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MKL1888:Kolonien

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kolonien“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 954959
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Kolonien. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 954–959. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kolonien (Version vom 22.04.2024)

[954] Kolonien (hierzu zwei Karten: „Vergleichende Darstellung des Kolonialbesitzes der europäischen Staaten“ und „Übersicht der deutschen K.“), im allgemeinen zusammenhängende Ansiedelungen, besonders solche, deren Angehörige (Kolonisten, v. lat. colonus, „Feldbauer, Ansiedler“), sei es auf Grund staatlichen Schutzes durch das Mutterland oder sei es durch eigne freie Bethätigung ihrer sozialen Lebenskraft, ihre Stammeseigentümlichkeiten, Sitten, Gebräuche etc. bewahren. Hierdurch unterscheidet sich die Koloniengründung von der Auswanderung (s. d.); die letztere kann mit der erstern verbunden sein, indem die Auswandernden in fremden Ländern K. gründen und durch ihren Zustrom kräftigen, doch können auch die Auswanderer unabhängig voneinander in fremde Staatsgemeinschaft eintreten und hier, wie z. B. viele Deutsche in Rußland, Ungarn, Amerika, ihre nationalen Eigentümlichkeiten oder doch aus Mangel an festem Zusammenhalten die Kraft, dieselben geltend zu machen, vollständig einbüßen (vgl. auch den Abschnitt über Auswanderung im Art. „Deutschland“, S. 810, und die Ergänzung dazu im „Korrespondenzblatt“ zum 6. Band). Dagegen ist es nicht gerade notwendig, daß die K. in festen Beziehungen zum Mutterland oder gar unter dessen Leitung bleiben. So bildeten die Hugenotten K. in Deutschland, die Salzburger in Preußen, man hat ferner deutsche K. in Rußland und andern Ländern. Die Kolonisten traten vollständig in den Verband des fremden Staats ein, in welchen sie einwanderten, ja oft auf Grund der Anregung und Förderung durch diesen Staat selbst.

[Innere Kolonisation.] Eine Auswanderung kommt gar nicht vor bei der innern Kolonisation, bei welcher sich Einheimische auf noch nicht bebautem, wüstem oder zu rodendem Boden im Inland niederlassen und hier neue Gemeinden bilden (Wald-, Moorkolonien). Dieses Ziel hatte die frühere Politik vorzüglich im Auge, indem sie zur Besiedelung des Landes Fremde zur Einwanderung anreizte. Die heutige Politik ist, gestützt auf sozialpolitische und politische Beweggründe, mehr darauf gerichtet, große Güter in mittlere und kleine Besitzungen zu zerlegen. Auf Grund mehrfacher Verhandlungen im Abgeordnetenhaus und im Landesökonomiekollegium wurden auch in Preußen einige Domänen zerschlagen und verkauft, ohne daß jedoch der erhoffte Erfolg erzielt wurde. Ähnlicher Art sind die Bestrebungen der 1887 in Berlin gegründeten „Gesellschaft für innere Kolonisation“,

[Ξ]

BRITISCHE KOLONIEN
NIEDERLÄNDISCHE KOLONIEN
FRANZÖSISCHE KOLONIEN
SPANISCHE KOLONIEN
PORTUGIESISCHE KOLONIEN
DÄNISCHE KOLONIEN

[955] von welcher sich zur praktischen Ausführung ihrer Absichten (Begründung von Kleinbaueransiedelungen in Norddeutschland etc.) eine engere Erwerbsgesellschaft („Gesellschaft für Kolonisation im Inland“) abgezweigt hat (vgl. Schön, Innere Kolonisation, Leipz. 1887; v. Henneberg, Die Gesellschaft für innere Kolonisation, das. 1887). In der neuesten Zeit hat Preußen begonnen, das deutsche Element in Westpreußen und Posen dem Polentum gegenüber dadurch zu stärken, daß man sich bestrebt, größere polnische Besitzungen allmählich in die Hände von Deutschen zu bringen. Durch Gesetz vom 26. April 1886 wurden zu dem Ende der Regierung 100 Mill. Mk. für den Ankauf von Grundstücken in den genannten Provinzen zur Verfügung gestellt. Diese Grundstücke werden in geeignetem Umfang an deutsche Ansiedler in Zeitpacht ausgegeben, meist aber verkauft und zwar gegen Übernahme einer festen Geldrente (daher Rentengüter genannt), welche, abweichend von den Bestimmungen des Ablösungsgesetzes vom 2. März 1850, nur mit Zustimmung beider Teile abgelöst werden kann. Auch können den Käufern vertragsmäßig verschiedene Beschränkungen im Interesse der Erhaltung der wirtschaftlichen Selbständigkeit des jeweiligen Besitzers (z. B. Teilungsbeschränkung) auferlegt werden. An Stelle des Verkaufs kann auch die Zeitpacht treten. Vgl. „Zur innern Kolonisation in Deutschland“ (in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 32, Leipz. 1886). In einem weitern Sinn wird der Begriff Kolonie aufgefaßt, wenn von Arbeiterkolonien, gemischten Arbeits- und Strafkolonien (wie z. B. die Dépots de mendicité in Belgien) die Rede ist. Die Arbeiterkolonien sind nicht immer K. in dem Sinn, daß hier beschäftigungslosen Arbeitern eine bleibende Stätte geboten werden soll, wenn ja auch ein solches Ziel durch dieselben erstrebt und verwirklicht werden kann; vielmehr haben sie in der Regel (wie z. B. die von Pastor Bodelschwingh 1882 gegründete Kolonie Wilhelmsdorf, s. Armenkolonien) den Zweck, arbeitslosen Männern so lange Beschäftigung zu geben, bis es möglich ist, ihnen anderweit lohnende Arbeit zu beschaffen (vgl. Berthold, Entwickelung der deutschen Arbeiterkolonien, Leipz. 1887). Dagegen haben die auf Anregung von van den Bosch gegründeten niederländischen Landbaukolonien Fredericksoord, Wilhelmsoord und Wilhelminaoord den Zweck, Arbeiterfamilien fest anzusiedeln. Vagabunden- und Bettlerkolonien (wie die niederländischen Strafanstalten Ommerschans und Veenhuizen) nehmen überführte Bettler zur Strafverbüßung auf; man bezeichnet sie im Gegensatz zu den Zwangsarbeitshäusern als K., weil sie auf der ihnen zugehörigen landwirtschaftlich benutzten Bodenfläche eine Art Gemeinde bilden.

[Überseeische Kolonien.] Im engsten Sinn des Wortes versteht man unter K. zusammenhängende Ansiedelungen von Zugehörigen einer Nationalität in fernen, insbesondere in überseeischen, Ländern. Solche Ansiedelungen können sich allmählich durch freien Zuzug auf bereits bewohnten oder auf noch nicht in Besitz genommenen, bez. schwach bevölkerten Ländereien bilden; sie können aber ebenso aus der staatlichen Initiative erwachsen und zwar sowohl infolge einer Eroberung (Besiegung der Eingebornen oder andrer K. besitzender Staaten) als auch infolge freien Vertrags (Verträge mit einheimischen Häuptlingen) und der einfachen staatlichen Förderung und Beschützung. K., welche zum Mutterland auch politisch in Beziehung stehen, brauchen nicht gerade staatliche Bestandteile desselben zu sein. So kann das Mutterland die Kolonisten und deren Eigentum unter seinen besondern Schutz stellen; einer thatsächlichen Einverleibung dagegen ist es gleich zu achten, wenn das Mutterland das ganze Kolonialgebiet unter sein Protektorat nimmt (Vorgehen Deutschlands in Afrika, Neuguinea etc.; s. Kolonialrecht). Wie verschieden die K. in politischer Beziehung gestellt sein können, zeigen diejenigen Englands. Dieselben sind teils Kronkolonien, das heißt K., in welchen die englische Regierung nicht allein die gesetzgebende Gewalt in der Hand hat, sondern auch die Beamten ernennt, teils K. mit politischer Selbständigkeit, parlamentarischer Verfassung und verantwortlichem Ministerium, in welchen die englische Krone nur den Gouverneur ernennt und ein Vetorecht in Sachen der Gesetzgebung hat, zum kleinen Teil endlich K., welche zwar Vertretungskörper haben, in denen aber der Krone das Recht des Vetos und der Beamtenernennung zusteht. (Vgl. Großbritannien, S. 785.) Über die neuen deutschen Erwerbungen s. unten.

