Massenwirkungsgesetz

Gesetz zur Definition des chemischen Gleichgewichts für chemische Reaktionen

Das Massenwirkungsgesetz (Abkürzung „MWG“) definiert das chemische Gleichgewicht für chemische Reaktionen. Dem Massenwirkungsgesetz zufolge ist das Produkt aus den Aktivitäten der beteiligten Stoffe (potenziert mit den jeweiligen stöchiometrischen Zahlen ) konstant.[1] Die Konstante wird als Gleichgewichts- oder Massenwirkungskonstante bezeichnet.[2] Sind an einer Reaktion Stoffe beteiligt, erhält man:

Hierbei ist das Produktzeichen. Da die stöchiometrischen Zahlen der Ausgangsstoffe negativ sind, werden Massenwirkungsgesetze als Brüche formuliert, wobei die Produktterme den Zähler und die Eduktterme den Nenner bilden. Für eine Reaktion mit der unter Verwendung des Gleichgewichtspfeils formulierten stöchiometrischen Reaktionsgleichung

,

an der die Ausgangsstoffe A, B, …, M und die Produkte N, O, …, Z beteiligt sind, nimmt das Massenwirkungsgesetz daher folgende Form an:

Die Gleichgewichtskonstante ist eine intensive dimensionslose thermodynamische Zustandsgröße und definiert diejenige stoffliche Zusammensetzung, für die das unter den jeweiligen Reaktionsbedingungen relevante thermodynamische Potential des reagierenden Systems ein Minimum aufweist. Stellt sich der durch das Massenwirkungsgesetz definierte Gleichgewichtszustand ein, wird die maximale Zunahme der Entropie, die durch Zustandsänderungen im Reaktionsgemisch realisierbar ist, erreicht.

Geschichte

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Cato Maximilian Guldberg (links) und Peter Waage (rechts) im Jahr 1891

Das Massenwirkungsgesetz wurde von den norwegischen Chemikern Cato Maximilian Guldberg und Peter Waage experimentell ermittelt und 1864 in Norwegisch sowie 1867 in Französisch (mit ihren experimentellen Daten und einem modifizierten Gesetz) erstmals veröffentlicht.[3] Ihre Veröffentlichung fand lange keine große Beachtung. Der Ire John Hewitt Jellett kam 1873 zu ähnlichen Schlussfolgerungen,[4] ebenso wie 1877 Jacobus Henricus van ’t Hoff. Insbesondere nach den Veröffentlichungen von van ’t Hoff (aber auch von anderen wie August Friedrich Horstmann) hatten Guldberg und Waage den Eindruck, dass ihre Arbeit nicht genug bekannt sei.[5] Nachdem sie 1879 im Journal für Praktische Chemie eine ausführlichere Darlegung in deutscher Sprache veröffentlicht hatten, erkannte van ’t Hoff deren Priorität an.

Thermodynamische Aspekte

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Thermodynamische Definition der Gleichgewichtskonstante

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Im thermodynamischen Gleichgewicht ist die Änderung des (zur Beschreibung des Systems angebrachten) thermodynamischen Potentials null (vergleiche Reaktionsquotient). Die Gleichgewichtskonstante hängt dann lediglich von den gewählten (willkürlichen, aber festen) Referenzzuständen (o) der beteiligten Stoffe ab. Der Referenzzustand (o) kann entsprechend dem betrachteten Reaktionsszenario frei gewählt werden und ist nicht mit sogenannten Standardzuständen unter Standardbedingungen zu verwechseln.[6][7] Die Lage des Gleichgewichtes sowie der Wert der Gleichgewichtskonstante hängen dabei vom gewählten Referenzzustand ab.

Da thermodynamische Gleichgewichtszustände unabhängig vom Weg sind, auf dem diese erreicht werden, ist es für die thermodynamische Gültigkeit des Massenwirkungsgesetzes nicht erforderlich, die unabhängigen Zustandsvariablen des relevanten thermodynamischen Potentials während des gesamten Reaktionsverlaufes konstant zu halten.

