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ADB:Moritz (Generalstatthalter der Niederlande)

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Artikel „Moritz, Prinz von Oranien, Graf von Nassau-Dillenburg“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 283–293, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Moritz_(Generalstatthalter_der_Niederlande)&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 06:08 Uhr UTC)
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Band 22 (1885), S. 283–293 (Quelle).
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Moritz, Prinz von Oranien, Graf von Nassau-Dillenburg, Statthalter und Generalcapitän von Gelderland, Holland, Seeland, Utrecht und Overyssel, der Sohn Wilhelms von Oranien aus seiner zweiten Ehe mit Anna, des Kurfürsten Moritz von Sachsen einziger Tochter, wurde am 13. November 1567 geboren. Den Namen erhielt er nach seinem Großvater. Noch in zartem Alter wurde er nach Heidelberg gebracht, um daselbst unter den Augen der pfälzischen Fürstenfamilie die Erziehung eines protestantischen Fürsten zu erhalten. Später kam er nach des Vaters niederländischer Residenz in Breda und zuletzt an die junge Leidener Hochschule, sorgfältig nicht allein vom Vater, sondern auch von den holländischen Staaten überwacht, da man immer fürchtete, er könne, wie sein Bruder, von den Spaniern entführt werden. Der stille, fleißige Knabe, der namentlich den mathematischen und militärischen Studien mit Eifer oblag, wurde als der Erbe der Stellung seines Vaters betrachtet und als solcher in gut calvinistischen Grundsätzen, wie es sich dem künftigen Haupte der niederländischen Revolution schickte, erzogen. Noch nicht fünfzehn Jahre alt, war er Zeuge des Attentats von Juan Jauregui gegen seinen Vater, und schon damals zeigte er eine Geistesgegenwart weit über seinem Alter. Noch zwei Jahre später stand er verwaist da, neben seinem eben geborenen Brüderchen die einzige Hoffnung der niederländischen Patrioten. Wäre des Vaters Erhebung zum Grafen von Holland damals schon vollzogen gewesen, gewiß hätte man ihn zu dessen Nachfolger ernannt und dem Geschlecht der Oranier sowie der Republik eine ebenso widersinnige wie unlösbare Verbindung erspart und beide dagegen in das Verhältniß einer beschränkten constitutionellen Monarchie gebracht. Jetzt, i. J. 1584, verboten die Umstände aufs Bestimmteste einen unerfahrenen Knaben an [284] die blos auf der persönlichen Autorität beruhende Stelle des größten Staatsmannes seiner Zeit zu setzen. So begnügten die Führer der Patriotenpartei sich den großen Namen des Jünglings zu benutzen und demselben den nominellen Vorsitz des Staatsraths zu ertheilen, welcher von jetzt an bis zur Errichtung der Leicesterschen Regierung die Geschäfte der Generalität, namentlich die Führung des Kriegs zu Lande und zu Wasser beaufsichtigen sollte. In der That war jedoch diese Behörde vollkommen machtlos, die Generalstaaten, und mehr noch die provinziellen Behörden ausschließlich souverän. Doch lernte M. den Gang der Regierungsgeschäfte kennen und der Name Oranien blieb mit der obersten Führung des Kampfes gegen Spanien verbunden. Es war wol namentlich dieser volksthümliche Name, der die Staaten von Holland und Seeland veranlaßte, den jungen Mann zum Statthalter und Generalcapitän ihrer Provinzen zu ernennen (10. November 1585), als, dem Bund mit England zufolge, der Graf von Leicester sich anschickte, die oberste Leitung in den Niederlanden zu übernehmen. Suchten sie doch gleich der Autorität des Engländers eine andere entgegenzusetzen, welche ihre Sonderstellung gegen ersteren schützte. Der Oberanführer hatte nämlich die Befugniß, für die Provinzen, die keinen eigenen Statthalter besaßen. einen Gouverneur zu ernennen. Die Gefahr, einem Engländer oder einer Creatur des englischen Hofes untergestellt zu werden, veranlaßte die Staaten, die große Autorität, welche sie anderthalb Jahre selber geübt hatten, einem Jüngling von achtzehn Jahren in die Hände zu geben. Doch, obgleich jetzt mit der Executive in den zwei mächtigsten Provinzen betraut, blieb M. noch immer was er bis jetzt gewesen war, ein williges Werkzeug der holländischen Regenten. Er hatte Verstand genug, ganz wie seine Stiefmutter, Louise de Coligny, deren mütterliche Sorge er mit großer Anhänglichkeit vergalt, und seine übrigen Verwandten, einzusehen, daß seine und seines Hauses Zukunft mit der der holländischen Staaten enge verknüpft war, daß er nur durch sie, nicht durch die Engländer, zur Bedeutung gelangen konnte. Zwar ließ er sich seine Statthalterwürde vom Grafen Leicester bestätigen, doch sonst blieb er mit einer gewissen Scheu von dessen Umgebung fern und betheiligte sich auch nicht an dessen bald verunglückten Unternehmungen