Protestantismus
Hintergrund
[Bearbeiten]Im frühen 16. Jahrhundert kam es als Reaktion auf gewisse Misstände im Bereich der römisch - katholischen Kirche zu einer kirchlichen Erneuerungsbewegung im deutschsprachigen Raum, zur Reformationsbewegung.
Im Jahre 1517 schlug der Augustinermönch Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablass an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg an (zumindest soll es sich so zugetragen haben, Verbreitung erhielten die Thesen nach ihrer Übersetzung ins Deutsche im Jahre 1518), was im Verlaufe der kommenden Jahre zu verschiedenen theologischen Disputen führte. Luther reagierte mit mehreren kritischen Schriften (den sog. reformatorischen Hauptschriften), woraufhin die Curie im Jahre 1521 nach der Weigerung Luthers zum Widerruf mit der Exkommunikation Luthers reagierte.
Von Mai 1521 - Mai 1522 hielt sich Luther auf der Wartburg auf und arbeitete an Schriften zum evangelischen Gemeindeleben und Predigtkultur und seiner Übersetzung des Neuen Testaments aus dem griechischen Urtext, um es dem Volk zu ermöglichen, Gottes Wort in der eigenen Sprache zu verstehen. Mit der Übersetzung auch des Alten Testaments, welche sich bis 1534 hinzog, wurde die gesamte Bibel in deutscher Sprache verfügbar und breitete sich dank der Verbreitung des Buchdrucks rasch aus.
Parallel dazu trat Huldrych Zwingli in Zürich die Stelle als Leutpriester am Grossmünster und erweckte bald durch seine schnörkellose Auslegung des Evangeliums, aber auch seine Positionen gegen das Fasten und andere Gebote der römisch-katholischen Kirche Anstoss. In Beisein von Zwingli kam es im März 1522 nach Publikation einer ersten reformatorischen Schrift zum "Froschauer Wurstessen", bei der in Anwesenheit von mehreren Geistlichen im Hause des Drucker Ch. Froschauer mit einem Wurstessen gegen das Fastengebot verstossen wurde. Nach mehreren theologischen Disputen und Klarlegung der evangelischen Positionen des nun der Ketzerei beschuldigten Zwingli gegenüber dem Zürcher Grossen Rat entschied sich der Stand Zürich für die "Neue Lehre". Nach der Zweiten Zürcher Disputation gegen die "Bilderverehrung" wurden innert sechs Monaten alle Bilder aus den Kirchen entfernt, nach der dritten Disputation im Jahre 1524 die Messe und das Zölibat abgeschafft. 1525 veröffentliche Zwingli seine Schrift "Von der wahren und falschen Religion" und mit Schaffung neuer Schul-, Kirchen- und Sittengesetze wurde die Reformation abgeschlossen.
Von 1524/29 übersetzte der des Griechischen kundige Zwingli unter Mithilfe von Leo Jud die Bibel aus dem Griechischen und Hebräischen in Zürcher Kanzleideutsch, der bereits erwähnte Ch.Froschauer besorgte den ersten Druck der "Zürcher Bibel". In einem Streitgespräch mit Martin Luther in Wartburg im Jahre 1529 zur Frage des Abendmahls wurde Zwingli abgekanzelt und der Plan eines gemeinsamen Weiterführens der Reformation im deutschsprachigen Raum zerschlug sich.
In der Schweiz entschieden die Stände (Kantone der alten Eidgenossenschaft) unterschiedlich über die Einführung der "Neuen Lehre", teils wurde (wie im Appenzellerland) an der Landsgemeinde demokratisch entschieden, teils kam es zu Religionskriegen, teils zu Koexistenz. Nach dem Tod von Zwingli im Zweiten Kappelerkrieg führte H. Bullinger die Reformation weiter.
Wenig später als Zürich entschieden sich der Grosse Rat des Kantons Bern (unter Reformator Berchtold Haller), die Städte Basel (Johannes Oekolampad und Oswald Myconius), Schaffhausen, St. Gallen (Reformator Joachim von Watt, gen. Vadianus]] und das Waadtland für die Reformation.
Die Zürcher Reformation war auch Ursprung der Täuferbewegung. Waren Konrad Grebel, Felix Manz, Jörg Blaurock und Andreas Castelberger noch im Kreis der engsten Vertrauten Zwinglis gewesen, kam es Ende 1524/25 zur Entzweiung wegen Fragen der Säuglingstaufe (die Täufer akzeptierten nur die Glaubenstaufe) und des Steuer- und Wehrdienstes (Trennung von Kirche und Staat, Eidverweigerung). Nach einem Disput im Januar 1525 und einer ersten "Wiedertaufe" am 25. Jan.1525 kam es zur blutigen Verfolgung der jungen Täuferbewegung durch Zwingli und Bullinger. Zahlreiche Täufer entzogen sich dem Schicksal, in der Limmat ertränkt zu werden und flohen nach Süddeutschland, die Niederlande und später Amerika, wo sie die Glaubensgemeinschaften der Mennoniten, Hutterer und Amischen gründeten, erst 2004 kam es in Zürich und 2010 durch den Lutherischen Weltbund zu einem Schuldbekenntnis der Reformierten Kirche gegenüber der Täuferbewegung.