In der Praxis sind vor allem zwei Szenarien von Bedeutung:

Reaktionen, die in Autoklaven durchgeführt werden, wie etwa Solvothermalsynthesen, finden bei konstantem Volumen und in der Regel bei konstanter Temperatur statt, wohingegen der Druck variabel ist. Wird eine Reaktion bei konstanter Temperatur, konstantem Volumen und variablem Druck durchgeführt, ist die freie Energie (Helmholtz-Potential) F das relevante thermodynamische Potential, da neben der sich im Verlauf der chemischen Reaktion verändernden stofflichen Zusammensetzung des reagierenden Systems Temperatur und Volumen die unabhängigen Zustandsvariablen der freien Energie sind. Das Massenwirkungsgesetz definiert dann die stoffliche Zusammensetzung des reagierenden Systems, für die die freie Energie minimal wird und die damit den thermodynamischen Gleichgewichtszustand darstellt. Für eine chemische Reaktion, die in einem durch ein konstantes Volumen und eine konstante Temperatur gekennzeichneten Referenzzustand (o) durchgeführt wird und deren   beteiligte Komponenten   in diesem Referenzzustand die molaren freien Bildungsenergien   besitzen, wird die molare freie Reaktionsenergie   gleich:

 

Die Gleichgewichtskonstante   ist dann unter Verwendung der absoluten Temperatur   wie folgt durch die molare freie Reaktionsenergie des Referenzzustandes   definiert:

 

Viele chemische Reaktionen werden in offenen Systemen durchgeführt, so dass Druckausgleich zwischen dem reagierenden System und der Umgebung erfolgen kann. Somit kann angenommen werden, dass die betrachtete Reaktion unter einem konstanten, dem Umgebungsdruck entsprechenden Druck durchgeführt wird, während das Volumen des reagierenden Systems variabel ist. Wird eine Reaktion bei konstantem Druck, konstanter Temperatur und variablem Volumen durchgeführt, ist die freie Enthalpie (Gibbs-Energie) das relevante thermodynamische Potential, da neben der sich im Verlauf der chemischen Reaktion verändernden stofflichen Zusammensetzung des reagierenden Systems Druck und Temperatur die unabhängigen Zustandsvariablen der freien Enthalpie sind. In diesem Fall definiert das Massenwirkungsgesetz die stoffliche Zusammensetzung des reagierenden Systems, für die die freie Enthalpie minimal wird und die damit den thermodynamischen Gleichgewichtszustand darstellt. Für eine chemische Reaktion, die in einem durch einen konstanten Druck und eine konstante Temperatur gekennzeichneten Referenzzustand (o) durchgeführt wird und deren   beteiligte Komponenten   in diesem Referenzzustand die molaren freien Bildungsenthalpien   besitzen, wird die molare freie Reaktionsenthalpie   gleich:

 

Die Gleichgewichtskonstante   ist dann wie folgt durch die molare freie Reaktionsenthalpie der Referenzzustände   definiert:

 

Wird ein chemisches Gleichgewicht durch die Änderung der Konzentration eines an der betrachteten Reaktion beteiligten Stoffes – und damit seiner Aktivität – gestört, müssen sich gemäß dem Prinzip vom kleinsten Zwang nach Henry Le Chatelier die Aktivitäten (und damit die Konzentrationen) der anderen an der Reaktion beteiligten Stoffe so ändern, dass das Massenwirkungsgesetz erfüllt bleibt. Die Gleichgewichtskonstante ist somit unabhängig von den Ausgangskonzentrationen der an der betrachteten Reaktion beteiligten Stoffe. Als thermodynamische Zustandsgröße hängt die Gleichgewichtskonstante nicht vom Reaktionsmechanismus oder von kinetischen Größen wie Geschwindigkeitskonstanten und Reaktionsgeschwindigkeiten ab.

Herleitung

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Profil der freien Enthalpie während einer Gleichgewichtsreaktion als Funktion des Umsatzes.