Nach der Art der Kolonisation sind zu unterscheiden: 1) Ackerbaukolonien, wie Kanada, Botanybai, die Kapkolonie, Australien etc., nämlich K., in welchen die Ansiedler sich vorwiegend mit Landbau beschäftigen. Die Europäer, welche sich in jenen Ländern niederlassen, werden Landeigentümer und kehren selten in ihr Vaterland zurück. Die Bande der Verwandtschaft und alle sonstigen Verhältnisse, welche die Kolonisten an ihr Mutterland knüpften, werden immer lockerer; die Erinnerungen erlöschen, und schon nach einigen Generationen können sie zu einer eignen, dem Vaterland entfremdeten Nation erwachsen, welche nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit strebt und nicht selten dieselbe zu erkämpfen weiß, wie dies in Nordamerika der Fall war; 2) Bergwerkskolonien, in denen zunächst der Gewinn von Gold, Silber, Edelsteinen etc. beabsichtigt wird (z. B. die Niederlassungen der Spanier und Portugiesen in Westindien und Südamerika), gehen gewöhnlich und zwar, je mehr die Bergwerke ausgebeutet werden, in Ackerbaukolonien über und machen sich, wie letztere, nach und nach, wenngleich langsamer, selbständig. 3) Pflanzungskolonien (Plantagenkolonien), deren Zweck die Erzeugung gewisser in der Regel nur unter einem heißen Himmelsstrich gedeihender Pflanzen ist, wie die K. Westindiens, das südliche Nordamerika, Brasilien und teilweise auch die ehemaligen spanischen Provinzen in Südamerika, können am wenigsten des Schutzes und der Unterstützung von seiten des Mutterstaats entbehren und wachsen daher weniger leicht zu einer selbständigen Nation heran; die Pflanzer oder freien Grundeigentümer werden selten einheimisch, da sie wegen ungesunden Klimas und Unannehmlichkeiten des Lebens entweder ihre Pflanzungen durch Aufseher verwalten lassen und deren Ertrag in Europa verzehren, oder doch, nachdem sie sich ein Vermögen gesammelt, in ihr Vaterland zurückkehren. Die Plantagenarbeit wurde in diesen K. früher von eingeführten Sklaven besorgt, heute liegen ihr ebenfalls vorwiegend schwarze, bez. einheimische Arbeiter ob. 4) Handelskolonien, welche den Vertrieb der Natur- und Kunsterzeugnisse des Landes zum Zweck haben, erwuchsen aus einzelnen Faktoreien oder Handelsstapelplätzen, die nach und nach durch List oder Gewalt, Kauf oder Vertrag die Mittelpunkte großer Reiche wurden, wobei aber der Handel immer die Hauptsache blieb, der Besitz von Grund und Boden nur Mittel zum Zweck war. Der Handel in diesen K. erstreckt sich namentlich auf Kolonialwaren, so in den K. aller westindischen Inseln, [956] den Küstenplätzen des amerikanischen Kontinents, den ostindischen K., ferner auf Pelzwaren, wie in den englischen und russischen K. Nordamerikas, endlich auf Sklaven, welchen Handel insgeheim immer noch mehrere K. in Westindien, besonders aber Brasilien und spanische Besitzungen treiben. Die Europäer sind in K. dieser Art selten Landeigentümer, sondern in der Regel nur Soldaten, Beamte und Kaufleute, während die eingeborne Bevölkerung ihnen politisch unterworfen ist. Daher bildet sich hier auch nicht leicht eine Nation, indem die hier befindlichen Europäer größtenteils nur Bereicherung suchen und, wenn sie diese erlangt haben, in ihr Vaterland zurückkehren. Solche Handelskolonien werden sich da bilden, wo Europäer wegen der Ungunst des Klimas keinen dauernden Aufenthalt nehmen können. 5) Die freien Negerkolonien hatten ursprünglich den Zweck, amerikanische oder den Sklavenschiffen abgenommene Neger anzusiedeln und zu bilden, wie die von der Amerikanischen Kolonisationsgesellschaft für freie Neger (gegründet 1816 in Washington) ins Leben gerufene Republik Liberia, dann die 1787 von der Afrikanischen Gesellschaft in London gegründete, später unter englische Herrschaft gestellte Kolonie Sierra Leone. 6) Strafkolonien, wie Neukaledonien für Frankreich, sind K., nach welchen die zur Deportation verurteilten Verbrecher verbracht werden (vgl. Deportation). 7) Sogen. Relaiskolonien, Militär- und Flottenstationen, welche seefahrenden Völkern zur Ausbesserung und Verproviantierung der Schiffe dienen.

Geschichtliches.

Schon in der ältesten geschichtlich bekannten Zeit haben diejenigen Völker, welche eine ausgebreitetere Handelsthätigkeit entwickelten, zur Sicherung ihres Handels K. angelegt, so das älteste größere Handelsvolk, die Phöniker, welche an den Küsten des Mittelländischen Meers eine größere Zahl von Niederlassungen gründeten, aus denen später blühende Städte erwuchsen. Die mächtigste der phönikischen Pflanzstädte, Karthago, löste später das Mutterland ab und beherrschte, gestützt auf seine kluge Eroberungs- und Kolonialpolitik, bald das ganze Mittelländische Meer. Ein vorzügliches kolonisatorisches Talent entwickelten die Griechen, welchen die K. Unterkunftsstätten für die wachsende überschüssige Bevölkerung abgaben. In Kleinasien, an den Küsten des Schwarzen Meers, in Unteritalien („Großgriechenland“ genannt) und in dem südlichen Teil von Gallien und Spanien entstanden eine große Zahl von griechischen Niederlassungen, welche überall griechische Kultur verbreiteten. Die Griechen unterschieden zwischen K., welche von der Staatsgewalt des Mutterlandes selbst gegründet wurden und mehr oder weniger unmittelbar unter der Leitung derselben blieben (Kleruchien), und solchen, welche aus den freien Bestrebungen der Bürger hervorgingen und Apoikien genannt wurden. Meist bildeten die griechischen K. unabhängige eigne Staaten, welche als Töchter des Mutterstaats mit diesem eine Art Schutz- und Trutzbündnis eingingen. Die römische Politik war dagegen mehr eine Eroberungspolitik, die echte kolonisatorische Thätigkeit war ihr fremd. (Über die K. der Alten Welt vgl. die Artikel „Griechenland“, „Karthago“, „Rom“, dann auch „Handel“.) Nach dem Zerfall der römischen Weltherrschaft, zur Zeit der Völkerwanderung, bildeten sich wohl neue Staaten, doch konnte an Anlegung von Niederlassungen erst gedacht werden, als der internationale Verkehr sich größerer Ruhe und Sicherheit erfreute. Im Mittelalter waren es vorzüglich die Hanseaten welche im Norden Europas Faktoreien und Handelsniederlassungen gründeten, dann sind die Erwerbungen des Deutschen Ordens in Preußen sowie die Einwanderungen von Westfalen und Niederländern in Schlesien und Polen zu erwähnen. Im Süden von Europa bot sich weniger Gelegenheit für Gründung von Faktoreien und K. Die nördlichen Gestade des Mittelländischen Meers waren bereits in festen Händen von Kulturvölkern, die südlichen wurden von den den Europäern feindseligen Mohammedanern beherrscht. Die Aufschließung der Neuen Welt gab dem Kolonialwesen eine völlig veränderte Gestalt, da jetzt den Kulturvölkern der Alten Welt fast unbeschränkte Territorien zur Verfügung gestellt wurden. Nunmehr waren fast alle europäischen Staaten eifrigst bestrebt, möglichst ausgedehnte K. zu erwerben, und es entwickelte sich bald die besonders im 17. Jahrh. zur Blüte gelangte monopolistische Handels- und Kolonialpolitik, welche als Kolonialsystem bezeichnet zu werden pflegt. Dasselbe gipfelte darin, die K. möglichst zu gunsten des Mutterlandes auszubeuten. Man sperrte dieselben gegen Fremde ab, anfänglich um ihren Besitz sicherzustellen, später, als das Merkantilsystem (s. d.) sich mehr entfaltete, im Interesse der Handelspolitik. Das Streben ging vorzüglich dahin, durch entsprechende Gestaltung von Schiffahrts- und Zollpolitik ausschließlich dem Mutterland den Verkehr mit den K. zu sichern. Letztere sollten für ersteres eine dauernde Bezugsquelle von Rohstoffen und Kolonialwaren, dann ein vorteilhaftes Absatzgebiet für die eignen Industrieerzeugnisse abgeben. Den Schiffahrtsverkehr mit den K. behielt man ausschließlich der nationalen Flagge vor, indem von fremden Schiffen ein besonderer Flaggenzoll (s. d.) erhoben oder, wie 1664 in England und 1670 in Frankreich, denselben der Besuch der K. geradezu untersagt wurde. Bestimmte Häfen des Mutterlandes wurden zu Stapelplätzen erklärt, wichtigere Produkte der K. sollten nur hierher, nicht direkt nach dem Ausland verbracht werden, die Einfuhr nach den K. sollte nur über das Mutterland stattfinden. Auch wurde die Einfuhr vieler fremder Industrieerzeugnisse durch Auflegung hoher Zölle erschwert oder verboten. In den K. selbst aber wollte man eine eigne Industrie, welche mit dem Mutterland konkurrieren könnte, nicht aufkommen lassen. Deswegen wurde die Ausfuhr von Fabrikaten aus denselben durch Zölle belastet oder überhaupt untersagt, oder es wurden bestimmte industrielle Unternehmungen in den K. nicht zugelassen. Allerdings räumte man dagegen auch den K. wieder verschiedene Vorteile im Verkehr mit dem Mutterland ein, insbesondere dadurch, daß die Erzeugnisse fremder K. auf dem Markte desselben mit höhern Einfuhrzöllen belastet oder auch für die Einfuhr von Erzeugnissen der eignen K. Prämien entrichtet wurden. Weil so Mutterland und Kolonie einander gegenseitig Begünstigungen zugestanden, wurde das Kolonialsystem auch oft Kolonialvertrag (pacte colonial) genannt, ein Vertrag, der freilich mehr einseitig bestimmt und eine Art Löwenvertrag war. Das Kolonialsystem wurde, wenn auch nicht überall in der gleichen Weise, von allen Kolonialmächten durchgeführt. England bildete es besonders mit der 1651 erlassenen, 1660 und 1664 erweiterten Navigationsakte aus, Frankreich führte mit dem Reglement von 1670 eine vollständige Abschließung ein, während Spanien und Portugal schon früher einer echt monopolistischen Handelspolitik gehuldigt hatten. Eine Umgestaltung trat erst mit dem 19. Jahrh. ein. Das Verbot wurde mehr und mehr durch [957] Unterscheidungs- oder Differentialzölle (s. Zölle) verdrängt, man ließ fremde Schiffe gegen das gleiche Zugeständnis von der andern Seite (Reciprozität) zu etc. So begann man in England 1822 mit umfassendern Reformen: der Verkehr mit amerikanischen K. wird 1825 freigegeben, die Häfen von Ostindien werden mit Ausnahme der Küstenschiffahrt gegen Zoll- und Flaggenzuschläge geöffnet, 1848 werden diese Zuschläge aufgegeben, 1849 werden die letzten Reste der Navigationsakte beseitigt, und 1850 wird auch die Küstenschiffahrt freigegeben. Länger behielt Frankreich das Absperrungssystem bei; dasselbe wurde, nachdem noch 1835 die Schiffahrt zwischen Algerien und Frankreich der französischen Flagge vorbehalten worden war, erst 1861 aufgegeben. Allerdings wurden nicht alle Zollbegünstigungen beseitigt, wie denn auch Spanien und Holland an Unterscheidungszöllen und Flaggenzuschlägen bis in die neueste Zeit festgehalten haben.

Unter allen Völkern besaßen die Spanier einst die größten und reichsten Besitzungen. Dieselben wurden in echt büreaukratisch-merkantilistischem Geist von eignen Vizekönigen und Generalkapitänen verwaltet. Religiöse Unduldsamkeit, Bevorzugung der Spanier vor Einheimischen und Kreolen sowie die Sucht, die K. bei strengem Absperrungssystem in einseitiger Weise für Spanien auszubeuten, hatten zur Folge, daß die Länder des amerikanischen Festlandes, welche unter spanischer Herrschaft standen, die letztere Anfang des 19. Jahrh. abschüttelten.

