Berliner Kreis in der Union
Der Berliner Kreis in der Union e. V. ist ein eingetragener Verein, in dem sich Bundes- und Landespolitiker innerhalb der CDU und CSU zusammengeschlossen haben. Die darin engagierten Politiker möchten, dass „die wertkonservativen und marktliberalen Wurzeln der Unionsparteien im politischen Alltag erkennbar sind und in konkrete Politik umgesetzt werden“.[1] Sprecherin ist Sylvia Pantel.[2]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Errichtung des Berliner Kreises wurde seit etwa 2007 vorbereitet. Christean Wagner (damaliger Fraktionsvorsitzender der CDU Hessen) war daran maßgeblich beteiligt.[3]
Im Jahr 2012 trat er erstmals an die Öffentlichkeit.[4] Im November 2012 stellten Wolfgang Bosbach (Innenausschussvorsitzender im Bundestag), Thomas Bareiß (energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag), Christean Wagner, Thomas Dörflinger (1998–2017 Mitglied des Bundestages) und Steffen Flath (seit 1994 Mitglied des Sächsischen Landtags und seit 2008 Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion) den Berliner Kreis offiziell der Öffentlichkeit vor. Zu diesem Zeitpunkt umfasste das konservative Netzwerk 35 bis 40 Mitglieder der Union, unter ihnen Ute Granold und bis zu ihrem Austritt aus der CDU Anfang 2017 Erika Steinbach[5] (Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen).[6][7] Die politische Führung der Union sprach sich wiederholt explizit gegen eine formelle Struktur der Gruppe aus. Die Gruppe folgt dieser Vorgabe und verzichtet auf eine formelle Struktur. Nach eigenen Aussagen versammelt Bareiß in Sitzungswochen jeden Dienstag konservative Bundestagsabgeordnete; drei- bis viermal im Jahr trifft sich die Gruppe in größerer Runde.[7]
Ende 2011 erklärte der damalige Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, in diesem Zusammenhang: „Es geht nicht, dass so etwas institutionalisiert wird.“[4] Kauder äußerte im gleichen Zusammenhang, weltanschauliche Grüppchen gehörten nicht zur Tradition der Union, so etwas habe es stets nur bei der SPD gegeben. Hinter den Kulissen wurde auch angedeutet, wer ein führendes Amt behalten wolle oder in der Zukunft anstrebe, könne nicht beim Berliner Kreis mitmachen.[3] Nach den Erklärungen Kauders sagten sich mehrere junge Unionspolitiker los, unter ihnen Mike Mohring (* 1971) und Philipp Mißfelder (1979–2015).
Positionierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Berliner Manifest
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahr 2012 verfasste Dörflinger den Entwurf zu einem „Berliner Manifest“ des Berliner Kreises. Aus diesem ging hervor, der Berliner Kreis wolle neben konservativen auch christliche und marktliberale Ansätze innerhalb der CDU stärken.[8] Die Auffassungen über den zehnseitigen Entwurf reichten von „inhaltlich gehaltvoll“ bis „Das Ding ist so schlecht, da gibt es nichts zu veröffentlichen“. Die angekündigte öffentliche Vorstellung des Papiers wurde im August 2012 abgesagt, da die Beteiligten sich intern nicht einigen konnten, wofür genau sie eintreten.[9][8]
Im November 2012 stellte der Kreis der Presse ein acht Seiten langes Manifest unter dem Titel „Standortbestimmung“ vor. Befragt nach den Zielen der Gruppe erklärte Wolfgang Bosbach, die Partei dürfe ihr konservatives Element nicht mehr negieren, sondern müsse sich vermehrt auf ihre Wurzeln besinnen: die herausgehobene Stellung von Ehe und Familie, das dreigliedrige Schulsystem, innere Sicherheit. Die Union müsse sich deutlich für quotenfreie Aufsichtsräte, gegen den Mindestlohn und für mehr Marktwirtschaft in der Energiepolitik aussprechen. Die deutsche Sprache gehöre endlich im Grundgesetz verankert, bei der Verfolgung von Straftaten dürfe es keinen „Migrationsbonus“ geben. Außerdem wehre man sich entschieden gegen einen europäischen Bundesstaat. Bosbach betonte weiterhin, Atomausstieg und die Bundeswehrreform seien von oben herab verordnet worden.[6] Eine starre Frauenquote wurde durch den Kreis ebenfalls abgelehnt.[7]