Im Folgenden[8] wird exemplarisch angenommen, dass die betrachtete Reaktion bei einem durch einen konstanten Druck sowie eine konstante Temperatur gekennzeichneten Referenzzustand ( ) durchgeführt wird, so dass die freie Enthalpie das relevante thermodynamische Potential ist. Sinngemäß lässt sich die unten skizzierte Herleitung auf jedes andere thermodynamische Potential anwenden.

  sei der Beitrag eines Stoffes   zur extensiven freien Gesamtenthalpie   des betrachteten Systems. Sofern Druck, Temperatur und die Stoffmengen   aller weiteren anwesenden Stoffe   konstant gehalten werden, ist das chemische Potential   des Stoffes   gleich der Änderung   pro Änderung   der Stoffmenge   des Stoffes  :

 

Die Menge der Formelumsätze einer chemischen Reaktion in Mol ist durch die Umsatzvariable   gegeben, dem Quotienten aus   und der stöchiometrischen Zahl   des Stoffes  :

 

Ersetzt man im Ausdruck für das chemische Potential   durch   und löst nach   auf, erhält man:

 

Enthält ein Reaktionsgemisch insgesamt   verschiedene Stoffe, gilt für die Änderung   der freien Gesamtenthalpie   des reagierenden Systems:

 

Dividieren durch   ergibt:

 

Unter den gegebenen Reaktionsbedingungen für   ist   die Änderung der freien Systementhalpie   pro Reaktionsumsatz.

Das chemische Potential   eines Stoffes   in einer Reaktionsmischung kann bezogen auf das chemische Potential   des reinen Stoffes   für den Referenzzustand ( ) (siehe Mischphase#Referenzzustände in der Mischphasenthermodynamik) ausgedrückt werden, der für das betrachtete Reaktionsszenario maßgeblich ist:[9][10]

 

Hierbei ist   die relative chemische Aktivität mit der Gaskonstante   und der absoluten Temperatur  .

Die Kombination mit obigem Ausdruck für  ergibt:

 

Die Summe   ist gleich der molaren freien Reaktionsenthalpie   für den Referenzzustand. Man erhält:

 

Während   konstant ist, solange Druck und Temperatur nicht verändert werden, hängt die Summe   von den jeweils aktuellen relativen Aktivitäten   ab. Durch Anwendung der einschlägigen Logarithmusregel lässt sich die Summe   in den Logarithmus des Produkts   umwandeln, welches als Reaktionsquotient   bezeichnet wird:

 

Somit ergibt sich:

 

Solange im Verlauf der betrachteten Reaktion die transienten relativen Aktivitäten der Edukte größer als die relativen Gleichgewichtsaktivitäten der Edukte sind, ist   kleiner als die Gleichgewichtskonstante  , und es gilt:

 

Folglich nimmt   mit Fortlaufen der Reaktion ab:

 

Im chemischen Gleichgewicht nimmt die freie Gesamtenthalpie   des reagierenden Systems den kleinstmöglichen erreichbaren Wert an. Im chemischen Gleichgewicht weist die Funktion   somit ein Minimum auf. Der partielle Differentialquotient   muss demnach im chemischen Gleichgewicht gleich null sein:

 

Der Reaktionsquotient   ist im chemischen Gleichgewicht allein durch die freie Reaktionsenthalpie im Referenzzustand   gegeben und entspricht damit der Gleichgewichtskonstanten  :

 

Dieser Ausdruck stellt den Zusammenhang zwischen der molaren freien Reaktionsenthalpie   und der stofflichen Zusammensetzung des Reaktionsgemisches im chemischen Gleichgewicht dar. Auflösen nach   ergibt entsprechend:

 

Da   von   abhängt, hängt auch der Zahlenwert der Gleichgewichtskonstante vom jeweils angewendeten Referenzzustand ( ) ab.