Portugal war einst eine Kolonialmacht allerersten Ranges. Beherrschte es doch die Küsten von Marokko bis China mit seinen Flotten, und in Südamerika besaß es Ländereien von über 2 Mill. qkm Flächengehalt. Doch wurde Brasilien 1822 vom Mutterland losgelöst, nachdem schon früher wichtige K. von den Spaniern, Niederländern und Engländern weggenommen worden waren.

Die Niederlande nehmen heute als Kolonialstaat unbestritten die zweite Stelle ein, und doch haben sie von ihrem frühern ausgedehnten Besitz viel eingebüßt. Vor dem Ende des 17. Jahrh. zählte Holland zu seinen Besitzungen: New York und Nordbrasilien, Ceylon, das Kapland, Guayana, mehrere Antillen, fünf verschiedene Regentschaften unter einer Handelsgesellschaft im Indischen Archipel, Faktoreien an den Küsten von Koromandel und Malabar, in China und Japan. Hatten die Niederländer früher viele ihrer K. den Portugiesen und Spaniern abgenommen, so gingen sie später eines großen Teils derselben im Kampf gegen England verlustig. Doch ist ihnen immerhin noch ein bedeutender Besitz verblieben. Als besonders bemerkenswert ist das 1830 durch den Generalgouverneur van den Bosch auf Java eingeführte „Kulturstelsel“ zu erwähnen. Grund und Boden wird als Eigentum des Herrschers betrachtet und zwangsweise bewirtschaftet. Die Javaner haben außer den ihnen zum Hauptunterhalt gewährten Reisfeldern eine gewisse Anzahl Kronländereien mit Kolonialpflanzen: Kaffee, Zucker, Indigo, Gewürzen, nach Vorschrift zu bebauen und den Ertrag gegen ein bestimmtes Entgelt an die Regierung abzuliefern. Dieser Kulturzwang hat, trotzdem er einen großen Aufwand für Verwaltung und bewaffnete Macht erfordert, der Staatskasse bedeutende Reineinnahmen abgeworfen. In neuerer Zeit wird er von den Liberalen bekämpft, welche meinen, daß auch die Javaner die Lust zu freithätiger Arbeit gewinnen würden, sobald ihnen die Früchte derselben sichergestellt seien. Dagegen behaupten die Konservativen, daß nur durch Zwang die Kultur in Java aufrecht erhalten werde, weil die sich selbst überlassenen Eingebornen ihre Thätigkeit sehr bald auf die Deckung des notwendigsten Lebensbedarfs beschränken würden.

Als tüchtiges Kolonialvolk haben sich die Engländer erwiesen. Sie hatten frühzeitig erkannt, daß dem fruchtbaren Boden weit wichtigere Reichtümer abzugewinnen sind als den Gold- und Silberminen, welchen Spanier und Portugiesen nachjagten. Allerdings war die englische Kolonialpolitik im 17. Jahrh. eine ebenso monopolistisch-engherzige wie die der übrigen Kolonialstaaten, und war derselben auch im wesentlichen der Abfall der nordamerikanischen Freistaaten zu verdanken; doch hat England diese Politik am frühsten aufgegeben. Für den Verlust von Nordamerika fand es Ersatz im Süden von Afrika, von Asien und in Australien. Die heutigen britischen K. und Besitzungen in allen fünf Erdteilen lassen sich in drei Gruppen unterbringen. Zu der ersten gehören die eigentlichen K. (Ackerbaukolonien), deren Gedeihen auf europäischer Einwanderung, auf Ackerbau, Viehzucht, Bergbau, den Anfängen der Industrie beruht, und die mit dem Mutterland einen lebhaften Austausch von Produkten betreiben. Solche K. sind: Britisch-Amerika, Australien und Neuseeland, die Kapkolonie mit Natal und die Südafrikanische Republik (Transvaal). Die zweite Gruppe bilden die K. (Plantagenkolonien), in denen unter der Leitung von Europäern und durch die Arbeit untergeordneter, an das Klima besser angepaßter Rassen tropische Kulturen, wie Zucker- und Kaffeebau, betrieben werden. Dahin müssen gerechnet werden: Indien, Ceylon, Mauritius, die meisten westindischen Inseln, die Besitzungen in Zentral- und Südamerika, die Fidschigruppe. In dritter Linie folgen die rein militärischen oder maritimen Stationen, welche teils den lokalen Handel, teils die großen Welthandelsstraßen sichern sollten, um eine Verbindung zwischen Mutterland und K. stets offen zu halten. Solche Stationen sind: die Bermudasinseln, Gibraltar, Malta, Cypern, Perim und Aden, Pinang und Singapur, Hongkong, Ascension und St. Helena, die Besitzungen an der westafrikanischen Küste, die Falklandinseln und Helgoland. Zur Hebung und teilweisen Reorganisation der britischen K., besonders hinsichtlich ihrer Verwaltung, ihrer Stellung zum Mutterland und zu fremden Mächten etc., trat im April 1887 eine Kolonialkonferenz in London zusammen. Vgl. Vogel, Das britische Kolonialreich, geographisch, geschichtlich und statistisch beschrieben (Berl. 1886); Bonwick, The British colonies and their resources (Lond. 1886), und den offiziellen „Statistical abstract for the several colonial and other possessions of the United Kingdom“ (zuletzt 1886).

Auch die Franzosen besaßen im 17. Jahrh. in Asien und Amerika bedeutende Besitzungen, und die von ihnen gegründeten Städte, wie Quebec, New Orleans und St. Louis, bekunden noch jetzt, daß die Annahme, den Franzosen gehe jedes Kolonisationstalent ab, eine übertriebene ist. Besonders zur Zeit Ludwigs XIV. waren sie eifrig bestrebt, ihren Kolonialbesitz immer weiter auszudehnen. Später verloren sie infolge politischer und kriegerischer Verwickelungen in Europa (Revolution, Kaiserreich) einen großen Teil derselben an die Engländer. Nach den Verlusten des letzten Kriegs ist jedoch Frankreich eifrig bestrebt, seine auswärtigen Besitzungen auf dem Weg des Vertrags (Afrika) oder auf dem der Eroberung (Anam, Madagaskar, Tongking) zu erweitern. Vgl. Vignon, Les colonies françaises (Par. 1885); Rambaud, La France coloniale (2. Aufl., [958] das. 1887); Lanessan, L’expansion coloniale de la France (das. 1886), und die jährlich erscheinenden offiziellen „Statistiques coloniales“.

Dänemark verlor den größten Teil seines unbedeutenden Kolonialbesitzes in den Kriegen Napoleons I. an England, es verkaufte 1845 Trankebar und Serampur an die Ostindische Kompanie, 1849 die Besitzungen an der Goldküste an England, 1848 gab es die Nikobaren auf. Von seinen Nebenländern ist Island kaum zur Hälfte (42,068 qkm) bewohnbar und von Grönland nur der gletscherlose Teil, von den Färöern sind 17 Inseln bewohnbar.

Italien hatte 1881 die Assabbai am Roten Meer (632 qkm, wovon 579 auf das Festland, 53 auf die Inseln entfallen) mit 1300 Einw. erworben. Schweden hatte nur eine kleine Kolonie, die Insel St.-Barthélemy, welche 1877 an Frankreich abgetreten wurde. Gegenwärtig beträgt der auf beifolgender Karte vergleichend dargestellte Kolonialbesitz der europäischen Staaten mit Ausschluß von Deutschland:

Staaten Fläche
QKilom.
Jetzige Be­völkerung Besitz vor 60 Jahren mit einer Be­völkerung von
Großbritannien 19820919 214086856 125000000
Niederlande 1980184 28601924 6643300
Frankreich 1331325 9632534 460000
Spanien 436396 8105932 22500000
Portugal 1828456 3737045 6800000
Dänemark 194577 127100 80000
Italien 632 1300
Zusammen: 25592489 264292691 161483300

Eine ausführlichere Zusammenstellung der K. dieser Länder gibt die statistische Übersicht zu unsrer Karte.

Die Kolonialbestrebungen in Deutschland.