im Felde, welche freilich ihn, der das Studium einer wissenschaftlichen Kriegsführung mit Ausdauer betrieb, kaum anziehen konnten. An dem bald entzündeten politischen Kampfe zwischen dem Gouverneur und den Staaten betheiligte er sich nur insoweit, als er allen Versuchen des ersteren, ihn zu sich hinüberzuziehen, gegenüber sich ablehnend verhielt und sich immer enger an Oldenbarnevelt und die Staaten anschloß. Als Leicester nach langem vergeblichen Ringen das Spiel verloren gab und nach England zurückkehrte, war Moritz’ Zeit gekommen. Zum ersten Male sieht man ihn seine persönliche Autorität herauskehren, als es galt die Soldatenaufstände in Holland zu beschwichtigen, und als i. J. 1589 die Meuterei der Garnison von Geertruidenberg zur offenen Rebellion und Verrath wurde, übernahm er die Leitung der Belagerung der Festung. Allein dieser erste Versuch des Feldherrn, der bestimmt war, die Belagerungswissenschaft so zu sagen neu zu erschaffen, fiel überaus kläglich aus. Er konnte nicht einmal verhindern, daß die Spanier die Stadt vor seinen Augen in Besitz nahmen. Freilich hatte er noch unter der Vormundschaft der Generäle der alten Schule und mit dem alten Heere arbeiten müssen, so daß ihm das Mißlingen kaum angerechnet werden kann. Erst da er vollkommen selbständig und mit einem von ihm selbst organisirten Heere operiren durfte, zeigte er was er leisten konnte. Und das währte noch zwei Jahre. Indessen waren große Veränderungen vorgegangen. Die alten Führer mit Ausnahme allein des Grafen von Hohenlohe (s. Bd. XII. S. 693) waren gestorben, die Staaten hatten die große aber schlecht organisirte [285] Armee stark reducirt, jedoch die Bezahlung der im Dienste behaltenen Truppen gesichert, für deren Ausrüstung und Uebung M. zusammen mit seinem Vetter, dem jungen aber schon in einem zehnjährigen Kampfe erprobten friesischen Statthalter Wilhelm Ludwig aufs eifrigste thätig war. Letzterer hatte bei seinen Soldaten eine neue, den Römern nachgebildete Art des Exercirens und Manövrirens eingeführt, die zwar von den alten Soldaten verspottet, von M. jedoch gleich angenommen wurde. So entstand ein kleines aber ausgesuchtes Heer, das scharf abstach gegen die schwerfälligen Söldnermassen der anderen Armeen der Zeit, von tüchtigen Offizieren geführt und mit Allem aufs Reichlichste versehen, unter einer strengen aber gerechten Mannszucht, deren Nutzen bald auch den Soldaten einleuchtete. Schon als 1590 M. die Vertheidigung der Waalgrenze gegen Parma leitete, zeigte sich, wie sehr die militärischen Verhältnisse geändert waren. Dagegen war Parmas Heer durch schlechte Zahlung allen Anstrengungen des Feldherrn zum Trotze zerrüttet. Selbst die besten Regimenter fingen an zu meutern. Noch mehr aber war in den politischen Dingen ein Umschwung eingetreten. Seitdem Heinrich IV. als König von Frankreich die Führung des Kampfes gegen Spanien übernommen hatte, wurde Parma gezwungen, sich den Vorgängen in Frankreich zu widmen, nur sein Beistand hielt die Ligue aufrecht. Dagegen war durch des Grafen von Neuenahr plötzlichem Tod die Statthalterschaft von Gelderland, Utrecht und Overyssel erledigt. In den beiden letzteren trat M. schon 1590 an dessen Stelle, nur der Erfüllung einiger Formalien wegen hatte er fürs Erste die ihm schon angetragene Geldrische nicht angenommen. So verfügte er bereits über die Kräfte von fünf Provinzen, während er der gesammten Marine als General-Admiral schon seit dem Jahre 1584 vorstand und nach Leicester’s Abgang in dieser Würde aufs neue bestätigt wurde. Da Graf Wilhelm Ludwig sich ihm willig unterordnete, verfügte er so unbeschränkt über die Streitkräfte der Republik, als wenn er Generalcapitän der Union gewesen wäre. Mehr brauchte und wünschte er damals nicht. Er war blos Krieger, seine politischen Befugnisse beschränkte er auf das Nothwendigste; Oldenbarnevelt und den übrigen hervorragenden Regenten ließ er völlig freie Hand. Die äußerst günstige Situation veranlaßte ihn und seinen Vetter Wilhelm Ludwig, den Staaten eine veränderte Kriegsführung vorzuschlagen. Die Defensive sollte aufgegeben werden. Parmas Heer war theilweise in Frankreich beschäftigt, theilweise durch fortwährende Meutereien desorganisirt; der Führer selber verpflichtet, sich immer mehr mit Frankreich zu beschäftigen. Nach langem Sträuben willigten die Staaten ein und gaben auch den Entwürfen der Statthalter, an erster Stelle Gelderland zu befreien, ihre Zustimmung. Im Frühjahr des Jahres 1591 marschirte M. mit einem kleinen aber ausgesuchten Heere von ungefähr 8 bis 10 000 Mann über die Veluwe nach der Yssel; innerhalb drei Wochen waren Zütphen und Deventer nach einander von den Niederländern erobert. Dann wandte er sich, der Vereinbarung mit Friesland gemäß, gegen