Farallon-Platte
Die Farallon-Platte ist eine ehemalige ozeanische Großplatte im Ostpazifik. Sie existierte bereits im älteren Mesozoikum und bildete von der Kreide bis zum Eozän das östliche Gegenstück zur westlich des Ostpazifischen Rückens liegenden Pazifischen Platte. Infolge fortschreitender Subduktion der Farallon-Platte unter die Nordamerikanische und Südamerikanische Platte zerbrach sie im weiteren Verlauf des Tertiärs in mehrere kleinere Platten, von denen die Cocosplatte und die Nazcaplatte heute die größten verbliebenen sind.
Etymologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Name farallon plate wurde 1969 von den US-amerikanischen Geophysikern Dan McKenzie und Jason Morgan in einer Arbeit über die Entstehung und Entwicklung tektonischer Tripelpunkte geprägt.[1] Er bezieht sich auf die Farallon-Inseln vor der Küste des US-Bundesstaates Kalifornien.
Erdgeschichtliche Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Geschichte der Farallon-Platte lässt sich zu einem gewissen Grade direkt anhand ihrer heute noch an der Oberfläche des Erdkörpers vorhandenen Reste, größtenteils jedoch nur noch anhand indirekter Belege rekonstruieren. Zu den Letztgenannten gehört vor allem das Muster der magnetischen Anomalien in der Kruste der Pazifischen Platte („Meeresboden-Isochronen“, siehe → Paläomagnetismus), an dem die Vorgänge am mittlerweile weitgehend subduzierten nördlichen Ostpazifischen Rücken abgelesen werden können. Daneben dokumentieren Alter, Chemismus, Position und Geometrie magmatischer Provinzen im Westen der Nordamerikanischen Platte sowohl die „normale“ Subduktion ozeanischer Lithosphäre als auch die Subduktion von Spreizungszonen („slab windows“), und damit von Plattengrenzen.
Die Geschichte der Farallon-Platte kann weit ins Mesozoikum zurückverfolgt werden. An der Wende von der Trias zum Jura, vor ca. 200 Millionen Jahren, bildete sie wahrscheinlich einen großen Teil des Ozeanbodens der östlichen Panthalassa, des Vorläuferozeans des Pazifiks, und erstreckte sich von hohen nördlichen bis in hohe südliche Breiten.[2] Begrenzt wurde sie seinerzeit von der Izanagi-Platte im Westen, von der Phoenix-Platte[A 1] im Süden und von der westlichen Pangaea bzw. ihr vorgelagerten Inselbögen im Osten. Möglicherweise subduzierten bereits zu dieser Zeit zumindest Teile der Farallon-Platte nach Osten unter die Pangaea.[2][3] Die Pazifische Platte entstand erst im Verlauf des frühen Jura aus dem Izanagi-Phoenix-Farallon-Tripelpunkt.[2]
In der späten Kreide, vor ca. 80 Millionen Jahren, grenzte die nunmehr in Gänze nach Osten subduzierende Farallon-Platte westlich an die rapide angewachsene Pazifische Platte.[2] Der entsprechende Spreizungsrücken stellt somit einen Vorläufer des heutigen Ostpazifischen Rückens dar. Nördlich war die Farallon-Platte zu dieser Zeit durch einen Spreizungsrücken gegen die sogenannte Kula-Platte begrenzt. Diese war wahrscheinlich aus dem nördlichsten Teil der Farallon-Platte hervorgegangen und repräsentierte somit den ersten Schritt ihres Zerfalls.[2][3] Über den Werdegang der Kula-Platte ist wenig bekannt bzw. ist er Gegenstand zahlreicher Spekulationen.[3] So wird vermutet, dass sie im Eozän durch einen Stopp der Ozeanbodenspreizung (engl. „ridge death“) am Pazifik-Kula-Rücken infolge der Umwandlung der Kula-Nordamerika-Subduktionszone in die noch heute existierende Queen-Charlotte-Verwerfung (benannt nach den Queen-Charlotte-Inseln) mit der Pazifischen Platte verschmolz.[4] Südlich grenzte die Farallon-Platte in der Oberkreide, nach Verschmelzung der Reste der Phoenix-Platte mit den umliegenden Platten, an die Antarktische Platte.[2]