Deutschland besaß bis zur neuesten Zeit gar keine K. Zwar hatte der Große Kurfürst von Brandenburg an der Goldküste in Afrika einen Kolonisationsversuch angestellt, doch wurde derselbe bald wieder aufgegeben (s. Guinea, S. 916). Trotzdem, daß Deutschland alljährlich viele Tausende von Auswanderern übers Meer ziehen ließ, gestattete ihm die Gestaltung der politischen Verhältnisse nicht, K. anzulegen und zu behaupten. Man beschränkte sich im wesentlichen darauf, den Auswanderern staatliche und private Fürsorge angedeihen zu lassen. Eine erhebliche Änderung trat in dieser Beziehung nach dem französischen Krieg ein, als das Deutsche Reich nach außen hin eine größere Macht entfaltete. Zwar gab es in Deutschland schon früher unter den Auswanderungsvereinen (s. Auswanderung, S. 159) auch Kolonisationsgesellschaften, d. h. Vereine, welche sich nicht auf die Fürsorge für den einzelnen Auswanderer beschränkten, sondern welche daneben auch die Kolonisation ins Auge faßten und deswegen sich bestrebten, den Auswandererstrom nach bestimmten Gebieten hinzulenken, so schon 1683 eine Gesellschaft in Frankfurt a. M., welche die erste deutsche größere Auswanderung unter der Leitung von Pistorius nach Pennsylvanien lenkte, dann mehrere in den 40er Jahren gegründete Gesellschaften. Diese Vereine, von denen nur noch der 1849 in Hamburg gegründete Kolonisationsverein für Südbrasilien besteht, trugen meist einen gemeinnützigen, philanthropischen Charakter, sie wollten Armen und Arbeitslosen ein Unterkommen verschaffen, während eine Kolonie Intelligenz, Thatkraft und auch Kapital verlangt. Teils infolge dieses Umstandes, teils auch weil keine politische Macht im Hintergrund der Vereine stand, war die Wirksamkeit derselben meist erfolglos. Nach 1870 machte sich mehr das Bestreben geltend, Kraft und Kapital der Auswanderer dahin zu lenken, wo sie dem Mutterland dauernd ersprießliche Dienste leisten könnten. Die deutschen Ansiedelungen sollten, auch wenn sie nicht gerade Deutschland politisch einverleibt würden, doch möglichst als geschlossenes Ganze erhalten werden, welches seine nationalen Eigentümlichkeiten bewahre, die dann eine sichere Grundlage eines dauernden wirtschaftlichen Verkehrs mit dem Heimatsland bilden würden. Vorerst sollten auf privatem Weg Faktoreien und Ansiedelungen gegründet und diese unter deutsche Schutzherrschaft gestellt werden. Diese Ideen fanden insbesondere Vertretung bei dem 1882 in Frankfurt a. M. gegründeten Deutschen Kolonialverein; Sitz desselben ist Berlin. Der Verein, welcher 1887: 114 Zweigvereine zählte, stellt sich die Aufgabe, das Verständnis der Notwendigkeit, die nationale Arbeit der Kolonisation zuzuwenden, in immer weitere Kreise zu tragen, für die darauf gerichteten Bestrebungen einen Mittelpunkt zu bilden und eine praktische Lösung der Kolonisationsfrage anzubahnen. Organ desselben ist seit 1884 die „Deutsche Kolonialzeitung“. Um praktische Kolonisation zu treiben, wurde Anfang 1884 die Gesellschaft für deutsche Kolonisation (Sitz in Berlin) begründet. Dieselbe bezweckt: Begründung von deutsch-nationalen K., Unterstützung deutscher Kolonisationsunternehmungen (vornehmlich Deutsch-Ostafrikas, welches die Gesellschaft erwarb), Hinlenkung der deutschen Auswanderung in geeignete Gebiete und Förderung deutsch-nationaler Interessen. Sie veranlaßte Mitte September 1886 den in Berlin abgehaltenen allgemeinen deutschen Kongreß. Die Gesellschaft besitzt zahlreiche Abteilungen in Deutschland; ihr Organ ist die „Kolonialpolitische Korrespondenz“. Ähnliche Aufgaben haben sich gesetzt: der 1878 in Berlin gegründete Zentralverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Ausland, dessen Organ, der „Export“, sich insbesondere die Hebung des deutschen Handels zur Aufgabe gestellt hat, der Westdeutsche Verein für Kolonisation und Export zu Düsseldorf, jetzt Zweigverein des Deutschen Kolonialvereins, die im Februar 1887 einer Neubildung unterworfene „Deutsche Ostafrikanische Gesellschaft“ (s. d.) mit dem Sitz in Berlin, die Deutsch-Westafrikanische Kompanie, ebenfalls in Berlin, die Südwestafrikanische Gesellschaft, die Deutsche Südwestafrikanische Kompanie, der Verein zur Förderung deutscher Interessen in Südafrika, die Südamerikanische Kolonisationsgesellschaft in Leipzig, der Leipziger Verein für Handelsgeographie etc. Die deutsche Reichsregierung entschloß sich, nachdem der Reichstag 1880 die Samoavorlage abgelehnt hatte, erst 1884 dazu, die Unternehmungen hanseatischer Kaufhäuser und von Kolonialvereinen unter ihren Schutz zu nehmen und deren Erwerbungen gegen fremde, besonders britische, Anfechtungen zu verteidigen. Dies geschah zuerst bei der Handelsniederlassung des Bremer Hauses Lüderitz in Angra Pequena, dann in Camerun und Togoland, 1885 in Neuguinea und Ostafrika. Dem Geschick des Reichskanzlers gelang die friedliche Verständigung mit England und Frankreich über die Abgrenzung der deutschen Gebiete, während der Sultan von Sansibar durch eine Flottendemonstration zum Verzicht auf seinen Einspruch veranlaßt wurde. Die neuen deutschen K. sind teils Kronschutzgebiete, welche unmittelbar durch Beamte des Kaisers (Reichskommissare) auf Kosten des Reichs regiert werden (Togoland

[Ξ]

DEUTSCHE KOLONIEN.
Die hier angewandte Mollweid’sche Gradnetzprojektion ermöglicht ihrer Flächentreue wegen einen richtigen Größenvergleich zwischen dem Mutterlande und den Kolonien.

[959] und Camerun an der Guineaküste, der Küstenstrich von Kap Frio bis zum Oranjefluß in Südwestafrika, die Gebiete der Marshall-, Brown- und Providenceinseln in Polynesien), teils Gesellschaftsschutzgebiete, so das Gebiet der Deutschen Ostafrikanischen Gesellschaft und das der Neuguineakompanie (die Inselgruppen Neubritannien und Neuirland, genannt Bismarck-Archipel, und das Kaiser Wilhelms-Land auf Neuguinea), über welche Schutzbriefe des deutschen Kaisers die Landeshoheit verliehen haben (vgl. Kolonialrecht). Näheres über die deutschen K. enthält das Textblatt zu den beifolgenden Übersichtskarten der K.

Die Anschauungen über die Bedeutung und die Vorteile der K. sind geteilt, wenn auch in neuerer Zeit sich in Deutschland ein Umschwung zu gunsten der Gründung von K. vollzogen hat. Die Gegner der K. weisen darauf hin, daß dieselben dem Mutterland oft mehr Opfer an Geld und Blut gekostet haben, als sie ihm eintrugen. Außerdem machte man geltend, daß, nachdem das Kolonialsystem aufgegeben worden sei, Deutschland mit fremden K. unter den gleichen Bedingungen Verkehr pflegen könne wie das Mutterland. Aufgabe eines jeden Staats sei es, seine innern Verhältnisse möglichst befriedigend zu ordnen und nach außen nur Frieden und einen ungehemmten Verkehr zu suchen. Diese Ansichten fanden freilich in der praktischen Kolonialpolitik bis jetzt wenig Anerkennung. Länder, welche durch wirtschaftliche und politische Verhältnisse in die Lage versetzt waren, K. zu gründen und zu erhalten, haben sich hiervon nicht abschrecken lassen, und in der neuesten Zeit wetteifern europäische Länder miteinander, auswärtige Besitzungen zu erwerben. Hierbei spielen freilich nationaler Wetteifer und Nationalstolz auch eine Rolle, im wesentlichen aber ist der treibende Gedanke echt wirtschaftlicher Natur. Die Auswanderer finden in einer Kolonie unter Landsleuten leichter einen förderlichen Boden für ihre Bestrebungen als unter Fremden. Und wenn die Kolonie ihren Charakter bewahrt, so sind die Bedingungen für einen dauernden Verkehr mit dem Mutterland jedenfalls günstiger als unter sonst gleichen Umständen für einen Verkehr mit fremden Völkern, unter denen die frühern Angehörigen des Landes und deren Abkömmlinge zerstreut wohnen und allmählich ihre Nationalität vollständig abstreifen. Sind wirtschaftlicher Sinn und Unternehmungsgeist vorhanden, so können, wie dies gerade zahlreiche Unternehmungen deutscher Handelshäuser beweisen, auch vorteilhafte Handelsverbindungen mit Fremden unterhalten werden, ohne daß Kolonialpolitik getrieben wird. Eine noch festere Stütze aber erhält der Handel, wenn der Europäer in überseeischen Ländern der gewohnten Sprache, heimischen Gebräuchen und Sitten in Konsumtion und Lebensweise begegnet. Von diesem Gesichtspunkt aus hat man denn auch vorgeschlagen, wenn keine Gebiete mehr zu erwerben seien, die unter die Oberhoheit des Deutschen Reichs gestellt werden könnten, möglichst dahin zu streben, daß ein großer Teil der vielen Tausende von Deutschen, die alljährlich das Vaterland verlassen, sich bestimmten Territorien zuwende, wo ihre Anzahl, vermehrt um den sich immer erneuernden Zustrom aus der Heimat, eine Bürgschaft für Schaffung und Erhaltung von deutschen K. bilde.

Vgl. Merivale, Lectures on colonisation and colonies (2. Aufl., Lond. 1861); Roscher, K., Kolonialpolitik und Auswanderung (3. Aufl. mit Jannasch, Leipz. 1885); Leroy-Beaulieu, De la colonisation chez les peuples modernes (3. Aufl., Par. 1887); Moldenhauer, Erörterungen über Kolonial- und Auswanderungswesen (Frankf. a. M. 1878); Fabri, Bedarf Deutschland der K.? (Gotha 1879); E. v. Weber, Die Erweiterung des deutschen Wirtschaftsgebiets (Leipz. 1879); Hübbe-Schleiden, Äthiopien. Studien über Westafrika (Hamb. 1879); Derselbe, Überseeische Politik (das. 1881); Jung, Deutsche K., (2. Ausg., Leipz. 1885); H. Wagner, Über Gründung deutscher K. (Heidelb. 1881); Deckert, Die Kolonialreiche und Kolonisationsobjekte der Gegenwart (Leipz. 1884); Charpentier, Entwickelungsgeschichte der Kolonialpolitik des Deutschen Reichs (Berl. 1886); Baumgarten, Die deutschen K. und die nationalen Interessen (das. 1887); Ring, Deutsche Kolonialgesellschaften (das. 1887); Koschitzky, Deutsche Kolonialgeschichte (Leipz. 1887), und die bei Kolonialrecht angeführten Schriften. Von Zeitschriften sind außer den bereits erwähnten Vereinsorganen noch anzuführen: „Revue coloniale internationale“ (hrsg. von Kan u. a., Amsterdam 1885 ff.); „Deutsche Weltpost“ (seit 1883, Berl.); „Deutsche Konsulatszeitung“ (seit 1882, das.); „Jahrbuch der deutschen Kolonialpolitik“ (das. 1887).