Groningen, das Hauptquartier der katholisch-spanischen Partei des Nordens. Doch gelang es dem spanischen General Verdugo die Stadt zu decken; ohne Zaudern gab M. die Belagerung auf und änderte seine Pläne insoweit, daß er sich begnügte, die Stadt zu isoliren. Erst ward die Feste am Dollart, Delfzyl genommen und so Groningen vom Meere abgeschnitten, dann ging er gegen Steenwyk, das die Communication mit dem Süden deckte. Kaum waren da die Belagerungsarbeiten begonnen, als die Nachricht von Parmas Aufmarsch vom Süden her anlangte. Derselbe hatte schon die gegenüber Nimwegen gebaute Festung Knodsenburg angegriffen, als sich M., der die Belagerung Steenwyks aufgehoben hatte und in Eilmärschen zum Entsatz herangerückt war, auf ihn stürzte. Zwischen Rhein und Waal eingeklemmt, an der Spitze von wenigen in [286] der Eile zusammengerafften Truppen, welche in einem ernsten Reiterkampf den Kürzeren gezogen hatten, ohne rechte Verbindungen mit seiner Basis in Belgien, sah sich der große Feldherr gezwungen, durch schleunigen Rückzug sich seinem jungen Gegner zu entziehen. Doch M. war nicht gesonnen, sich einer zweiten Begegnung mit ihm auszusetzen. Statt gleich jetzt Nimwegen zu belagern, ließ er seine Armee auseinandergehen und wartete, bis Parma sich mit seiner Hauptmacht gegen Frankreich gewandt hatte. Sobald dies geschehen war (es war noch kein Monat vergangen), sammelte er seine Truppen wieder, schiffte sie in Dordrecht ein und führte sie nach Flandern, wo er in fünf Tagen die starke Festung Hulst erobert hatte (24. September), noch bevor der alte Graf von Mansfeldt, Parmas Stellvertreter, eine Armee zum Entsatz beisammen hatte. In der Meinung, der gleich nachher erfolgte Abzug der Niederländer sei ein Beweis, sie würden der vorgerückten Jahreszeit wegen nichts mehr unternehmen, ließ derselbe seine Truppen wieder auseinander gehen. M. hatte aber Anderes vorgehabt; zu Wasser war seine Armee von Flandern nach Holland, von Holland nach der Betuwe geführt; schon am 14. October war Nimwegen eingeschlossen, eine Woche später hatte die Stadt capitulirt. M. konnte sich jetzt mit Recht als Statthalter von Gelderland, welche Würde er im August angetreten, fühlen, mit seiner Kriegskunst hatte er die Provinz von den Spaniern befreit. Dieser Feldzug, in welchem M. fünf Festungen den Feinden entrissen, den größten Feldherrn jener Zeit überlistet, den Krieg zweimal von einem Ende des Landes nach dem anderen übergeworfen hatte, erfüllte die ganze Welt mit Staunen. M. zählte von jetzt an zu den großen Generälen, und die nächsten Jahre bestätigten seinen Ruf. Im J. 1592 wurde der Kreis um Groningen fester gezogen. Steenwyk und Koeverden nebst mehreren kleineren Orten fielen, ohne daß es den Spaniern irgendwo gelang, einen Vortheil zu erzielen. Und im folgenden Jahre 1593 ward das überaus starke, vorzüglich vertheidigte Geertruydenberg, das vier Jahre zuvor ihm entrissen war, von M. nach langer, kunstgerechter Belagerung, trotzdem Mansfeldt die Belagerungsarmee von allen Seiten anzugreifen suchte, vor dessen Augen zur Capitulation gezwungen. Im nächsten wurde dann endlich zur Eroberung Groningens geschritten, die auch nach schwerer politischer und militärischer Arbeit gelang. Innerhalb vier Jahren war es M. gelungen, den Boden der sieben Provinzen vollständig vom Feinde zu befreien, sämmtliche von jenem in langjährigem Kampfe erstrittene Festungen zu erobern. Nur vorübergehend streifte er jetzt in der Kriegsnoth die Gebiete der vereinten Niederlande. Die eroberten Städte wurden mit großer Schonung behandelt, selbst Groningen, dessen feindliche Gesinnung Niemanden ein Geheimniß war; so weit sie zur Union gehört hatten, wurden sie sämmtlich in ihre alten Rechte wieder eingesetzt; auch die Katholiken empfanden eine sehr glimpfliche Behandlung und wurden erst allmählich im Magistrat durch Protestanten ersetzt; die eroberten Landestheile, fast das ganze Groningerland und Drenthe, die Hälfte von Overyssel und Gelderland, die theilweise sich nur ungern der spanischen Herrschaft entzogen, sahen sich auf denselben Fuß gestellt wie die, welche der nationalen Freiheit die Treue bewahrt hatten. In allen diesen Bestimmungen handelte M. im engsten Einverständniß mit den Principien der holländischen Regenten. Es würde die Geschichte des Kampfes mit Spanien erzählen heißen, wollten wir hier Moritz’ weitere Kriegsthaten der Reihe nach aufzählen. Nicht immer war ihm das Glück so hold wie in jenen ersten der neunziger Jahre; doch immer wußte er das Gebiet der sieben Provinzen zu schirmen. Und manchen glänzenden Feldzug konnte er noch aufweisen. Namentlich i. J. 1597, als er mit der Vernichtung einer spanischen Abtheilung bei Turnhout, einem der glänzendsten Reitersiege des Jahrhunderts, die