Im Jahre 1533/34 hatte sich Johannes Calvin in Paris der Reformation zugewandt und geriet auf der Flucht vor den Verfolgern aus der Umgebung des französischen Königs 1535 ins inzwischen reformierte Basel, wo er mit Heinrich Bullinger und Guillaume Farel zusammenkam. Der reformatorische Prediger Farel konnte Calvin dazu bewegen, ab 1536 in Genf zu wirken und dort eine Kirchenordnung und einen Katechismus zu erarbeiten, von Pierre Robert Olivétan war dort die ins Französische übersetzte Bible de Genève erschienen, auf die sich später die Hugenotten beriefen. Die calvinistische Lehre breitete sich nach Frankreich (Hugenotten), in die Niederlande und den anglo - amerikanischen Raum aus.
Im Verlauf des 16. Jhdts. kam es zur Gegenreformation, in der nicht zur Reformation bereite Stände Hilfeersuchen an die katholische Kirche richteten, die Schweiz wurde als Folge der Abschlüsse solcher "Sonderbünde" wiederholt von Religionskriegen bedroht. In Frankreich wurde die Reformation mit Verfolgung der Hugenotten 1546 in den Untergrund gedrängt und mit blutiger Verfolgung und Vertreibung der Hugenotten bis ins 18. Jhdt. nahezu vollständig unterdrückt, erst mit dem Toleranzedikt von Nantes 1787 mussten die Protestanten nicht mehr um ihr Leben fürchten.
Protestantische Lehre
[Bearbeiten]Grundsätze
[Bearbeiten]In den lateinisch formulierten Grundsätzen der Reformation "Sola gratia, sola fide, sola scriptura, solus Christus" ist die Essenz reformierten Glaubens zusammengefasst: Sola gratia – allein durch die Gnade Gottes wird der Mensch errettet (nicht wegen seines eigenen Handelns oder Werke); Sola fide – allein durch den Glauben an Jesus Christus wird der Mensch gerechtfertigt; Sola scriptura – allein die Schrift (Bibel) ist die Grundlage des christlichen Glaubens und Urteilens; Solus Christus – allein Christus hat Autorität über Gläubige.
Sakramente und Lehre
[Bearbeiten]Die reformierten Gläubigen (resp. Protestanten, diese Bezeichnung ging ursprünglich auf die römisch-katholische Bezeichnung der Anhänger der "Neuen Lehre" als Ketzer zurück) halten sich mehr oder weniger strikt an die Anordnungen in der Bibel. Uneinigkeiten in der Auslegung haben bereits zur Zeit der Entstehung zur Entzweiung der verschiedenen Bewegungen innerhalb der Reformation geführt. Während Luther an dem festhielt, was nicht im Gegensatz zu seinem Bibelverständnis stand, verwarfen die radikaler denkenden Schweizer Reformatoren alles, was nicht in der Bibel begründet ist.
An Sakramenten kennen die reformierten Kirchen
- die Taufe, welche üblicherweise ans Säuglingstaufe vollzogen wird; die Täuferbewegungen und einige evangelische Freikirchen akzeptieren auch hier nur die Glaubenstaufe, was zu Entzweiungen führte
- das Abendmahl, welches als Entsprechung der Kommunion mit Brot und Wein (oder Traubensaft) gefeiert wird. In der Lutherischen Kirche wird das Abendmahl als Realpräsenz verstanden: Christi Leib und Blut werden als Brot und Wein ausgeteilt und empfangen, in der reformierten Kirche Schweizer Prägung wird das Abendmahl nur als Gedächtnismahl verstanden, hier wird auch auf die Benutzung des Ausdrucks Sakrament verzichtet.
Wichtige Momente im Glaubensleben (aber keine Sakramente) sind
- die Konfirmation: ähnlich der Firmung wird nach erfolgter Unterweisung der Entscheid zum Glauben erneuert und der Übertritt ins kirchliche Erwachsenenalter gesegnet; von der Regelung, dass der Gläubige erst danach zur Abendmahlsfeier zugelassen ist, wird zunehmend Abstand genommen.
- die Eheschließung wird nach zivilstandsamtlicher Trauung in der kirchlichen Trauung besiegelt und gesegnet; Ehescheidungen und Wiederverheiratung sind in den evangelischen Kirchen ebenso zugelassen, wie die Eheschließung der Pfarrer oder Pastoren.
- die Beichte gehört in der Lutherischen Kirche zum Glaubensleben, der Schweizer Reformator Zwingli hat die Beichte abgeschafft.