Bei der känozoischen Fragmentierung der Farallon-Platte können grob drei Ereignisse unterschieden werden. Sie begann im frühen Eozän vor ungefähr 55 Millionen Jahren mit der Entkoppelung ihres nördlichsten Teils, der Juan-de-Fuca-Platte (Vancouver-Platte), der kinematisch zunächst noch relativ eng mit dem Rest der Farallon-Platte assoziiert blieb.[3][5] Das zweite bedeutende Ereignis fand vor 30 Millionen Jahren im Oligozän statt. Ein vorspringendes Segment des Ostpazifischen Rückens erreichte auf Höhe des heutigen Südens des US-Bundesstaates Kalifornien den Westrand Nordamerikas. Anstatt dass nunmehr Lithosphäre der Pazifischen Platte subduzierte, wandelte sich die Subduktionszone dort in eine Transformstörung um, den Vorläufer der San-Andreas-Verwerfung.[6][7] Damit war die Juan-de-Fuca-Platte vom Rest der Farallon-Platte isoliert und begann ein kinematisches Eigenleben. Die heutige Plattenkonfiguration bildete sich schließlich zu Beginn des Miozäns vor etwa 23 Millionen Jahren[8] heraus, als die „Süd-Farallon-Platte“ durch Entstehung einer Spreizungszone in den Vorläufer der Cocosplatte (Guadalupe-Platte[3]) und die Nazcaplatte geteilt wurde. Als ursächlich hierfür gilt der unterschiedlich gerichtete „Plattenzug“ (slab pull) aufgrund der unterschiedlichen Orientierung der Subduktionszonen am Kontinentalrand Mittel- bzw. Südamerikas sowie die Schwächung der Platte durch den Galapagos-Hotspot.[8]
Geologische Bedeutung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Subduktion der Farallon-Platte und der aus ihr hervorgegangenen Platten hatte maßgeblichen Einfluss auf die geologische Entwicklung der westlichen Ränder der beiden amerikanischen Großplatten, teilweise bis weit ins Innere der Kontinente hinein. So gehen unter anderem die Anden und die zentralamerikanische Kordillere auf sie zurück. Für Nordamerika wird angenommen, dass dort in der späten Kreide die Subduktion in einem sehr flachen Winkel erfolgte und sich der subduzierte Teil der Platte (engl. „slab“) nahezu horizontal liegend weit unter den Kontinent erstreckte. Dies führte neben der normalen Küstenkordillere (Sierra Nevada, Kaskadengebirge) zur Ausbildung eines breiten Hochlandes, das unter anderem die zentralen und südlichen Rocky Mountains, das Colorado-Plateau und die Basin-and-Range-Provinz umfasst.[9] Des Weiteren wird die flache Subduktion der Farallon-Platte für die hohen kreidezeitlichen Subsidenzraten, die in einem breiten Streifen im Inneren Nordamerikas auftraten (engl. „long-wavelength, high-amplitude subsidence“), und damit für die Entstehung des Western Interior Seaway und der entsprechenden marinen Sedimente verantwortlich gemacht.[10] Als Ursache des geringen Abtauchwinkels der Platte gilt die Subduktion eines ozeanischen Plateaus.[9][11] Solche Plateaus bestehen aus Gestein, das eine geringere Dichte als normale ozeanische Kruste hat, wodurch der Slab im sublithospärischen Mantel einen höheren Auftrieb erfährt.
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Die ausgedehnte mesozoische Phoenix-Platte, benannt nach jurassischen Meeresboden-Isochronen auf der Pazifischen Platte nahe den Phoenix-Inseln im Westpazifik, gilt als Vorläufer des relativ kleinen, auch als Drake- oder Aluk-Platte bezeichneten ozeanischen Krustenschnipsels, der heute zur Antarktischen Platte gehört und sich westlich der Scotia-Platte in der Drake-Straße befindet.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Dan P. McKenzie, W. Jason Morgan: Evolution of Triple Junctions. Nature. Bd. 224, 1969, S. 125–133, doi:10.1038/224125a0.