[Ξ]
Der Kolonialbesitz der europäischen Staaten.
I. Allgemeine Übersichten.
Anteil der kolonisierenden Nationen an dem Areal der einzelnen Erdteile.
  Gesamt­areal
QKilom.
Britisch
QKilom.
Franzö­sisch
QKilom.
Nieder­ländisch
QKilom.
Portu­giesisch
QKilom.
Spanisch
QKilom.
Deutsch
QKilom.
Dänisch
QKilom.
Italie­nisch
QKilom.
Europa 9885423 314956 528572 33000 91260 497244 540599 144420 286588
Asien 44572250 4476218 525608 1664606 19666 296182
Afrika 29909444 1235656 2239906 1806365 9508 ? 632
Amerika 38389210 9225233 124506 120451 128148 88459
Australien 8953727 8237373 23704 382140 2590 251350
Summa: 131710054 23489436 3442268 2200197 1917291 933672 ? 232879 287220
Anteil der kolonisierenden Nationen an der Bevölkerung der einzelnen Erdteile.
  Gesamt­bevölk. Britisch Franzö­sisch Nieder­ländisch Spanisch Portu­giesisch Deutsch Dänisch Italie­nisch
Europa 337354000 35418539 37672048 4336012 16961742 4575955 46844926 1969039 29699785
Asien 800000000 263945968 18568194 27682912 5820116 849553
Afrika 206000000 3632706 9457228 385152 4134432 ? 1303
Amerika 101000000 6356443 383132 120451 2275997 43544
Australien 5000000 3880849 79109 250000 44665 398000
Total: 1449354000 313234505 66963211 32384901 25487672 9559940 ? 2012583 29701088
Das Verhältnis des Mutterlandes zu den Kolonien.
  Areal in Quadrat­kilom. Verhältnis des Mutter­landes zur Kolonie Bevölkerung Verhältnis des Mutter­landes zur Kolonie
Mutter­land Kolonien Mutter­land Kolonien
England 314956 23174480 1:73 35418539 277815966 10:79
Niederlande 33000 2167197 1:65 4336012 28048889 10:65
Frankreich 528572 2913696 2:11 37672048 29291163 13:10
Portugal 91260 1826031 1:20 4575955 4983985 10:11
Spanien 497244 436428 8:70 16961742 8525930 2:10
Dänemark 144420 88459 7:30 1969039 43544 46:10
Italien 286588 632 453:10 29699785 1303 22846:10

Deutschland läßt sich bei der noch ganz unbestimmten Ausdehnung seiner afrikanischen Gebiete nicht zum Vergleich heranziehen. Dieselben sind indes von so bedeutender Größe und, was namentlich den östlichen Teil derselben anlangt, so stark bevölkert, daß ihm nach beiden Richtungen hin eine hohe Stelle unter den kolonisierenden Staaten Europas gebühren müßte.

II. Die Kolonien und Schutzgebiete europäischer Staaten.
I. Kolonien: QKilom. QMeilen Bevölk. Jahr
Groß­britannien.        
Cypern 9601,0 174,00 186173 1881
Britisch-Indien 2260665,0 41056,00 198700079 1881
Ober-Birma 492000,0 8935,00 4000000
Ceylon 63976,0 1162,00 2781618 1883
Anda­manen 6497,0 118,00 20628 1881
Niko­baren 1772,0 32,00 5500
Aden 171,0 3,10 34711 1881
Perim 11,8 0,20 149 1881
Moscha 1,1 0,02 ?
Kamaran 165,0 3,00 ?
Keelings­inseln 22,0 0,40 400
Straits Settle­ments 3742,0 68,00 598000 1885
Hong­kong 83,0 1,50 190594 1885
Nord­borneo 57000,0 1035,00 150000
Labuan 78,0 1,40 6298 1881
Kuria Muria-Inseln 55,0 1,00
Asien: 2895840,0 52591,60 206654184
Gambia 179,0 3,20 14150 1881
Sierra Leone 2600,0 47,00 60546 1881
Gold­küste 48648,0 883,00 651000 1884
Lagos 2768,0 50,00 87165 1883
St. Helena 122,0 2,20 5085 1883
Ascen­sion 88,0 1,60 300 1881
Tristan da Cunha 116,0 2,10 94 1886
Kap­kolonie 593483,0 10778,00 1252347 1885
Walfisch­bai 1250,0 23,00 800 1885
Natal 48560,0 882,00 443639 1885
Mauritius 2655,0 48,00 361404 1885
Neu-Amsterdam u. St.-Paul 73,0 1,30
Afrika: 700542,0 12722,40 2876530
Dominion of Canada:        
 Ontario u. Quebec 875268,0 15895,80 3491880 1885
 Neu­braun­schweig 70762,0 1285,10 336702 1885
 Neu­schott­land 56280,0 1022,10 463640 1885
 Manitoba 190927,0 3467,40 65954 1881
 Prinz Edward-Ins. 5524,0 100,30 115476 1885
 Brit.-Columbia u. Vancouver-Insel 1010950,0 18360,00 49459 1881
 Nordwest­territor. 6612877,0 120100,00 56446 1881
Neu­fundland 110670,0 2010,00 197332 1884
Bermudas 50,0 0,90 15036 1885
Honduras 19585,0 355,70 27452 1881
Bahama­inseln 13960,0 253,70 43521 1881
Turks­inseln 25,0 0,45 4732 1881
Caicos­inseln 550,0 10,00 46 1881
Jamaica 10859,0 197,00 596383 1885
Caymans­insel 584,0 10,60 2400 1871
Windward Islands:        
 Santa Lucia 614,0 11,10 41381 1885
 St. Vincent 381,0 6,90 43039
 Barbados 430,0 7,80 171860 1881
 Grenada 430,0 7,80 46424 1885
 Tobago 295,0 5,30 19363
Leeward Islands:        
 Virgin­inseln 165,0 3,00 5287 1881
 St. Chris­topher 176,0 3,20 41001 1884
 Nevis 118,0 2,10
 Anguilla 91,0 1,60 3219 1881
 Antigua u. Barbuda 440,0 8,00 34964 1881
 Mont­serrat 83,0 1,50 11097 1885
 Dominica 754,0 13,70 28840 1884
Trinidad 4544,0 82,50 171914 1885
Britisch-Guayana 221243,0 4018,00 270042 1885
Falkland­inseln 12532,0 227,60 1553 1881
Süd­georgia 4066,0 73,80
Amerika: 9225233,0 167540,00 6356443
[Ξ]
I. Kolonien: QKilom. QMeilen Bevölk. Jahr
Neusüdwales 800730,0 14542,00 1030762 1886
Victoria 227610,0 5950,00 1033052 1886
Queensland 1730630,0 31430,00 343768 1886
Südaustralien 2339775,0 42492,00 312439 1886
Westaustralien 2527530,0 45903,00 40084 1886
Tasmania 68309,0 1241,00 137211 1886
Neuseeland 270392,0 4911,00 630798 1886
Norfolkinsel 44,0 0,80 662 1884
Aucklandinseln 509,0 9,00
Lord Howe-Insel 8,3 0,15 65 1880
Kermadecinseln 55,0 1,00
Karolineninseln 5,5 0,10
Fidschi 20807,0 378,00 127279 1885
Rotumah 36,0 0,60
Starbuck 3,0 0,05
Malden 89,0 1,60 79 1876
Fanning 40,0 0,70 150 1858
Australien: 7986573,0 145044,00 3656349
Kolonien: 20808188,0 377898,00 219543506
II. Schutzstaaten:        
Einheim. Staaten in Indien 1526478 27723,00 56997784 1881
Perak, Salangor, Sungei Ujong, Negri Sembilan und Dschohor 53900 979,00 294000
Asien: 1580378 28702,00 57291784
Basutoland 26665 484,00 128176 1875
Betschuanenland 477835 8678,00 478000
Pondoland 9324 169,00 150000
Zulureserve 21290 387,00 ?
Afrika: 535114 9718,00 756176
Neuguinea 229100 4161,00 137500
Salomoninseln 21700 394,10 87000
Australien: 250800 4555,10 224500
Schutzstaaten: 2366292 42975,00 58272460
Britische Kolonien u. Schutzstaaten: 23174480 470873,00 277815966

Hierbei sind die Nigerdistrikte nicht inbegriffen, welche das ganze Mündungsgebiet von der Ostgrenze von Lagos bis zur Westgrenze der deutschen Kolonie Camerun sowie die Uferlandschaften des Niger aufwärts bis Sa und die des Binuë bis Jola umfassen. Die Konferenz zu Berlin sicherte England, das durch die National African Company den ganzen dortigen Handel beherrscht, dieses große Gebiet. Doch ist allen Nationen wie beim Congo Schiffahrts- und Handelsfreiheit auf diesem untern Teil des Niger zugesichert; eine gleiche Verpflichtung übernahm Frankreich für den obern Fluß, soweit derselbe bereits unter seinem Protektorat steht oder in Zukunft etwa stehen sollte.

Frankreich.
I. Kolonien: QKilom. QMeilen Bevölk. Jahr
Indien 508 9,0 275261 1885
Kotschinchina 59800 1086,0 1792933 1885
Tongking 90000 1635,0 9000000
Asien: 150308 2730,0 11068194
Algerien 667000 12113,0 3360000 1881
Senegal 290000 5267,0 138391 1885
Südliche Flüsse 44846 1885
Gold- und Sklavenküste 24000 436,0 630000
Gabun 540000 9807,0
Réunion 2512 46,0 179639 1885
Mayotte 366 6,6 10049 1885
Nossi Bé 293 5,7 11299 1885
Ste.-Marie de Madagascar 165 3,0 7634 1885
Obok 6000 109,0 22370 1884
Afrika: 1530336 27793,3 4404228
St.-Pierre et Miquelon 235 4,0 6300 1885
Guadeloupe 1870 34,0 181098 1885
Martinique 988 18,0 169232 1885
Guayana 121413 2205,0 26502 1885
Amerika: 124506 2261,0 383132 1885
Neukaledonien 19950 362,0 56463 1885
Uea (Wallis) 96 1,7 3500
Tahiti und Dependenzen 3658 66,0 22646 1885
Ozeanien: 23704 429,7 82609
Kolonien: 1828854 33212,0 16738163
II. Schutzstaaten:        
Kambodscha 100000 1816,0 1500000
Anam 275300 5000,0 6000000
Asien: 375300 6816,0 7500000
Tunis 116000 2107,0 1500000
Madagaskar 591964 10750,0 3500000
Komoren 1606 29,0 53000
Afrika: 709570 12886,0 5053000
Schutzstaaten: 1084870 19702,0 12553000
Franz. Kolonien u. Schutzstaaten: 2913696 52916,0 29291163
Niederlande.
Kolonien: QKilom. QMeilen Bevölk. Jahr
Java u. Madura 132713 2410,2 21467445 1885
Sumatra 406706 7386,2 2729418 1885
Riau 45449 825,4 94905 1885
Bangka 13059 237,0 73799 1885
Billiton 6552 119,0 34079 1885
Borneo 516143 9373,7 917889 1885
Celebes 188155 3417,1 607148 1885
Amboina 49017 890,2 253234 1885
Ternate 238956 4339,7 109947 1885
Timor 57409 1042,6 34471 1885
Bali und Lombok 10462 190,0 1360577 1885
Asien: 1664606 30231,1 27682912 1885
Guayana 119321 2167,0 72533 1884
Curassao 1130 20,5 43444 1884
Amerika: 120451 2187,5 115977
Westhälfte von Neuguinea 382140 6940,0 250000
Australien: 382140 6940,0 250000
Niederl. Kolonien: 2167197 39358,6 28048889
Portugal.
Kolonien: QKilom. QMeilen Bevölk. Jahr
Goa und Zubehör 3270,0 59,0 419993 1881
Daman und Gebiet 80,0 1,4 48838 1881
Insel Din u. Gogola 5,0 0,1 12636 1881
Macao und Zubehör 11,7 0,2 68086 1878
Timor und Cambing 16300,0 296,0 300000
Asien: 19666,0 356,7 849553
Madeira 815,0 15,0 133955 1882
Kapverdische Inseln 3851,0 70,0 107026 1883
Guinea 69,0 1,2 6518 1882
St. Thomas 929,0 17,0 18266 1878
Principe 151,0 2,7 2622 1878
Angola 809400,0 14700,0 2000000
Mosambik 991150,0 18000,0 2000000
Afrika: 1806365,0 32805,9 4134432
Portug. Kolonien: 1826031,0 33162,6 4983985

Außerdem hat Portugal das Protektorat übernommen über den zwischen den französischen Gebieten Grand Povo und Porto Novo gelegenen Küstenstrich an der Sklavenküste und damit zugleich über das Königreich Dahomé, das Hinterland dieser Küste. Weder Areal noch Bevölkerung dieses Protektorats lassen sich angeben.

[Ξ]
Spanien.
Kolonien: QKil. QMeil. Bevölk. Jahr
Philippinen 293726 5334,0 5745116 1879
Suluinseln 2456 44,6 75000
Asien: 296182 5378,6 5820116
Presidios in Marokko 35 0,6 12170 1884
Kanarische Inseln 7273 132,0 304326 1884
Fernando Po, Annobom, Corisco, Eloby und das Territorium von San Juan 2200 40,0 68656 1885
Afrika: 9508 172,6 385152
Cuba 118833 2158,0 1521684 1880
Puerto Rico 9315 169,0 754313 1880
Amerika: 128148 2327,0 2275997
Marianen 1140 20,7 8665 1877
Karolinen 700 12,7 22000
Palau 750 13,6 14000
Australien: 2590 47,0 44665
Spanische Kolonien: 436428 7925,2 8525930

Außerdem gehört Spanien noch an der Südwestküste von Marokko der Hafen Ifni oder Santa Cruz de Mar Pequena, den es bereits 1507–27 besessen, und dessen Besitz ihm der mit Marokko 1860 geschlossene Friede abermals zugesichert hatte. Es hat davon aber erst kürzlich Besitz ergriffen, ebenso wie von der Westküste der Sahara zwischen Kap Bojador im N. und Kap Blanco im S., wo einige Fischereistationen von Spaniern seit längerer Zeit bestehen.

Dänemark.
Kolonien: QKil. QMeil. Bevölk. Jahr
Grönland 88100,0 1600,0 9781 1883
Ste.-Croix 218,3 4,0 18430 1880
St. Thomas 86,2 1,6 14389 1880
St. John 54,4 1,0 944 1880
Summa: 88459,0 1606,6 43544
Italien.
Assabbai 632,0 5,5 1303 1881

Das Gebiet von Assab steht unter der vollen Souveränität Italiens. Außerdem beansprucht Italien den ganzen Küstenstrich am Roten Meer von Massaua bis zur Straße Bab el Mandeb, wo es an die französische Kolonie Obok stößt, mit den Hafenplätzen Edd, Hamfilah und der Gruppe der Dahlakinseln. Militärisch besetzt sind seit 1885 Beilul, Arafali, Makalille, Arkiko, ferner Massaua und eine Anzahl Posten in der Umgebung und auf der Straße nach Abessinien. Das Sultanat Raheita südlich von Assab steht unter italienischem Protektorat, ebenso Hauakil, Mader, Edd.

Deutschland.

Die in den Jahren 1884–1886 unter deutschen Reichsschutz gestellten Gebiete in Afrika und Ozeanien werden teils unmittelbar durch einen Gouverneur und durch Reichskommissare regiert, teils durch Beamte der betreffenden Gesellschaften. Zu der ersten Kategorie gehören sämtliche deutsche Erwerbungen an der westafrikanischen Küste, zu der zweiten Ostafrika und die Nordostküste Neuguineas nebst dem Bismarck- (Neubritannia-) Archipel und die nördlichen Salomoninseln.

I. Kronschutzgebiete.

Togo, an der Sklavenküste von Westafrika (s. Karte bei ‚Guinea‘) zwischen 1°10′ (New Sierra Leone) und 1°30′ östl. L. v. Gr. (Gum Koffi), im S. vom Golf von Guinea bespült, im N. noch nicht abgegrenzt, mißt ca. 1300 qkm (23,6 QM.) und hat etwa 40,000 Einw., durchweg Neger, die an der Küste ausschließlich Handel treiben, im Innern kunstreiche Gefäße, Leder und Zeuge fertigen. Auf dem schmalen Küstenstreifen am Meer liegen die Handelsplätze Lome, Bagida und Porto Seguro, an der sich dahinter ausbreitenden großen Lagune die Hauptstadt Togo mit 3000 und das heilige Be mit 2000 Einw. Das Gebiet wurde Ende 1884 unter deutschen Schutz gestellt, der deutsche Reichskommissar hat seinen Sitz in Bagida.

Camerun oder das Guineagebiet (s. das Textkärtchen, Bd. III, S. 758) wurde 14. Juli 1884 unter deutschen Sehutz gestellt; es erstreckt sich an der Bai von Benin vom Rio del Rey im N. bis zum Campofluß im S. Nach dem Innern zu ist die Grenze des Gebiets nur insoweit bestimmt, daß dieselbe im N. vom Rio del Rey ziemlich nördlich zum Altcalabar läuft und ihn gerade da trifft, wo er aufhört, schiffbar zu sein, und sich dann in nordwestlicher Richtung zum Binuë bei Jola fortsetzt. Im S. bildet zuerst der Campofluß, dann der 2.°5′ nördl. Br. die Grenze. Über das Gesamtareal lassen sich keine Angaben machen, da die Ausdehnung des Gebiets nach O. nicht bestimmt ist. Der Sitz des Gouverneurs ist am Camerunfluß, an dem verschiedene Ortschaften liegen (vgl. Camerun), und in welchem sich der ganze Verkehr konzentriert. Die Mündung des Flusses wird regelmäßig von zwei Dampferlinien angelaufen. Bisher ist noch wenig mehr als die Küste bekannt, doch wird das Gebiet gegenwärtig von Reichs wegen durch Dr. Zintgraff und die Leutnants Kund und Tappenbeck erforscht. Die Handels- und Plantagengesellschaft (Wörmann) sucht das Gebiet wirtschaftlich auszubeuten.

Deutsch-Südwestafrika (s. Karte „Südafrika“, beim Artikel ‚Kapland‘), zwischen dem Cunene und dem 17.°40′ südl. Br., dann dem Okovango im N. und dem Oranjefluß im S., wird im O. begrenzt vom 20.° östl. L. v. Gr. bis dahin, wo derselbe den 22.° südl. Br. schneidet. Weiterhin ist die Ostgrenze unbestimmt. Es umfaßt Groß-Namaqualand, Damaland und Ovampoland, im O. das große Gebiet des Omaheke oder Sandfeldes, eines ebenen Hochlandes, das mit Gras, auch mit Büschen und Bäumen bewachsen ist und in der Regenzeit viele Teiche aufweist. Zu diesem Gebiet gehören außer dem Besitztum der Südwestafrikanischen Kolonialgesellschaft, dem Lüderitzland, noch die Burenansiedelung von Grootfontain (früher Upingtonia) im N., Hereroland mit der Hauptwerft Okahandja, dem Sitz Mahareros, die Bastards auf Rehoboth, die Rote Nation auf Hoachanas, die Nama von Berseba und die Nama von Bethanien, ein Gesamtareal von 600,000 qkm (19,897 QM.), dessen Bevölkerung aber nur auf 300,000 Seelen geschätzt [Ξ] wird. Der Küstenstrich ist wasserlos und wüst, das Hinterland ist aber sehr geeignet für Viehzucht, und die Eingebornen besitzen große Herden von Rindern und fettschwänzigen Schafen. Es hat sich daher in Berlin die Deutsch-Westafrikanische Gesellschaft gebildet, diesen Viehreichtum auszubeuten, indem sie Schlächtereien, Konserven- und Pökelanstalten einrichtet. Andre hier arbeitende Vereine sind die bereits genannte Südwestafrikanische Kolonialgesellschaft und die Deutsche Südwestafrikanische Kompanie. Leider liegen die Bewohner (Hottentoten, Herero, Bergdamara) fortwährend in blutigen Fehden. Der beste Hafen, die Walfischbai, mit 1250 qkm Küstenland, sowie die zahlreichen Guanoinseln an der Küste gehören den Engländern. Im Hinterland befinden sich seit vielen Jahren die Stationen deutscher (rheinischer) Missionäre. Das Gebiet wurde 24. April u. 7. Aug. 1884 unter deutschen Schutz gestellt. Ein deutscher Reichskommissar verwaltet dies Gebiet.

II. Gesellschaftsschutzgebiete.

Deutsch-Ostafrika (s. Karte bei ‚Congo‘), die der Deutschen Ostafrikanischen Gesellschaft gehörigen Gebiete der Herrscher von Usagara, Nguru, Useguha und Ukami, die 25. Febr. 1885 unter deutschen Reichsschutz gestellt wurden, während das ganze Gebiet, welches im S. vom Rovumafluß gegen portugiesisches Gebiet, im N. durch eine vom Umbafluß nordwestlich zum Ukerewe laufende Linie begrenzt wird, die jedoch nach NO. ausbiegt, um das Massiv des Kilima Ndscharo einzuschließen, in den Bereich der deutschen Interessensphäre fällt. Dieselbe reicht somit bis an die Grenzen des Congostaats und umfaßt das ganze etwa 1,000,000 qkm (20,000 QM.) große Plateau von Zentralostafrika. Das jenseit der genannten Linie bis zum Tana reichende Gebiet gehört dagegen der englischen Interessensphäre an. Bis vor kurzem war das deutsche wie das englische Gebiet durch einen schmalen, dem Sultan von Sansibar schiedsrichterlich zugesprochenen Landstreifen vom Meer abgesperrt; doch hat sich nun der Sultan bereit gefunden, gegen eine Jahreszahlung seine Ansprüche auf den afrikanischen Kontinent ganz aufzugeben, nachdem er schon gleich im Anfang die Häfen Dar es Salam und Pangani der Gesellschaft überlassen hatte. Nach W. findet die deutsche Interessensphäre ihre äußerste Grenze in der des Congostaats. Der Hauptsitz der oben genannten Gesellschaft mit Dr. Peters als Leiter ist gegenwärtig in Sansibar. In Usagara besitzt sie die Stationen Simaberg und Kiora, in Useguha Petershöhe und Bagamoyo, in Usaramo am Kinganifluß Dunda, Madimola und Usaungula, in Usambara am Pangani Korogwe und Mafi und in Giriyama die Station Tanganjiko am Kilesi, außerdem die Stationen Hohenzollernhafen an der Wabuschimündung und Halule am Kap Gardafui. Die Gesellschaft richtet ihr Augenmerk auf tropische Kulturen, namentlich auf Tabaksbau. Die Erwerbungen der Deutschen Ostafrikanischen Gesellschaft an der Somaliküste von Warschech im S. bis Ras Filuk im N. sind noch nicht unter deutschen Reichsschutz gestellt. Außer der genannten arbeitet hier noch die Deutsch-Ostafrikanische Plantagengesellschaft.

Das kleine Witugebiet an der Mandabucht und im Mündungsbereich des 400 km weit ins Innere schiffbaren Tana wurde 27. Mai 1885 unter deutschen Schutz gestellt und später durch die vom Deutschen Kolonialverein gebildete Witugesellschaft von den Gebrüdern Denhardt, denen der Sultan von Witu das Land abgetreten hatte, erworben. Es hat eine Küstenlänge von 70 km, einen vorzüglichen Hafen, ist sehr fruchtbar und eignet sich vortrefflich für Viehzucht.

Kaiser Wilhelms-Land, der Bismarck-Archipel und die nördlichen Salomoninseln (s. Karte ‚Neuguinea etc.‘) stehen sämtlich unter Verwaltung der Neuguineagesellschaft in Berlin, welche 17. Mai 1885 einen kaiserlichen Schutzbrief erhielt, nachdem schon im November 1884 auf den beiden ersten Gebieten, 6. April 1885 auch auf der Salomongruppe, die deutsche Flagge geheißt worden war. Kaiser Wilhelms-Land, der nordöstliche Teil der Insel Neuguinea, mißt 181,650 qkm (3299 QM.) und hat 109,000 Einw., der Bismarck-Archipel, bisher Neubritannia-Archipel genannt, hat 47,100 qkm (855 QM.) mit 188,000 Einw., von den Salomoninseln sind bei der Teilung mit England an Deutschland 22,200 qkm (403 QM.) mit 80,000 Einw. gefallen, so daß das ganze der genannten Gesellschaft unterstellte Gebiet 250,950 qkm (4557 QM.) mit 377,000 Einw. mißt. Der Sitz des Landeshauptmanns ist in Finschhafen; andre Stationen sind Port Konstantin, Hatzfeldthafen und Matupi im Bismarck-Archipel. Es sind Pflanzungen von Reis und Mais angelegt und Pferde, Rinder, Schweine, Schafe etc. eingeführt worden. Auf dem Bismarck-Archipel ist Ackerbau erst an einer einzigen Stelle und zwar durch einen Amerikaner mit 150 Arbeitern versucht worden. Sonst wird nur Handel getrieben. Die Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft hat eine Hauptstation auf Mioko und 8 Zweigstationen auf den Duke of York-Inseln und in Neubritannien. Hernsheim u. Komp. haben eine Hauptstation auf Matupi in der Blanchebai mit 6 Stationen in Neubritannien, 4 in Neuirland und einer auf den Hermitinseln, Die amerikanische Firma Farrel hat eine Hauptstation in Kalum auf der Gazellenhalbinsel, wo auch obige Pflanzung mit 5 Stationen in Neubritannien und 7 Faktoreien auf Neuirland u. den östlich davon liegenden Inseln.

Die Marshall-, Brown- und Providenceinseln, lauter Gruppen von niedrigen Korallenriffen, wurden 13. Sept. 1886 unter deutschen Reichsschutz genommen, nachdem bereits seit langer Zeit der Handel hier fast ausschließlich in deutschen Händen (Hernsheim, Deutsche Plantagengesellschaft) war. Hauptprodukt ist, wie bei dem Bismarck-Archipel, Kopra. Die Inseln haben ein Gesamtareal von 400 qkm (7,3 QM.) und etwa 11,000 Bewohner.





Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 495500
korrigiert
Indexseite

[495] Kolonien (hierzu Karte „Deutsche Kolonien“). Unsre Bd. 9, S. 955, gegebene Übersicht über den Kolonialbesitz der europäischen Staaten hat in den letzten Jahren mannigfache Änderungen erfahren, die sich in nachstehendem dargestellt finden.

[496]
Deutschland.
  QKilom. QMeilen Bevölker.
Togogebiet 1300 24,00 40000
Camerun 30000 545,00 500000
Deutsch-Südwestafrika 1000000 18161,00 236000
Deutsch-Ostafrika 1100000 19997,00 800000
Witu und Somalküste
Afrika: 2131300 38727,00 1576000
Kaiser Wilhelms-Land 179250 3256,00 109000
Bismarck-Archipel 52200 948,00 188000
Nördliche Salomoninseln 22195 403,00 80000
Nauru (Pleasant) 5 0,09 1000
Marshallinseln 400 7,26 10000
Ozeanien: 254050 4614,35 388000
Deutsche Kolonien: 2385350 43341,35 1964000

Die früher bestehende Unterscheidung zwischen Kronschutzgebieten und Gesellschaftsschutzgebieten hat seit 1889 aufgehört, nachdem in Deutsch-Ostafrika ausgebrochene aufständische Unruhen der einheimischen Bevölkerung unter Führung arabischer Sklavenhändler ein Einschreiten der deutschen Reichsregierung mit bewaffneter Macht unter Major Wißmann nötig machten (vgl. Deutsch-Ostafrika, Bd. 17). Die Neuguinea-Gesellschaft aber, welcher von vornherein bedeutende und kostspielige Aufgaben gestellt worden waren, sah sich nach erledigter Vorbereitung ihres Gebiets für eine europäische Einwanderung selbst veranlaßt, die Übernahme der Verwaltung durch das Reich nachzusuchen. Inzwischen wurde im Togogebiet, in Camerun und im Kaiser Wilhelms-Land rüstig an der Erforschung des Landes und seiner Erschließung für Handel und Plantagenbau gearbeitet.

Togo, an der Sklavenküste von Westafrika, wurde 5. und 6. Juli 1884 unter deutschen Schutz gestellt. Nach den Vereinbarungen mit Frankreich und England erstreckt dasselbe sich am Meer von 1°10′, wo es an die englische Kolonie Goldküste grenzt, bis 1°30′ östl. L. v. Gr., wo es an die französische Kolonie Grand Povo stößt. Nach N. zu ist die Kolonie noch nicht abgegrenzt, sie hat sich in den letzten Jahren durch Anschluß der Gebiete von Towa, Keve, Agolima, Agome, Agu und Gbele vergrößert, so daß die Berechnung des Areals der Kolonie auf 1300 qkm (23,6 QM.) wohl nicht mehr ganz zutreffend ist. Die Bewohner sind Neger vom Ewestamm, welche in zahlreiche kleine Gemeinschaften zerfallen, fleißig Ackerbau (Mais, Yams, Bananen, Ölpalmen, Kokospalmen, Orangen), ferner Weberei und Töpferei und einen schwunghaften Handel mit Palmkernen, Palmöl, Gummi, Elfenbein, Kopra, Erdnüssen, Häuten u. a. treiben, wofür sie Rum, Genever, Tabak, Pulver, Gewehre, Baumwollenzeug und Baumwollengarn, Wollenzeug, Salz, Eisenwaren u. a. eintauschen. Die Einfuhr wertete 1888–89: 2 Mill., die Ausfuhr 1,9 Mill. Mk., der Zoll auf Einfuhrwaren 95,297 Mk. Das Budget für 1888/89 bezifferte die Einnahmen auf 167,000, die Ausgaben auf 178,000 Mk. Die Kolonie wird von einem kaiserlichen Kommissar verwaltet, der in Klein-Popo residiert. Andre nennenswerte Ortschaften an der Küste sind: Bagida (früher Verwaltungssitz), Lome, Porte Seguro, alle mit deutschen Faktoreien. Am Togosee liegt Togo, Residenz des Königs, mit 3000 Einw., und unweit des Sees das heilige Be mit 2000 Einw. Auf Anregung Henricis wurde 1887 die Nachtigal-Gesellschaft für vaterländische Afrikaforschung gegründet, welche beabsichtigt, Plantagenbau zu treiben, und 1888 in Moatsche eine Station gründete. Das Hinterland ist von François und Wolf erforscht worden, letzterer gründete im Land Adeli die Station Bismarckburg auf dem 750 m hohen Adadoberg und entfaltete von hier aus eine eifrige Forscherthätigkeit, wurde aber leider 26. Juni 1889 durch das Fieber hinweggerafft.