Thomas Bareiß erklärte im Rahmen des Pressegesprächs, die CDU dürfe nicht nur für Angela Merkel stehen, nicht nur ein „Kanzlerwahlverein“ sein.[6] Medienberichten zufolge gingen die Wortmeldungen an Schärfe deutlich über die als Text verteilten Thesen hinaus.[3]
Erklärung zur Klimapolitik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 3. Juni 2017, zwei Tage nachdem US-Präsident Donald Trump den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutzvertrag angekündigt hatte, positionierte sich der Berliner Kreis in einer Erklärung klimaskeptisch[10] und forderte eine Kehrtwende bei der deutschen Klimapolitik. In einem Papier, das u. a. von Philipp Lengsfeld und Sylvia Pantel verfasst wurde, bestritt der Kreis eine „solitäre Rolle des Treibhauseffektes“, kritisierte den IPCC als „Weltrettungszirkus“ und forderte die Aufgabe des Zwei-Grad-Ziels, das auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 international vereinbart wurde. In der Erklärung wird kritisiert, dass die Folgen der globalen Erwärmung negativ dargestellt werden, hingegen sei „die mit dem Schmelzen des polaren Meereises verbundenen Chancen (eisfreie Nordpassage, neue Fischfangmöglichkeiten, Rohstoffabbau) vermutlich sogar größer als mögliche negative ökologische Effekte“. Es sei falsch, „aggressive politische Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgase“ umzusetzen. Die Klimaforschung würde die Politik moralisch erpressen; dies müsse ein Ende haben. Beanstandet wird insbesondere die Förderung von Windenergie und Solarenergie. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei nicht zu reformieren und solle abgeschafft werden. Auch die Förderung von Elektromobilität und Energetischer Sanierung werden in Frage gestellt, diese müssten überprüft werden. Anstelle von vorbeugendem Klimaschutz soll die Anpassung an die globale Erwärmung treten. Die Erklärung wurde als Kampfansage an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewertet. Diese hatte tags zuvor den Pariser Klimaschutzvertrag als „unumkehrbar“ bezeichnet und betont, es sei ein „lebenswichtiges Instrument für unseren Planeten, unsere Gesellschaften und unsere Volkswirtschaften“.[11][12][13]
Mitglieder
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Der Berliner Kreis ist ein Netzwerk von konservativen Abgeordneten und Mandatsträgern in der Union.“ Mitglieder sind ehemalige und aktive Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:[14][15] Viele Mitglieder verloren bei der Bundestagswahl 2021 ihr Direktmandat und schieden dadurch aus dem Parlament aus.[16]
- Thomas Bareiß, (CDU), von 2018 bis 2021 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie und Tourismusbeauftragter im BMWI
- Veronika Bellmann (CDU), Bundestagsabgeordnete von 2002 bis 2021, Mittelsachsen (Wahlkreis 161), Sachsen
- Wolfgang Bosbach (CDU), Bundestagsabgeordneter von 1994 bis 2017, Rheinisch-Bergischer Kreis (Wahlkreis 100), Nordrhein-Westfalen
- Thomas Dörflinger, (CDU), Bundestagsabgeordneter von 1998 bis 2017, Waldshut (Wahlkreis 298), Baden-Württemberg
- Axel E. Fischer (CDU), Bundestagsabgeordneter seit 1998, Karlsruhe-Land (Wahlkreis 272), Baden-Württemberg
- Steffen Flath, (CDU), von 1994 bis 2014 Mitglied des Sächsischen Landtags, von 2008 an Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, von 1999 bis 2008 in verschiedenen Funktionen Mitglied der Sächsischen Landesregierung
- Hans-Jürgen Irmer (CDU), Bundestagsabgeordneter von 2017 bis 2021, Lahn-Dill (Wahlkreis 172), Hessen
- Alexander Krauß (CDU), Bundestagsabgeordneter von 2017 bis 2021, Erzgebirgskreis I (Wahlkreis 164), Sachsen
- Philipp Lengsfeld (CDU bis 2023), Bundestagsabgeordneter von 2013 bis 2017, Berlin-Mitte (Wahlkreis 75), Berlin