Reihe seiner Thaten eröffnete und [287] das starke kurkölnische Rheinberg in die Reihe der niederländischen Grenzfestungen einfügte. Kein Jahr aber hat seinen Ruhm so verbreitet, wie das Jahr 1600, wenn auch keiner seiner Feldzüge so völlig ergebnißlos war, ja den Keim böser Früchte in seinem Schooße entwickelte. In jenem Jahre wurde M. trotz seinem heftigen Sträuben von den Staaten, namentlich von Oldenbarnevelt gezwungen, auf einem Zug gegen das vlämische Piratennest Dünkirchen die Kriegsmacht der Republik zu gefährden, ohne wie er vorher gesagt, den Zweck zu erreichen. Dagegen gerieth das Heer an der vlämischen Küste durch die schleunigst zusammengezogenen Truppen des Erzherzogs Albrecht, des jetzigen niederländischen Landesherrn, der Infantin Isabella Gemahl, von seinen Verbindungen abgeschnitten, in eine Stellung, aus welcher nur Moritz’ Entschlossenheit und Tapferkeit es rettete. Schon hatte der Erzherzog die eine seiner drei Divisionen, die des Grafen Ernst von Nassau (Bd. VI. S. 293) im Gefecht bei Leffengheem vernichtet und stand im Begriff die Hauptmacht, welche eben beschäftigt war den Hafen von Nieuwpoort zu durchwaten, während des Marsches anzugreifen, als M. dieselbe rasch Stellung am Strande und in den Dünen nehmen ließ, die Spanier aufzuhalten wußte, bis seine Schlachtordnung hergestellt war und dann am nämlichen Tage, am 2. Juli 1600 im stundenlangen blutigen Ringen dem Feind die vollkommenste Niederlage beibrachte, welche die Spanier in allen den achtzig Jahren des Krieges erlitten haben. Doch andere Resultate als einen freien Rückzug mit allen erbeuteten Trophäen und Gefangenen hatte dieser glänzende Sieg im freien Felde nicht. Freilich die moralischen Folgen, die Erhöhung des Ruhms des Feldherrn und des Heeres der Republik, wogen vielleicht den Mangel an materiellen Ergebnissen auf. M. jedoch scheint es dem Advocaten nie vergessen zu haben, daß er ihn gegen seine Ueberzeugung in eine so mißliche Lage gebracht hatte. Von jetzt an sieht man ihre früher so intimen Beziehungen mit jedem Jahr mehr erkalten. In den folgenden Jahren trat für Spanien ein M. ebenbürtiger Feldherr in die Schranken, der berühmte Spinola. So lange derselbe alle Kräfte der Eroberung Ostendes zuwenden mußte, behielt M. freie Hand und die Gewinnung von Sluis, welche den Verlust Ostendes vollkommen aufwog, zeigte, wie er seine Aufgabe zu lösen verstand. Dann aber hatte er einen schweren Stand; zwar wußte er die Grenze der Republik zu schirmen, doch gelang es ihm nicht neue Lorbeeren zu gewinnen, ja nicht einmal die auf dem Reichsboden gewonnenen Positionen zu bewahren. Doch die Kräfte der spanischen Monarchie fingen an zu versiegen, auch einem Spinola war es nicht mehr möglich diese zu ersetzen. Mit dem Jahre 1607 kamen die spanischen Friedensanträge, die nach langwierigen Unterhandlungen endlich mit dem bekannten zwölfjährigen Stillstand endeten. Für M. begann hiermit eine äußerst schwierige Zeit; aus seinem natürlichen Kreise herausgerissen, ward er jetzt gezwungen in einer der schwierigsten politischen Situationen, in einem Wirrwarr von Intriguen und Interessenkämpfen sich zurecht zu finden, in welchen nur ein genialer, erfahrungsreicher Staatsmann wie Oldenbarnevelt, der sich seiner Ziele vom Anfang an klar bewußt war und sie unverrückt im Auge behielt, den Weg wußte. Und er und Oldenbarnevelt mußten leider eine völlig verschiedene Auffassung der Lage haben. Es kam zu harten Zusammenstößen zwischen dem politischen und dem militärischen Führer des Staates. Nicht allein raubte der Stillstand letzterem die Grundlage seiner Macht, seine Unentbehrlichkeit an der Spitze des Heeres, sondern er war überzeugt, der Stillstand würde nur dem Feinde zu Gute kommen, die Republik dagegen desorganisiren. Nicht blos die freilich schwere Last des Krieges, meinte er, wollten die Holländer abschütteln, sondern auch durch den Frieden die Selbständigkeit ihrer Provinz, ja die Lösung der Bänder der Union erzielen. Die Gegensätze, welche [288] in der Republik bestanden, kamen wieder an den Tag. Bereits i. J. 1608 drohte ein vollkommener Bruch und nur der Gewandtheit des französischen Vermittlers Jeannin gelang es, zwischen den beiden Häuptern des Staates eine Versöhnung herbeizuführen. Doch von einem herzlichen Einverständniß konnte nie mehr die Rede sein. Das war schon durch Moritz’ schroffes, hartes, verschlossenes Gemüth unmöglich, das nie eine Niederlage, selbst nicht im Schachspiel, zu verschmerzen wußte, das den Groll barg, um einst in lichter Lohe aufzuflammen. Dazu kam, daß Oldenbarnevelt und die Staaten von Holland, die dem Advocaten unbedingt folgten, auch nicht das Geringste thaten, einem Bruche mit dem Statthalter aus dem Wege zu gehen. Seit dem Stillstand ward M. von