- ↑ a b c d e f M. Seton, R. D. Müller, S. Zahirovic, C. Gaina, T. Torsvik, G. Shephard, A. Talsma, M. Gurnis, M. Turner, S. Maus, M. Chandler: Global continental and ocean basin reconstructions since 200 Ma. Earth-Science Reviews. Bd. 113, Nr. 3–4, 2012, S. 212–270, doi:10.1038/224125a0 (alternativer Volltextzugriff: EarthByte).
- ↑ a b c d e Tanya M. Atwater: Tectonics of the North East Pacific Region. S. 265–280 in: Albert W. Bally, Allison R. Palmer (Hrsg.): The Geology of North America, Vol A: The Geology of North America – an Overview. Geological Society of America, Boulder (CO) 1989, ISBN 0-8137-5207-8, S. 269 ff.
- ↑ Peter J. Haeussler, Dwight C. Bradley, Ray E. Wells, Marti L. Miller: Life and death of the Resurrection plate: Evidence for its existence and subduction in the northeastern Pacific in Paleocene–Eocene time. Geological Society of America Bulletin. Bd. 115, Nr. 7, 2003, S. 867–880, doi:10.1130/0016-7606(2003)115<0867:LADOTR>2.0.CO;2 (alternativer Volltextzugriff: USGS Alaska Science Center ( vom 4. März 2016 im Internet Archive)).
- ↑ Tanya Atwater, Joann Stock: Pacific-North America Plate Tectonics of the Neogene Southwestern United States: an Update. S. 393–421 in: Wallace G. Ernst, Clemens A. Nelson (Hrsg.): Integrated Earth and Environmental Evolution of the Southwestern United States. Bellwether Publishing, Columbia (MD) 1998, ISBN 0-9665869-0-5, S. 409.
- ↑ Tanya Atwater: Implications of Plate Tectonics for the Cenozoic Tectonic Evolution of Western North America. Geological Society of America Bulletin. Bd. 81, Nr. 12, 1970, S. 3513–3536, doi:10.1130/0016-7606(1970)81[3513:IOPTFT]2.0.CO;2 (alternativer Volltextzugriff: UCSC).
- ↑ William P. Irwin: Geology and Plate Tectonic Development. S. 61–224 in Robert E. Wallace (Hrsg.): The San Andreas Fault System, California. U.S. Geological Survey Professional Paper 1515. U.S. Geological Survey, Department of the Interior, Washington, D.C. 1990 (online).
- ↑ a b Peter Lonsdale: Creation of the Cocos and Nazca plates by fission of the Farallon plate. Tectonophysics. Bd. 404, Nr. 3–4, 2005, S. 237–264, doi:10.1016/j.tecto.2005.05.011 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate).
- ↑ a b Eugene Humphreys: Relation of flat subduction to magmatism and deformation in the western United States. S. 85–98 in: Suzanne Mahlburg Kay, Víctor A. Ramos, William R. Dickinson (Hrsg.): Backbone of the Americas: Shallow Subduction, Plateau Uplift, and Ridge and Terrane Collision. Geological Society of America Memoirs. Bd. 204, 2009, doi:10.1130/2009.1204(04) (alternativer Volltextzugriff: University of Oregon unredigiertes Manuskript ohne Abbildungen).
- ↑ J. X. Mitrovica, C. Beaumont, G. T. Jarvis: Tilting of continental interiors by dynamical effects of subduction. Tectonics. Bd. 8, Nr. 5, 1989, S. 1079–1094, doi:10.1029/TC008i005p01079.
- ↑ Lijun Liu, Sonja Spasojević, Michael Gurnis: Reconstructing Farallon Plate Subduction Beneath North America Back to the Late Cretaceous. Science. Bd. 322, Nr. 5903, 2008, S. 934–938, doi:10.1126/science.1162921 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate).