichte nicht viel lesen darf. Es werden aber zu dieser Zeit sonderlich diejenigen Bücher gelesen, deren stilum ich in allem meinem Reden und Schreiben zu imitiren suche. Dahero ist es geschehen, daß ich oftmals einen dergleichen Autorem zu hundertmal mir vorlesen
Bartholomäus Ziegenbalg: Herrn Bartholomäus Ziegenbalgs Ausführlicher Bericht. Halle: Verlegung des Wäysenhauses, 1710, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:14_Ausf%C3%BChrlicher_Bericht.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2018)