allen, die den Advocaten und dessen Partei haßten, als ihr natürliches Haupt angesehen. Ihre von dem Interesse Hollands bedingte Politik, der er einst, in den Tagen Leicesters, selbst gedient und gefördert, so viel er konnte, wurde ihm tagtäglich als eine verderbliche geschildert, es wurde ihm fortwährend gesagt, er habe andere Verpflichtungen, er solle für die ganze Union, nicht für eine Provinz stehen. Namentlich galt dieses von den strengen Calvinisten, welche die Unterordnung der Kirche unter die provinziellen und städtischen Gewalten nicht länger zu ertragen gesonnen waren und mit denen er, was ihre religiösen Meinungen betrifft, sympathisirte. Denn im Gegensatz wieder, wie in so vielem, zu seinem Vater, theilte M. trotz seinem keineswegs makellosen Wandel die Anschauungen der mit den Puritanern verwandten niederländischen Reformirten, die Oldenbarnevelt und die seinen um so weniger aufkommen lassen wollten, weil sie ihrem Begriffe von der Suprematie des Staates, vom Jus in sacra, schnurstracks entgegenliefen, so wenig sie sich sonst vielleicht um die Dogmata kümmerten. Doch vergingen Jahre, bevor es zu einem neuen Bruche kam. M. scheute sich in politischen Dingen einzugreifen, umsomehr, da ein erster Versuch kläglich mißlang. In Alkmaar waren i. J. 1609 die Calvinisten und der Magistrat aneinandergerathen. Kraft seiner Statthalterwürde war M. eingeschritten und hatte eine calvinistische Regierung eingesetzt. Sie war aber bald mit der Bürgerschaft in solchen Zwiespalt gerathen, daß eine Deputation der Staaten die von ihm eingesetzte Behörde aufgelöst und eine neue eingesetzt hatte, welcher es gelang die Ruhe aufrecht zu halten. M. hatte dazu geschwiegen, sich keine weitere Einmischung erlaubt. Unterdessen waren in der Stadt Utrecht Unruhen ausgebrochen, die bald einen so gefährlichen Charakter annahmen, daß die Generalstaaten selber einschreiten zu müssen glaubten. Die Utrechter Revolutionäre dagegen suchten dem Statthalter die Entscheidung aufzudrängen, überhaupt dessen Autorität der der Staaten gegenüber zu stellen. M. beharrte aber in einer Art Neutralität, welche zwar seine Gesinnung nicht vollkommen verbarg, aber nicht dazu angethan war, den Staaten den Muth zu nehmen. Nur weigerte er sich beharrlich, ihnen zur Hand zu gehen, als sie die Ruhe mit Gewalt herstellen wollten und nahm es sehr mißliebig auf, als sie dann seinen jungen Bruder an die Spitze der dazu beorderten Truppen stellten. Sein Betragen in jenen Tagen war mindestens räthselhaft, er scheint damals einen Augenblick gedacht zu haben, seine Autorität in die Wagschale zu legen, aber sich doch wieder gescheut zu haben, einzugreifen, und wieder in seiner Zurückgezogenheit von allen politischen Dingen verharrt zu haben. Es kamen die Unruhen der nächsten Jahre, die Remonstranz der Arminianer, die Contraremonstranz der Calvinisten. Die holländischen Staaten suchten zu vermitteln, den religiösen Kampf zu beenden durch das Verbot darüber zu sprechen. Um ihre Autorität zu wahren, wurde die schon 1591 in Holland genehmigte Kirchenordnung jetzt, 1612 daselbst von ihnen eingeführt, ebenso wie in Utrecht. Doch eben dieses, womit sie den Kampf zu beenden vermeinten, ließ denselben erst recht aufflammen. [289] Die Calvinisten erklärten nicht schweigen zu dürfen, sie waren in ihrem Gewissen verletzt und widersetzten sich. Es entstanden Tumulte, die ungesetzmäßigen Versammlungen der ihrer Ansicht nach ihres rechten Gottesdienstes beraubten Calvinisten wurden oft schonungslos auseinander getrieben. Die Erbitterung wuchs. Den Streit beizulegen forderten die Calvinisten, und mit ihnen alle Gegner des holländischen Uebergewichts, eine allgemeine nationale Kirchenversammlung. Da war die Lösung gefunden. Die protestantische Nation in ihrer übergroßen Mehrheit forderte etwas, was die holländischen Staaten nimmermehr genehmigen konnten, ohne ihr ganzes System fallen zu lassen und sich dazu eines bestimmten Rechtes zu begeben. Denn in diesem Punkte war die Unionsacte deutlich, sie sicherte Holland die volle Unabhängigkeit in Religionssachen. Dem Statthalter von mehreren Provinzen dagegen konnte eben ein solches Entscheidungsmittel nur willkommen sein. Doch beharrte M. in seiner Zurückgezogenheit, ihm bangte vor dem politischen Kampf; Jahre lang schwieg er, ging er noch stets bei seinem und Oldenbarnevelts altem Freunde, dem Hofprediger Witenbogaert, obgleich er ein Haupt der Remonstranten war, in die Kirche. Erst als die Calvinisten auch im Haag zur That schritten und eine unbenutzte Kirche eingenommen hatten und auch dann erst zaudernd, nahm er in dem Religionsstreit Partei. Am 23. Juli 1617 ging er mit seinem Vetter Wilhelm Ludwig in jene Kirche zur Predigt. Nur letzterem, einem viel entschlosseneren