Druck- und Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante

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Da sich das Massenwirkungsgesetz auf ein unter den jeweiligen Reaktionsbedingungen anzuwendendes thermodynamisches Potential bezieht, ist die Gleichgewichtskonstante abhängig von den Zustandsgrößen, die die unabhängigen Zustandsvariablen des betreffenden thermodynamischen Potentials darstellen. Ist das relevante thermodynamische Potential die freie Enthalpie, ändert sich der Wert der Gleichgewichtskonstante, wenn die betrachtete Reaktion bei unverändertem Druck und einer veränderten konstanten Temperatur durchgeführt wird. Die Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante bei konstantem Druck lässt sich durch die van-’t-Hoff-Gleichung beschreiben beziehungsweise durch van-'t-Hoffsche Reaktionsisobaren darstellen. Ebenso ändert sich der Wert der Gleichgewichtskonstanten, wenn die betrachtete Reaktion bei unveränderter Temperatur und verändertem konstanten Druck durchgeführt wird. Zur Beschreibung der Druckabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante   bei konstanter Temperatur in kondensierten Phasen wird das molare Reaktionsvolumen   herangezogen:[11][12]

 

Die Druckabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante ist bei Reaktionen, die in kondensierten Phasen stattfinden, jedoch typischerweise sehr schwach und wird häufig vernachlässigt.[13] Ist das relevante thermodynamische Potential die freie Energie, wird die Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstante bei konstantem Volumen durch die van-’t-Hoff’sche Reaktionsisochore beschrieben.[14]

Reversible Reaktionen

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Profil der freien Enthalpie entlang der Reaktionstrajektorie einer Elementarreaktion. Um von den Ausgangsstoffen (Edukte) zum Übergangszustand (ÜZ) zu kommen, muss die freie Aktivierungsenergie der Hinreaktion   aufgebracht werden. Durchläuft die Rückreaktion denselben Übergangszustand wie die Hinreaktion, ist die freie Aktivierungsenthalpie der Rückreaktion   gleich   (freie Reaktionsenthalpie).

Gemäß der Theorie des Übergangszustandes müssen im Verlauf elementarer Reaktionsereignisse Ausgangsstoffe und Produkte trennende Potentialbarrieren überwunden werden, die sich auf der makroskopischen Ebene am zweckmäßigsten durch das jeweils anzuwendende thermodynamische Potential beschreiben lassen. Reversible Reaktionen zeichnen sich dadurch aus, dass neben Hinreaktionen, die zur Bildung der Reaktionsprodukte aus den Ausgangsstoffen führen, auch Rückreaktionen, die zur Bildung der Ausgangsstoffe aus den Reaktionsprodukten führen, in nennenswertem Umfang stattfinden. Werden beispielsweise Druck und Temperatur konstant gehalten, repräsentiert die molare freie Aktivierungsenthalpie   die Höhe der bei der Hinreaktion für die Umwandlung der Ausgangsstoffe in die Produkte zu überwindenden Potentialbarriere (bezogen auf den Referenzzustand). Entsprechend repräsentiert die molare freie Aktivierungsenthalpie   die Höhe der bei der Rückreaktion für die Umwandlung der Produkte in die Ausgangsstoffe zu überwindenden Potentialbarriere. Im Gleichgewicht laufen Hin- und Rückreaktion entlang derselben Reaktionstrajektorie in entgegengesetzter Richtung ab. Es gilt mit   als molarer freier Reaktionsenthalpie der Hinreaktion für   (siehe Kinetik (Chemie), Abschnitt Freie Aktivierungsenthalpien und thermodynamisches Gleichgewicht):

 

Die Kinetik einer betrachteten Reaktion wird durch ein Geschwindigkeitsgesetz beschrieben, in das das thermodynamische Aktivierungspotential mittels einer Geschwindigkeitskonststante eingeht. Die Geschwindigkeitskonstante der Hinreaktion  , die die Kinetik der Umwandlung der Ausgangsstoffe in die Produkte repräsentiert, hängt von   wie folgt ab (siehe Abschnitt "Thermodynamische Formulierung" im Artikel "Theorie des Übergangszustandes"):