- Saskia Ludwig (CDU), Landtagsabgeordnete seit 2004, Potsdam-Mittelmark III/Potsdam III (Wahlkreis 19), Brandenburg
- Andreas Mattfeldt (CDU), Bundestagsabgeordneter seit 2009, Osterholz-Verden (Wahlkreis 34), Niedersachsen
- Volker Mosblech (CDU), Bundestagsabgeordneter von 2015 bis 2017, Duisburg, Nordrhein-Westfalen
- Sylvia Pantel (CDU), Bundestagsabgeordnete von 2013 bis 2021, Düsseldorf-Süd (Wahlkreis 107), Nordrhein-Westfalen
- Johannes Selle (CDU), Bundestagsabgeordneter von 2009 bis 2021, Jena, Sömmerda, Weimarer Land I (Wahlkreis 191), Thüringen
- Patrick Sensburg (CDU), Bundestagsabgeordneter von 2009 bis 2021, Hochsauerlandkreis (Wahlkreis 147)
- Dietlind Tiemann (CDU), Bundestagsabgeordnete von 2017 bis 2021, Havel, Potsdam-Mittelmark I, Havelland III, Teltow-Fläming I (Wahlkreis 60), Brandenburg
- Hans-Peter Uhl (CSU), Bundestagsabgeordneter von 1998 bis 2017, München-West/Mitte (Wahlkreis 221), Bayern
- Arnold Vaatz (CDU), Staatsminister a. D., Bundestagsabgeordneter von 1998 bis 2021, Dresden II, Bautzen II (Wahlkreis 160), Sachsen
- Christean Wagner (CDU), Staatsminister a. D., Landtagsabgeordneter von 1991 bis 2013, Marburg, Biedenkopf I (Wahlkreis 12), Hessen
- Marian Wendt (CDU), Bundestagsabgeordneter von 2013 bis 2021, Nordsachsen (Wahlkreis 151), Sachsen
- Klaus-Peter Willsch (CDU), Bundestagsabgeordneter seit 1998, Rheingau-Taunus, Limburg (Wahlkreis 178), Hessen
Ehemalige Mitglieder
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Alexander Gauland (seit 2013 AfD, davor CDU)[17][18]
Förderverein
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der „Verein zur Förderung der Arbeit des Berliner Kreises“ (Marburg, VR 5040) wird von Alexander Mitsch geleitet.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Berliner Kreis in der Union
- Konservative in der Union. Fünf, die sich im Kreis drehen, Süddeutsche Zeitung, 2. November 2012
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Zitat von der Homepage des Kreises (www.berlinerkreisinderunion.de), aufgerufen am 3. Juni 2017.
- ↑ Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche Paragraf 219a spaltet die Große Koalition Deutschlandfunk 13. März 2018
- ↑ a b c Die Quadratur des Berliner Kreises, Die Welt, 3. November 2012, abgerufen am 15. Dezember 2012
- ↑ a b zeit.de, 7. Februar 2012: Konspirative Konservative verunsichern die CDU, abgerufen am 15. Dezember 2012
- ↑ Erika Steinbach verlässt die CDU und wirft Merkel Rechtsbruch vor. In: Die Welt, 14. Januar 2017. Abgerufen am 3. Juni 2017.
- ↑ a b c Ein konservatives Rebelliönchen zeit.de, 2. November 2012, abgerufen am 15. Dezember 2012
- ↑ a b c Konservativer „Berliner Kreis“ will andere CDU: „Wir wollen nicht auf die Kanzlerin schießen“, Rheinische Post, 2. November 2012, abgerufen am 15. Dezember 2012
- ↑ a b Parteiprofil – Die konservativen Rebellen der CDU zaudern zeit.de, 20. August 2012, abgerufen am 15. Dezember 2012
- ↑ „Berliner Kreis“ - CDU-Konservative sagen Manifest ab handelsblatt.com, 16. August 2011 ( des vom 20. August 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 8. Dezember 2012
- ↑ Braun-grüner Wählerfang der AfD. In: Süddeutsche Zeitung, 11. September 2017. Abgerufen am 11. September 2017.
- ↑ CDU-Rechte attackieren Merkels Klimakurs. In: Tagesschau.de, 3. Juni 2017. Abgerufen am 3. Juni 2017.
- ↑ Rechter CDU-Flügel greift Merkels Klimapolitik an. In: Der Tagesspiegel, 3. Juni 2017. Abgerufen am 3. Juni 2017.
- ↑ Webseite des Berliner Kreises zur Klima- und Energiepolitik Abgerufen am 23. August 2017
- ↑ Berliner Kreis in der Union: Über uns. Abgerufen am 27. April 2019
- ↑ Das ist der „Berliner Kreis“ der CDU
- ↑ Aufstellung des Berliner Kreises in der kommenden Legislaturperiode – Berliner Kreis. Abgerufen am 29. November 2021 (deutsch).
- ↑ Die Welt, Ja, es gibt noch Konservative in der CDU!, 8. Februar 2012
- ↑ Die Zeit, Verbannt aus dem Salon, 20. November 2014