Charakter, in religiösen wie in politischen Dingen einem bestimmten Gegner Hollands, gelang es, wie es scheint, ihn aus seiner Neutralität herauszureißen. Denn jener Kirchgang war ein entscheidender Schritt; er hatte sich denen angeschlossen, die sich in ihrem Gewissen bedrängt erklärten, wenn sie dem officiellen Gottesdienst beiwohnten und denen die Staaten einen eigenen versagten. Wenn man aber von jetzt an eine Reihe von Gewaltmaßregeln von M. erwartete, hoffte er werde offen gegen die holländischen Staaten auftreten, so irrte man sich. Die Gegner, vielmehr als die Freunde, haben ihn immer förmlich in den Kampf hineindrängen müssen; denn wenn es wahrlich nicht an Aufhetzern fehlte, auf ihn scheinen sie lange keinen Eindruck gemacht zu haben. Der bekannten sogenannten „Scharfen“ Revolution gegenüber, dem Beschluß der Staaten von Holland vom 5. August 1617, in dem sie sozusagen auf der ganzen Linie Front machten und zum Angriff schritten (forderte man M. ja darin auf ihre Maßregel zu unterstützen), stellte er nur eine Warnung. Auch der ihm persönlich höchst ärgerlichen Organisation der „Wartegelder“ gegenüber nahm er nur sehr wenige Maßregeln, sich die militärische Autorität nicht entreißen zu lassen. Er begnügte sich den Briel militärisch zu besetzen, in Nimwegen die Regierung abzusetzen, die Provinz Overyssel zur Gutheißung der Synode zu bewegen. Da indessen die von den Contraremonstranten beherrschte Majorität der Generalstaaten und die holländische Minorität (es waren sechs Städte, unter welchen Dordrecht und Amsterdam) sehr energisch fortschritten, die holländische Majorität dagegen zu keinem einzigen Zugeständniß zu bewegen war, und auch Oldenbarnevelt, der sich mehrmals zurückzuziehen versuchte, zwang an ihrer Spitze zu bleiben, kamen die Dinge bald auf einen Punkt, wo er eingreifen mußte, wollte er nicht Alles drüber und drunter gehen lassen. Sein Einschreiten war gewiß geboten. In Utrecht fiel endlich die Entscheidung. Der Prinz (M. war seit Kurzem durch seines älteren Stiefbruders Philipp Wilhelm Tod, auch zu jenem ihm schon längst gegebenen Titel berechtigt) löste, kraft seiner statthalterischen Würde die von den Staaten angenommenen Wartegelder auf, stellte den städtischen Magistrat ab und einen neuen an und ließ auch in den andern Staatencollegien der Provinz einige Personen aus- und eintreten, 25. Juli [290] bis 3. August 1618. Ohne einen Schwertstreich war Holland der einzige Bundesgenosse genommen, die Regenten und ihre remonstrantischen Anhänger, meist wohlhabende Bürger, hatten es geschehen lassen, die Masse der Bürgerschaft und das niedere Volk hatten es gut geheißen. Daß dies auch in Holland der Fall sein würde, wenn M. zu der nämlichen Maßregel griff, wozu ihn die Umstände gewiß berechtigten, ist gewiß; selbst in den Städten der holländischen Majorität bildeten die Remonstranten eine meist verschwindend kleine Partei, nur die Regenten, deren persönliche Autorität in der Frage stand, hielten sie aufrecht. Doch M. plante etwas anderes. Er wollte wol jedem Widerstand vorbeugen, die Gegner durch einen Gewaltstreich ihrer Häupter berauben. Die Generalstaaten hatten ihm Vollmacht ertheilt, die Maßregeln zu treffen, welche er im Interesse des Landes nothwendig halte, und am 29. August 1618 ließ er Oldenbarnevelt, de Groot, Hogerbeets und Ledenberg (s. diese) verhaften. Dann zog er in Holland umher, die städtischen Regierungen überall zu ändern, und erzielte so auch in Holland nicht blos eine Majorität für sich, sondern die Unanimität. Die Nationalsynode wurde abgehalten, die remonstrantische Doctrin verurtheilt, eine neue calvinistische Kirchenordnung eingeführt, Oldenbarnevelt und seinen Freunden der Proceß gemacht; Alles im Namen und unter der Autorität der Generalstaaten. Doch, wenn auch das System der Advocaten, die Souveränetät der einzelnen Provinzen, am Boden lag, die eigentliche Rechtsfrage, die Unterordnung der Kirche, war nicht anders entschieden, als von Oldenbarnevelt hätte geschehen können. Denn blos unter der Autorität des Staates durfte auch jetzt die Kirchenversammllmg ihre Beschlüsse fassen. Die Calvinisten gewannen nur zum Scheine einen Sieg, die Selbständigkeit der Kirche war mit Nichten anerkannt; ja selbst formell war die Souveränität der Provinzen nicht verneint, denn die neue, aus der Magistratsänderung hervorgegangene Staatenversammlung Hollands hatte die Nationalsynode gutgeheißen. Holland war nicht gezwungen worden, sich einem Beschluß der Generalstaaten zu fügen, es war nur gezwungen, demselben beizustimmen. Es hatte sich nur gezeigt, daß, wenn eine Differenz zwischen den Provinzen nicht ausgeglichen werden konnte, der Inhaber der militärischen Gewalt die Mittel besaß, die Einstimmigkeit herbeizuführen. Der Prozeß des Advocaten und seiner Genossen nahm seinen bekannten Lauf; die Rechtsfrage darüber hier zu erörtern, wäre nicht an der Stelle. M. hat dabei so viel man sehen kann, keinen Antheil gehabt. Als aber Oldenbarnevelt zum Tode verurtheilt war, hat es an ihm gestanden, den Justizmord zu verhindern. Daß er dies nicht gethan, daß er, weil der im Bewußtsein seiner Unschuld trotzige Greis keine Gnade und nur Recht wollte, die Vollstreckung des Urtheils geschehen ließ, das eben wirft einen unlöslichen Flecken auf Moritz’ Namen. Er hatte wissen können, daß der Prozeß und am meisten die Verurtheilung ein Act der politischen Rachsucht war, daß wenn auch vom Standpunkte derjenigen, welche der Souveränität der Union das Wort redeten, der Advocat in gewisser Hinsicht schuldig war, derselbe immer in der Ueberzeugung gehandelt hatte, er thue nur was Recht, ja was Pflicht sei. Wenn M. auch wirklich überzeugt gewesen ist, der Advocat habe dem Bürgerkrieg zugesteuert, so hätte er wissen können, daß jener es nur darauf ankommen ließ in der unerschütterlichen Ueberzeugung des Rechts seiner Partei und immer gedeckt von dem Auftrag seiner Vorgesetzten, der Staaten von Holland. Und wenn man auch dieses nicht gelten läßt, so hätte die einfache Pflicht der Dankbarkeit ihn veranlassen sollen, den Spruch zu mildern. Am wenigsten kann wol die politische Nothwendigkeit zu seiner Entschuldigung angeführt werden. Oldenbarnevelt war politisch vernichtet, sobald die Entscheidung in Utrecht gefallen war; selbst seine Verhaftung brauchte man dazu nicht; auch ohne dies hätte M. durch eine Aenderung der [291] städtischen Regierungen, der sich auch damals, so gut wie später, Niemand zu widersetzen gewagt, der im Gegentheil das ganze Volk zugejauchzt haben würde, die holländischen Staaten zu einer ihm völlig gefügigen Versammlung, in welcher der Advocat keinen einzigen Gesinnungsgenossen fand, machen können. Doch die Verhaftung, so wenig ich sie gutheißen mag, kann zur Noth als ein Act politischer Nothwehr entschuldigt werden, vielleicht hielt M. seine Gegner für stärker und tapferer als sie waren, und meinte wirklich nur durch solch einen Gewaltstreich sie entwaffnen zu können; es ist freilich nicht meine Ansicht. Allein selbst dann, wenn auch die Verhaftung aus dem Spiel bleibt, wenn selbst der Hochverrathsprozeß zur politischen und moralischen Vernichtung des Advocaten nothwendig schien, weder das Todesurtheil noch am wenigsten dessen Vollstreckung brauchte man doch; mit seiner Verbannung hätte man sich schon vollkommen an ihm rächen können. Denn seine Autorität wurzelte in Holland und den Staaten von Holland, die waren ihm entzogen, seine Gegner am Ruder, die ganze Nation gegen ihn aufgebracht, wie würde er irgend Einfluß geübt haben? In den wenigen Jahren, die dem Greis bleiben konnten, wäre ein Umschwung doch nicht denkbar gewesen. Gerne will ich zugeben, daß M. Oldenbarnevelt gern begnadigt hätte, wenn er um Gnade gebeten hätte. Doch eben dies zeigt die Härte seines Gemüths; wußte er doch, wie dies dem alten Staatsmann viel ärger als der Tod sein mußte. Mit kalter Grausamkeit wollte der Mann, der nicht vergeben noch vergessen konnte, den Gegner, dem er ehemals Alles verdankte, in dem Staub sehen; als ihm dies nicht gelang, hat er den Todesstoß nicht aufgehalten. Von jetzt an war M. unbeschränkt Herr in den Niederlanden, doch er übte die Herrschaft nur sehr wenig. Die Personen waren andere, die in den Regierungscollegien saßen, sonst nahmen die Dinge ihren selben Lauf. Er war viel zu wenig Staatsmnn, jetzt eine andere Ordnung der Dinge einzuführen, die eigene Stellung auch rechtlich zu befestigen, wie er es factisch gethan hatte. Einen einzigen Moment hat er, haben die Niederländer vorübergehen lassen, von jetzt an blieb die Republik verdammt ein politisch Ungeheuer, wie es aus den Umständen des Unabhängigkeitskampfes hervorgegangen war, zu bleiben; Niemand dachte daran, das große Werk des Jahres 1584 wieder aufzufassen und statt eines von einer Unzahl loser verbündeten Collegien regierten Staatenbundes, in welchem Niemand das Maß seiner Rechte und Befugnisse kannte, mit einem factisch erblichen militärischen Oberhaupte, das dazu noch eine Menge Rechte der Souveränität übte, einen ordentlichen Staat, in dem Jedermann seine Stellung kannte, zu schaffen. Es dauerte noch Jahre, bevor der Kampf mit Spanien entbrannte. M. gebot unumschränkt, und hatte Gelegenheit im Ueberfluß gehabt, die Gebrechen der Staatsmaschine kennen zu lernen. Er hat nichts gethan, er hat sein eigenes Geschlecht, er hat sein Land verurtheilt zu zwei Jahrhunderten von Zwiespalt und Mißregierung. War Moritz’ politische Wirksamkeit seit dem Jahre 1618 völlig Null, seine militärische war nur ein Schatten seiner früheren Leistungen. Während des Stillstands hatte er noch den Jülicher Krieg geführt, nach Ablauf desselben den Grenzkrieg geleitet, freilich ohne große Schlappen zu leiden, doch auch ohne Erfolg. Am 23. April des Jahres 1625 ist er gestorben. Sein Ende soll sehr erbaulich gewesen sein. M. war nie verheirathet, doch hinterließ er eine zahlreiche illegitime Nachkommenschaft bei verschiedenen Damen. Mehrere der hervorragenden Männer der späteren Zeit sind daraus entsprossen. Wenn je ein Sohn dem Vater ungleich geartet war, so ist es M. gewesen. Er war blos Kriegsmann, als solcher hat er den Vater gewiß überragt. Seine Kriegskunst war dem Boden, auf welchem der Krieg geführt wurde, völlig angepaßt, eben darum [292] hatte er so große Erfolge. Einem großen Feldherrn gegenüber wie Spinola war, vermochte er freilich blos Niederlagen zu vermeiden, oder an einer anderen Stelle des Kriegsschauplatzes zu ersetzen, was der irgendwo gewann. Seine Kriegführung war derart, daß von seinen beiden einzigen Schlachten, die eine bei Turnhout, durch einen vorzüglich berechneten Ueberfall veranlaßt wurde, die andere, bei Nieuwpoort, ein Act der Nothwehr war, um aus einer Stellung zu gerathen, in die er gegen sein besseres Wissen hineingedrängt war. Daß er letzteres geschehen ließ, ist charakteristisch für seine politische Unthätigkeit, er wagte es nicht, seine Autorität zu benutzen, um die Politiker in die Schranken zurückzuweisen, eben weil er dann in einen Conflict mit den Staaten gerathen wäre. So ist er immer gewesen. Gleich nach seines Vaters Tod, als die Umstände ihm eine beispiellos hohe Stellung verschaffen, sucht er Alles zu vermeiden, was ihn in die Oeffentlichkeit drängen kann. Geflissentlich hält er sich zurück, so lange die Leicesterschen Wirren dauern, läßt sich zwar mit allen Ehren und Befugnissen ausstatten, aber nur um den Staaten zum Willen zu sein. Daß man ihn im Gegensatz zu seinem Vetter wenig achtete, ist begreiflich. Er zeigte ja eine Scheu vor aller Politik, die bei dem Sohne Wilhelms von Oranien, bei einem Manne, der mit seinem siebzehnten Jahre zu hohen politischen Stellungen befördert war, mehr als sonderbar heißen kann. Diese Scheu verläßt ihn fast nie; selbst in der auswärtigen Politik scheint er nur durch die Ansichten Oldenbarnevelts und anderer bestimmt zu sein. Der Stillstand zuerst trieb ihn zu einer politischen Action, inwieweit er dabei selbständig handelte, ist nicht mehr abzunehmen. Er meinte damals gewiß, seine eigene Stellung und die niederländische Unabhängigkeit, die für ihn Eins und dasselbe waren, seien in Gefahr. Sein Stillschweigen in den Utrechter Wirren, als er wie es scheint, keine Unterstützung fand, und eben darum selbständig nicht zu handeln wagte, brachte ihn in eine falsche Stellung, die viel Bedenken erregt haben würde, wenn nicht andere Dinge die Blicke mehr auf sich gezogen hätten. In den Religionswirren haben seine eigenen Anhänger Mühe ihn aufzurütteln, nur widerwillig greift er endlich zu, um dann gewaltsamer zu handeln als nöthig war. Ist dieses geschehen, so verfällt er wieder in eine höchst unheilvolle Unthätigkeit, die viel mehr verschuldet hat für die Zukunft als der Religionskampf. Ein solcher Mann ist nichts weniger als ein Staatsmann. An der Spitze des Staats war er nur dann an seiner Stelle, als ein solcher neben ihm stand. Dennoch ist M. der Begründer der eigenthümlichen Macht seines Geschlechts, und als Soldat neben dem Staatsmann Oldenbarnevelt hat er den fast ganz zusammengefallenen Bau seines Vaters wieder, sei es auch im kleinen Maßstab und höchst dürftig aufgebaut.

Die Litteratur über ihn ist überaus reichhaltig. Es kommen in Betracht in erster Reihe die Archives de la Maison d’Orange Serie I Bd. VIII, Serie II Bd. I und II; namentlich auch die Einleitungen. Ferner aus der alten Litteratur die Historiker Bor, van Meteren, de Groot, Hooft, Baudartius, Brandt, Winsemius, Vita, res gestae et mors illustr. Mauritii, Wagenaar Th. VIII–X, du Maurier, Memoires, Carletons Letters (die französische Ausgabe kommt am Meisten vor), die Négotiations du Président Jeannin, Bentivoglio, v. Reydt und die ganze reichhaltige Litteratur über den Krieg, namentlich Anthonis Duyck’s Journal. Von der neueren Litteratur Maurits van Nassau, Prins van Oranje, von C. M. van der Kemp, eine Vertheidigung seines Auftretens, Motley’s History of the United Netherlands und Life of Barnevelt, letzteres sehr parteiisch gegen ihn, Groens Angriff darauf: Maurice et Barnevelt, Fruin, Tien Jaren uit den Tachtigjarigen Oorlog. Arend, van Rees en Brill, Allgem. Gesch. des Vaterlands III, 3–5, meine De [293] Staat der Vereenigde Nederlanden und eine Menge anderer historischer, politischer und militärischer Schriften.