Die Liturgie lehnt sich in der Lutherischen Kirche noch enger an die von Zwingli verworfene Messefeier an. In der Schweizer Reformierten Kirche besteht die Liturgie im Wesentlichen aus Sammlung/Textlesung, Gemeindegesang zum Lob (Zwingli hatte noch jegliche Musik aus den Kirchen verbannt), Lesung und Predigt, Fürbittegebet und Segen; das Abendmahl wird oftmals nur an hohen Festtagen und speziellen Gottesdiensten gefeiert.
Gotteshäuser und liturgische Gegenstände, Gewänder
[Bearbeiten]Während die Gottesdienste der Lutherischen Kirche noch eher an die prächtig zelebrierte katholische Messe erinnert, hat sich in der Reformierten Kirche in der Schweiz die Nüchternheit zwinglischer Prägung durchgesetzt. In gemischt - konfessionellen Gegenden in der Schweiz sind die reformierten Kirchen durch den Turmhahn auf der Kirchturmspitze erkennbar, das Kreuz auf dem Kirchturm bezeichnet eher katholische Gotteshäuser.
Mit dem "Bildersturm" wurden ab 1522 zunehmend sämtliche Bildnisse und Skulpturen aus den Kirchen entfernt, Fresken übertüncht oder herausgeschlagen, so dass reformierte Kirchen ausgesprochen nüchtern wirken.
Als Folge der Ablehnung aller Formen von Marien- oder Heiligenverehrung finden sich kaum Bilder, erst in der Neuzeit wenige abstrakte Darstellungen; im Gegensatz zum Kruzifix finden sich in den reformierten Kirchen nur einfache Kreuze ("Christus ist nicht am Kreuz geblieben, er ist auferstanden") und allenfalls Bibelzitate an den Wänden, es gibt weder Weihwassergefässe noch Bekreuzigung.
In der Regel findet sich im Chorbereich der reformierten Kirche ein Taufstein und ein Abendmahlstisch mit der aufgeschlagenen Bibel anstelle des von Zwingli ebenfalls aus den Kirchen verbannten Altars.
In der lutherischen Kirche trägt der Pfarrer den Talar mit Beffchen, teils mit Stehkragen , in der reformierten Kirche in der Schweiz wird nur noch teilweise der Talar als Amtstracht getragen, oftmals wird im dunklen Anzug gepredigt.
Beim Betreten der reformierten Kirchen wird angemessene Kleidung erwünscht und die Kopfbedeckung abgenommen; strenge Kleidervorschriften oder gar Kontrolle bezüglich deren Einhaltung existieren nicht. Der Anstand verbietet es, während den Gottesdiensten Kirchen zu besichtigen oder gar (mit Blitz) zu photographieren. Die Teilnahme an den Gottesdiensten ist jedermann offen, bei den in der Schweiz üblichen Wortgottesdiensten bieten sich nicht viele Gelegenheiten, durch Fehlverhalten in Fettnäpfchen zu treten. Wer auf die Teilnahme am Abendmahl verzichten möchte, bleibt sitzen oder gibt den Abendmahlskelch kommentarlos weiter.
Viele Kulturschätze sind als Folge des Bildersturms in der reformierten Schweiz zerstört wurden, teils sind Kunstgegenstände noch in Museen zu besichtigen, in der Regel gibt es keine Kirchenschätze oder Dommuseen zu besichtigen. Viele reformierte Kirchen sind tagsüber geschlossen und nur für Anlässe geöffnet, das der reformierte Gläubige in der Regel zum Gebet kein spezielles Gotteshaus aufsucht. Der Mesmer ist in der Regel gern bereit, eine Kirche zur Besichtigung zu öffnen.
Organisation und rechtlicher Status
[Bearbeiten]Die Lutherische Kirche kennt eine strengere Hierarchie mit dem Pfarrer und Bischofsamt als die die Schweizer evangelisch - reformierte Landeskirche; hier ist die kantonale Synode das höchste Organ und die Ortspfarrer geniessen unter dem Kirchenstand (Kirchenvorsteherschaft) der Ortsgemeinde weitgehende (Lehr-)freiheit.
Die lutheranischen resp. evangelisch-reformierten Landeskirchen sind ermächtigt, Kirchensteuern einzuziehen und sind also staatlich anerkannt. Zunehmend wird das Territorialitätsprinzip aufgelöst, dass der Gläubige Kirchensteuern in seiner Wohngemeinde leistet und Taufen und Hochzeiten dort gefeiert werden. Die Verbindung zwischen Kirche und Staat lehnte die früher Täuferbewegung (wie die Eidesleistung und der Zwang zum Wehrdienst) ab, was zur Entzweiung und blutigen Verfolgung durch die Reformatoren führte.
Die evangelischen Freikirchen entstanden in der Neuzeit ebenfalls als Folge des Verständnisses von Trennung von Kirche und Staat und beziehen in der Regel keine staatlichen Gelder oder Gebäude, sie finanzieren sich rein aus Spenden der Gläubigen und benutzen relativ schmucklose Zweckbauten.