Sonderabteilung Einsatz R
Die Sonderabteilung Einsatz R (R steht für Reinhardt), auch als Einsatz R, Aktion R oder Abteilung R bezeichnet, war eine eigenständige Abteilung des SS- und Polizeiapparates in der Operationszone Adriatisches Küstenland. Sie unterstand dem „Höheren SS- und Polizeiführer“ Odilo Globocnik, der seinen Dienstsitz in Triest hatte.
Entstehung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kurz vor Ende der Aktion Reinhardt wurde Globocnik Mitte September 1943 nach Triest in den adriatischen Küstenraum versetzt. Mit ihm kam Personal aus seiner früheren Dienststelle als SS- und Polizeiführer in Lublin. Von diesen 16 SS-Männern waren einige wie Georg Michalsen aus Hermann Höfles Referat, Globocniks Adjutant Ernst Lerch und Johannes Schwarzenbacher unmittelbar mit der Aktion Reinhardt involviert. Sechs weitere „T4-Reinhardt-Männer“, nämlich Christian Wirth, Josef Oberhauser, Franz Stangl, Konrad Geng, Otto Stadie und Rudolf Baer gehörten ebenfalls zu den ersten Mitarbeitern.[1]
Erst nachdem die Vernichtungslager Sobibor und Treblinka der Aktion Reinhardt aufgelöst und abgewickelt waren (Belzec wurde schon im Frühjahr 1943 aufgelöst), kam Ende 1943 bis Januar 1944 mit 78 Männern der Großteil des Personals der Aktion Reinhardt in den adriatischen Küstenraum. Die Sonderabteilung wurde, wie schon zuvor die Aktion Reinhardt, der Dienststelle des Höheren SS- und Polizeiführers angegliedert, von Globocnik geleitet und Christian Wirth unterstellt. Nach dessen Tod im Mai 1944 leitete Gottlieb Hering kurzzeitig diese Sonderabteilung, bis er von Dietrich Allers abgelöst wurde.
Auftrag
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Analog zur Aktion Reinhardt hatte diese Sonderabteilung, programmatisch als auch personell, die Aufgabe der Judendeportation und -vernichtung, der Konfiszierung des jüdischen Vermögens sowie der Verfolgung von politischen Gegnern und zunehmend in der Partisanenbekämpfung. Der Befehlshaber als auch die Kommandeure der drei Einheiten dieser Sonderabteilung waren alle Lagerkommandanten der Vernichtungslager der Aktion Reinhardt, so Wirth (Belzec), Hering (Belzec), Stangl (Treblinka) und Reichleitner (Sobibor). In dem Konzentrationslager Risiera di San Sabba bei Triest, einer ehemaligen Reismühle, wurden bis zu 5000 jüdische Häftlinge und Partisanen ermordet. Allein aus Triest wurden 837 Juden mit mehreren Transporten in das KZ Auschwitz deportiert.
Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einheit | Kommandeur | Personalwechsel | Besonderheiten |
---|---|---|---|
R I Triest | Gottlieb Hering | Nach dem Tode Wirths zwischenzeitliche Vertretung von Hering von Frühjahr bis Juli 1944 Josef Oberhauser | in den Zuständigkeitsbereich dieser Einheit fiel auch das Konzentrationslager Risiera di San Sabba bei Triest |
R II Fiume | Franz Reichleitner | Nach dem Tode Reichleitners am 3. Januar 1944 Franz Stangl bis Mai/Juni 1944 | |
R III Udine | Franz Stangl | nach dem Wechsel Stangls zur Einheit R II Fritz Küttner, danach ab Mitte 1944 Paul Arthur Walther, zuletzt Helmut Fischer | mit Außenstelle Castelnuovo d’Istria |
R IV Mestre[2] | Franz Stangl seit Mitte 1944 – November 1944 | mit Außenstelle Venedig |
Kriegsende
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Sonderabteilung R blieb im Wesentlichen bis zum Kriegsende intakt, wenn man von den kriegsbedingten Ausfällen absieht. Nur fünf Männer wechselten vorzeitig zur kämpfenden Truppe – auf eigenen Wunsch, aufgrund von Strafversetzung oder Schwierigkeiten mit Dietrich Allers.
Im Zuge des nahenden Kriegsendes zogen sich Ende April 1945 die Einheiten der Sonderabteilung gruppenweise aus Norditalien nach Deutschland zurück. Die meisten Mitglieder der Einheit R III wurden im amerikanischen Lager Habach bei Weilheim in Oberbayern interniert. Eine andere Gruppe geriet ins amerikanische Gefangenenlager Bad Aibling. Weitere Mitglieder kamen zunächst in englische Gefangenschaft und wurden ins amerikanische Kriegsgefangenenlager Aalen überführt.[3]
Die meisten Mitglieder der Sonderabteilung wurden nach kurzer Internierung aus den Lagern entlassen. Vereinzelt entschieden sie sich bei drohenden Ermittlungsverfahren zur Flucht ins Ausland; einige wenige tauchten unter anderem Namen unter, die meisten aber lebten lange unangefochten in der Nachkriegsgesellschaft. Die ersten westdeutschen Verfahren Ende 1949 richteten sich gegen vier Täter, die zufällig erkannt worden waren. Erst Mitte der 1960er Jahre fanden große Prozesse gegen die Täter der Aktion Reinhardt statt.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- René Moehrle: Judenverfolgung in Triest während Faschismus und Nationalsozialismus 1922–1945. Metropol, Berlin 2014, ISBN 978-3-86331-195-7, S. 331–386.
- Michael Wedekind: Nationalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien 1943 bis 1945. Die Operationszonen „Alpenvorland“ und „Adriatisches Küstenland“ (= Militärgeschichtliche Studien 38). Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. R. Oldenbourg Verlag, München 2003, ISBN 3-486-56650-4 (Zugleich: Münster, Univ., Diss., 1996).
- Ernst Klee: Was sie taten – Was sie wurden. Ärzte, Juristen und andere Beteiligte am Kranken- oder Judenmord (= Fischer-Taschenbücher 4364). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-596-24364-5.
- Franciszek Piper: Die Zahl der Opfer von Auschwitz. Aufgrund der Quellen und der Erträge der Forschung 1945 bis 1990. Verlag Staatliches Museum, Oświęcim 1993, ISBN 83-85047-17-4.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Sara Berger: Experten der Vernichtung. Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka. Hamburg 2013, ISBN 978-3-86854-268-4, S. 278.
- ↑ nach Berger sind alle Angaben hierzu „unklar“ - Sara Berger: Experten der Vernichtung... Hamburg 2013, ISBN 978-3-86854-268-4, S. 281.
- ↑ Sara Berger: Experten der Vernichtung. Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka. Hamburg 2013, ISBN 978-3-86854-268-4, S. 282.