 

Entsprechend gilt für die Geschwindigkeitskonstante  , die die Kinetik der Umwandlung der Produkte die Ausgangsstoffe durch die Rückreaktion repräsentiert:

 

Durch Anwendung des Ausdrucks   lässt sich   als Funktion von   und   darstellen:

 

Für den Quotienten aus   und   folgt:

 

Das Verhältnis   ist somit gleich der Gleichgewichtskonstante   und wird durch die Referenz freie Reaktionsenthalpie   vorgegeben. Der Zusammenhang zwischen der Gleichgewichtskonstante und den Geschwindigkeitskonstanten der Hin- und Rückreaktion ist thermodynamisch begründet und gilt unabhängig von der Art und Weise, in der die die Reaktionskinetik beschreibenden Geschwindigkeitsgesetze formuliert werden.

Entsprechen für eine reversible Reaktion

 

lassen sich mit   sowie   als Reaktionsgeschwindigkeiten der Hin- und Rückreaktion folgende Geschwindigkeitsgesetze formulieren (siehe auch Ratengleichung):[15]

 
 

Teilt man den Ausdruck für   durch den Ausdruck für  , erhält man:

 

Mit   sowie   erhält man:

 

Daraus folgt, dass im chemischen Gleichgewicht die Geschwindigkeit der Hinreaktion   gleich der Geschwindigkeit der Rückreaktion   sein muss:

 

Aufstellung des Massenwirkungsgesetzes mit Stoffmengenkonzentrationen

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Die relativen Aktivitäten   sind relativ zum Referenzzustand (mit Referenzkonzentration  ), wobei der Aktivitätskoeffizient   für wechselwirkende Systeme ungleich eins ist. Durch Einsetzen der relativen Aktivitäten erhält man

 

Unter Vernachlässigung der Teilchenwechselwirkungen – d. h. durch Fordern, dass die Aktivitätskoeffizienten   – erhält man

 

was für verdünnte Lösungen häufig eine gute Näherung ist. Teilweise werden die Referenzkonzentrationen zusätzlich in die Definition einer neuen Gleichgewichtskonstante einbezogen:

 

Statt thermodynamisch korrekt mit den Aktivitäten der an der betrachteten Reaktion beteiligten Stoffe kann somit das Massenwirkungsgesetz für Reaktionen in verdünnter Lösung häufig näherungsweise unter Verwendung der Stoffmengenkonzentrationen der beteiligten Stoffe aufgestellt werden. Bei stärker konzentrierten Lösungen können jedoch die Werte der Aktivitätskoeffizienten stark von 1 abweichen, so dass diese Näherung mit Vorsicht zu gebrauchen ist. Die mit Stoffmengenkonzentrationen berechneten Gleichgewichtskonstanten werden zur Unterscheidung von mit Aktivitäten berechneten Gleichgewichtskonstanten mit Kc bezeichnet, wobei der tiefgestellte Index c für Stoffmengenkonzentration steht. Das Massenwirkungsgesetz wird zum Beispiel für die Reaktion

 

unter Verwendung der Stoffmengenkonzentrationen c(A), c(B), c(C) und c(D) der Ausgangsstoffe A und B sowie der Produkte C und D wie folgt formuliert:

 

Da die stöchiometrischen Zahlen   und   der Ausgangsstoffe A und B als Exponenten von deren Stoffmengenkonzentrationen c(A) und c(B) definitionsgemäß ein negatives Vorzeichen besitzen, stehen die Produktterme   und  im Nenner des Ausdrucks für  .

Eine mittels der Stoffmengenkonzentrationen erhaltene Gleichgewichtskonstante   hat in der Regel einen anderen Zahlenwert als die entsprechende mittels der Aktivitäten erhaltene Gleichgewichtskonstante. Weiterhin kann   eine Dimension und damit auch eine Einheit besitzen.   sei die Summe aller stöchiometrischer Zahlen   der beteiligten Stoffe   einer Reaktion mit   beteiligten Stoffen:

 

  ist das Dimensionssymbol für Länge,   das Dimensionssymbol für die Stoffmenge. Die Dimension der Stoffmengenkonzentration ist   und die Dimension von   demzufolge  . Lediglich wenn   ist, ist   dimensionslos. Betrachtet man beispielsweise die Synthese von Kaliumhexacyanidoferrat(II) gemäß

 ,

ergibt sich für  :

 

In diesem Beispiel ist   und die Dimension von   gleich  . Die Einheit von   ist demnach  .

Um eine dimensionslose Form der stoffmengenkonzentrationsbasierten Gleichgewichtskonstante   zu erhalten, kann   durch die Einheitskonzentration   potenziert mit   dividiert werden.

Aufstellung des Massenwirkungsgesetzes für homogene Gasgleichgewichte

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Für Gasphasenreaktionen wird das Massenwirkungsgesetz häufig mit den Partialdrücken   der beteiligten Stoffe   aufgestellt. Als Symbol für mit Partialdrücken erhaltene Gleichgewichtskonstanten wird   verwendet. Bei homogenen Gasgleichgewichten mit   beteiligten Komponenten nimmt das Massenwirkungsgesetz entsprechend folgende Form an:

 

Bei der Bildung von Iodwasserstoff aus elementarem Wasserstoff und Iod

 

stellt sich das Gleichgewicht

 

ein.   und   beziehungsweise die Partialdrücke   und die Stoffmengenkonzentrationen   lassen sich über die Zustandsgleichung für ideale Gase miteinander verknüpfen:

   

Für die Gleichgewichtskonstante   bei der Bildung von Iodwasserstoff ergibt sich:

 

Ist in einem Gasphasengleichgewicht die Teilchenanzahl der Produkte gleich der Teilchenanzahl der Edukte, so kürzt sich   im mit Stoffmengenkonzentrationen formulierten Massenwirkungsgesetz heraus. Betrachtet man jedoch die Reaktion von Schwefeldioxid und Sauerstoff zu Schwefeltrioxid

  mit  

und ersetzt die Drücke durch Stoffmengenkonzentrationen, ergibt sich:

 

Die Teilchenzahl vermindert sich bei der Reaktion und ein Faktor   verbleibt im mit Stoffmengenkonzentrationen formulierten Massenwirkungsgesetz.

Betrachtet man die Bildung von Ammoniak im Haber-Bosch-Verfahren gemäß

 ,

ergibt sich:

 

Die Umrechnung von   in   erfolgt gemäß:

 

Allgemein lässt sich also das Massenwirkungsgesetz eines Gasphasengleichgewichts ausdrücken als:[16][17]

 

Dabei ist   die Summe der stöchiometrische Zahlen der betrachteten Reaktion. Im Fall der Bildung von HI aus den Elementen ist  . Beim Haber-Bosch-Verfahren ist  .

Alternativ ist es oft zweckmäßig, die Zusammensetzung der Gasphase über Molenbrüche (Stoffmengenanteile)   anzugeben. In diesem Fall wird eine auf die Stoffmengenanteile bezogene Gleichgewichtskonstante   erhalten:

  mit  

Allgemein gilt hier:[17]

 

Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes

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Für eine Vielzahl von Spezialfällen definiert das Massenwirkungsgesetzes – teilweise in vereinfachter Form – Gleichgewichtskonstanten für spezifische Reaktionsszenarien. So beschreiben Assoziations- und Dissoziationskonstanten das Gleichgewicht für Assoziations- und Dissoziationsprozesse. Das Löslichkeitsprodukt definiert die Gleichgewichtslöslichkeit von Salzen in Wasser. Komplexbildungskonstanten quantifizieren die Stabilität von Komplexverbindungen. Ionenprodukte werden durch Vereinfachung des Massenwirkungsgesetzes für elektrolytische Dissoziationsprozesse erhalten. Die quantitative thermodynamische Beschreibung der Säure-Base-Chemie durch Säurekonstanten und Basenkonstanten basiert auf dem Massenwirkungsgesetz. Die Protolyse von Essigsäure in wässeriger Lösung wird beispielsweise durch folgende stöchiometrische Reaktionsgleichung beschrieben:

 

Die Säurekonstante   von Essigsäure ergibt sich gemäß:

 

Literatur

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Wiktionary: Massenwirkungsgesetz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Karl-Heinz Lautenschläger, Werner Schröter, Joachim Teschner, Hildegard Bibrack, Taschenbuch der Chemie, 18. Auflage, Harri Deutsch, Frankfurt (Main), 2001, S. 257.
  2. equilibrium constant. IUPAC, 7. Oktober 2008, abgerufen am 29. September 2018 (englisch).
  3. A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 102. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1, S. 194.
  4. Seine Arbeiten wurden von Walther Nernst bei Ostwalds Klassikern 1908 in deutscher Übersetzung veröffentlicht.
  5. E. W. Lund, Guldberg and Waage and the law of mass action, Journal of Chemical Education, Band 42, 1965, S. 548
  6. Gerd Wedler, Hans-Joachim Freund: Lehr- und Arbeitsbuch Physikalische Chemie. 7. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2018, ISBN 978-3-527-34611-0, 2.6.2 Standardreaktion, Restreaktion und Gleichgewichtskonstante, S. 225.
  7. Georg Job, Regina Rüffler: Physikalische Chemie: Eine Einführung nach neuem Konzept mit zahlreichen Experimenten (= Studienbücher Chemie). 2. Auflage. Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2021, ISBN 978-3-658-32935-8, 5.2 Temperaturabhängigkeit von chemischem Potenzial und Antrieb, S. 120, doi:10.1007/978-3-658-32936-5.
  8. The Thermodynamic Equilibrium Constant. https://chem.libretexts.org/@go/page/23754
  9. K. G. Denbigh: The Principles of Chemical Equilibrium: With Applications in Chemistry and Chemical Engineering. 4. Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 1981, ISBN 978-0-521-23682-9, 9.1. Conventions for the activity coefficient on the mole fraction scale, S. 270 f., doi:10.1017/cbo9781139167604.
  10. Gerd Wedler, Hans-Joachim Freund: Lehr- und Arbeitsbuch Physikalische Chemie. 7. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2018, ISBN 978-3-527-34611-0, 2.5.5 Aktivität und Aktivitätskoeffizient, S. 198 ff.
  11. R. Van Eldik, T. Asano, W. J. Le Noble: Activation and reaction volumes in solution. 2. In: Chem. Rev. Band 89, Nr. 3, 1989, S. 549–688, doi:10.1021/cr00093a005.
  12. Andreas Heintz: Thermodynamik der Mischungen – Mischphasen, Grenzflächen, Reaktionen, Elektrochemie, äußere Kraftfelder. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2017, ISBN 978-3-662-49923-8, Kapitel „2.5 Temperatur- und Druckabhängigkeit chemischer Gleichgewichtskonstanten in kondensierten Phasen“, S. 215, doi:10.1007/978-3-662-49924-5.
  13. Kenneth Denbigh: Principles of Chemical Equilibrium. 1. Auflage. Cambridge University Press, 1955.
  14. Guenter Gauglitz, Manuela Reichert: Chemisches Gleichgewicht. Abgerufen am 11. September 2018.
  15. Pergamon Materials Series. In: CALPHAD: Calculation of Phase Diagrams - A Comprehensive Guide. Elsevier, 1998, ISBN 978-0-08-042129-2, doi:10.1016/s1470-1804(13)60012-7., Kapitel 3.5.1, online: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1470180498800230
  16. Charles E. Mortimer, Ulrich Müller, Johannes Beck: Chemie: Das Basiswissen der Chemie, Thieme, Stuttgart, 2014, S. 273. Eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  17. a b Gerd Wedler: Lehrbuch der Physikalischen Chemie, VCH, Weinheim, 3. Auflage, 1987, S. 346f.