Camerun wurde 14. Juli 1884 unter deutschen Reichsschutz gestellt. Das Gebiet erstreckt sich an der Bai von Benin vom Kampofluß, der mit dem 2.° südl. Br. die Südgrenze gegen französisches Gebiet bildet, bis zum Rio del Rey im N., von wo die Grenze gegen englisches Gebiet ziemlich nördlich zum Altcalabar läuft und diesen gerade da trifft, wo er aufhört, schiffbar zu sein, worauf sie sich in nordöstlicher Richtung zum Binuë bei Jola fortsetzt. Nach dem Innern zu wird der 15. Längengrad als Ostgrenze angenommen. Die Küstenlänge vom Meerbusen von Biafra des Golfs von Guinea beträgt 300 km. Das Areal des Gebiets berechnet sich auf 30,000 qkm (545 QM.) mit einer Bevölkerung von 500,000 Seelen, welche verschiedenen Negerstämmen angehören, die an der Küste fast nur Tauschhandel treiben und durch die Monopolisierung desselben und Hinderung eines direkten Verkehrs mit dem Ackerbau und Viehzucht treibenden, sehr entwickelungsfähigen Hinterland das Emporblühen der Kolonie sehr erschweren. Doch werden deutscherseits Versuche gemacht, diese Schranke zu durchbrechen. Hauptausfuhrartikel sind Elfenbein, das noch in großen Mengen im Hinterland zu haben ist, Palmöl und Palmkerne; als Einheitswert gilt der Kru, eine bestimmte Menge Palmöl, doch ist seit 1886 die deutsche Reichsmarkwährung eingeführt. Der Gouverneur residiert mit seinen Beamten auf der Joßplatte an der Mündung des Camerunflusses. Das Budget belief sich 1888/89 auf 76,000 Mk. Einnahme und 94,000 Mk. Ausgabe. Durch die seit 1. Jan. 1888 erfolgte Erhebung von Einfuhrzöllen haben sich die Einnahmen erheblich gehoben. Deutsche Unteroffiziere bilden die Eingebornen zum Polizei- und Marinedienst aus, seit 1882 erteilt ein deutscher Lehrer an die Kinder Elementarunterricht. Mehrere junge Neger wurden zur Erlernung von Handwerken nach Deutschland gesandt. In dem Hauptort Camerun bestehen zwei deutsche und mehrere englische Faktoreien. Seit 1886 besteht auch eine aus Hamburger und Bremer Firmen gebildete Handels- und Plantagengesellschaft, welche Pflanzungen von Kakao und Tabak angelegt hat. Das Gebiet wurde erforscht von den Leutnants Kund und Tappenbeck, welche zwei Vorstöße ostwärts machten und zwischen dem obern Njong und Sannaga 1888 eine Station anlegten, und von Zintgraff mit Leutnant Zeuner, von denen der erstere nach Anlage der Station Balombi am Elefantensee bis zum Binuë bei Ibe ging.

Deutsch-Südwestafrika wird begrenzt im S. vom Oranjefluß, im O. zuerst vom 20.° östl. L. v. Gr. bis dahin, wo derselbe den 22.° südl. Br. schneidet, worauf die Grenze sich im rechten Winkel nach O. wendet, ohne einen bestimmten Abschluß zu finden. Doch nimmt man Khamas und Matebeles Reiche als Grenzländer an. Die Nordgrenze bildet der Cunene von seiner Mündung zu den Kamafällen, von da ab eine gerade nach O. zum Cubango ziehende Linie, welchem Fluß sie bis Andara folgt, um darauf abermals in direkt östlicher Richtung zum Sambesi zu ziehen. Die Westgrenze bildet der Atlantische Ozean mit einer Küstenlänge von 1500 km. Das Areal dieses großen Gebiets wird auf 1 Mill. qkm (20,000 QM.) geschätzt. Es umfaßt Groß-Namaland, welches die ganze Südhälfte einnimmt, Damaland, das Kaoko nördlich

[Ξ]

DEUTSCHE KOLONIEN.
[oben:]
DEUTSCH-OSTAFRIKA 1 : 12 000 000
DEUTSCH-SÜDWESTAFRIKA Maßstab 1 : 12.000.000.

[Mitte:]

KAMERUN und Togoland. 1 : 12.000.000.
[Nebenkarte:] KGR. SACHSEN i. Maßst. d. Hauptkarten
MARSHALL-IN. Maßstab 1 : 18.000.000.

[unten:]

KAISER WILHELMS-LAND UND BISMARCK-ARCHIPEL. 1 : 12 000 000
Die deutschen Stationen sind auf sämtlichen Karten rot unterstrichen.

[Datumsangabe:] VIII. 90.

[497] davon längs des Meers u. östlich davon das Land der Bergdama und Ovampo. Der Küstenstrich ist wasserlos und wüst und verläuft sehr gleichförmig, die einzigen bekannten Häfen sind Angra Pequena oder Lüderitzhafen und Zandfischhafen, während die etwas nördlicher von letzterm gelegene Walfischbai, der einzige jetzt wertvolle Hafen des ganzen Gebiets, mit den vorliegenden Guanoinseln und einem Areal von 1250 qkm im Besitz der Engländer ist, welche an demselben zäh festhalten. Das Hinterland ist wohlgeeignet für Viehzucht und reich an Kupfer, Gold und andern Metallen. Die Deutsche Kolonisationsgesellschaft für Südwestafrika, welche das Land von Lüderitz erwarb, richtete ihre Untersuchungen auf die Erschließung der Mineralschätze; aus ihr heraus bildete sich das Bleichrödersche Goldsyndikat und die Deutsch-Afrikanische Minengesellschaft, während die Deutsch-Westafrikanische Gesellschaft den Reichtum des Landes an Rindern und fettschwänzigen Schafen durch Anlage von Schlächtereien, Konserven- und Pökelanstalten auszubeuten suchte. Der deutsche Reichskommissar nahm seinen Sitz in Otjimbingue, nordöstlich von der Walfischbai, indessen hat das Land infolge der beständigen Kämpfe zwischen den Nama und den Dama keine Fortschritte gemacht, und die Erklärung des Oberhäuptlings der Dama, Kamaherero, daß er alle Minenrechte einem Engländer, Lewis, übertragen habe, machte allen Bergwerksunternehmungen ein Ende. Auch erwies sich eine aus Eingebornen gebildete Polizeitruppe unter deutschen Offizieren als ungenügend, und es mußte daher eine Truppe aus berittenen, ausgedienten Mannschaften unter Hauptmann v. François entsandt werden, um die Ordnung wiederherzustellen. Vgl. Deutsch-Südwestafrika (Bd. 17).

Deutsch-Ostafrika wird im S. begrenzt von der portugiesischen Kolonie Mosambik, von welcher der Rovumafluß sie scheidet, die Ostgrenze bildet ein schmaler, 10 km breiter Küstenstreifen, welcher zu Sansibar gehört, die Nordgrenze, welche das deutsche Gebiet vom englischen scheidet, geht von der Mündung des Wanga- oder Umbeflusses unter 5° südl. Br. in gerader Linie zum Ipisee, überschreitet dann den Lumifluß, zieht durch die Landschaften Taveta und Dschagga am Nordabfall des Kilima Ndscharo vorüber zu dem unter 1° südl. Br. liegenden Punkt am Ostufer des Victoria Nyanza, die Westgrenze ist noch unbestimmt. Den Umfang des Gebiets schätzt man auf 1,100,000 qkm (19,997 QM.), die Zahl der Bewohner (Suaheli an der Küste, weiter nach dem Innern Wasagara, Wasambara, Dschagga, Massai u. a.) auf 800,000. Von diesem großen Gebiet wurden 15. Febr. 1885 die Landschaften Usagara, Nguru, Useguha und Ukami unter deutschen Reichsschutz gestellt, während das ganze übrige Gebiet in den Bereich der deutschen Interessensphäre fällt. Das ganze Land gehört der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, welche auch an der Somalküste von Warschech im S. bis Ras Filuk im N. Erwerbungen machte und hier die Stationen Hohenzollernhafen an der Wabuschimündung und Halule am Kap Gardafui gründete, ohne aber hierfür den Schutz des Deutschen Reichs zu erlangen, welches vielmehr Italien wie England gestattete, hier sich festzusetzen. Der Sitz der genannten Gesellschaft ist Sansibar. Neben ihr arbeiten hier noch die Deutsch-Ostafrikanische Plantagengesellschaft u. die Deutsche Pflanzergesellschaft. Stationen wurden errichtet in der Landschaft Usagara in Simaberg und Kiora, in Useguha in Petershöhe und Bagamoyo, in Usaramo am Kinganifluß, in Dunda, Madimola und Usaungula, in Usambara am Pangani in Korogwe und Mafi, in Giriyama am Kilesi in Tanganijko. Die letztgenannte Station liegt schon in dem Küstenstreifen vor der englischen Interessensphäre. Man hat auf einigen dieser Stationen die Kultur von Tabak, Baumwolle und Kakao begonnen, als Erzeugnisse dieses Gebiets fand man Reis, Orseille, Kokosnüsse, Sesam, Erdnüsse, Palmkerne, Kopal vor. Die Entwickelung der deutschen Unternehmungen wurde auf das empfindlichste gestört, als 1888 die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft vom Sultan von Sansibar das Recht der Zollerhebung in dem diesem zugehörigen Küstenstreifen auf 50 Jahre gegen einen Teil der Einkünfte aus den Zöllen erwarb. Die Araber, welche sich in ihrem Handelserwerb, namentlich dem Sklavenhandel, bedroht sahen, regten das ganze Küstengebiet zur offenen Empörung auf, der fast sämtliche deutsche Plätze zum Opfer fielen. Indes nahm eine vom Major Wißmann mit Hilfe deutscher Offiziere und Unteroffiziere organisierte Streitmacht von Eingebornen schnell fast alle verlornen Plätze wieder und stellte die Ordnung im größten Teil des Küstengebiets schnell wieder her. Vgl. Deutsch-Ostafrika (Bd. 17).

Witu, zwischen der Mandabucht und dem Osifluß, wurde 27. Mai 1885 unter deutschen Reichsschutz gestellt, nachdem der Sultan von Witu das Land an die Gebrüder Denhardt abgetreten hatte. Diese verkauften einen Teil ihres Besitzes an die vom Deutschen Kolonialverein gebildete Witugesellschaft. Außer diesen beiden haben sich auch die Deutsche Pflanzergesellschaft und einige andre deutsche Kapitalisten Wituland zum Feld ihrer Operationen ausersehen. Mit dem Beginn des Jahrs 1890 ist der Besitz der Witugesellschaft in den der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft übergegangen. Der deutsche Besitz wurde zugleich nordwärts bis Kismaju ausgedehnt.

Kaiser Wilhelms-Land, der Bismarck-Archipel und die nördlichen Salomoninseln stehen sämtlich unter Verwaltung der Neuguineagesellschaft in Berlin, welche 17. Mai 1885 einen kaiserlichen Schutzbrief erhielt, nachdem schon im November 1884 auf den beiden ersten Gebieten, 6. April 1885 auch auf der Salomongruppe die deutsche Flagge geheißt worden war. Kaiser Wilhelms-Land, der nordöstliche Teil der Insel Neuguinea, mißt 179,250 qkm (3256 QM.) mit 109,000 Einw., der Bismarck-Archipel 52,200 qkm (948 QM.) mit 188,000 Einw., die nördlichen Salomoninseln 22,195 qkm (403 QM.) mit 80,000 Einw., so daß das ganze der genannten Gesellschaft unterstellte Gebiet 253,645 qkm (4607 QM.) mit 377,000 Einw. mißt. Der Sitz des Landeshauptmanns ist in Finschhafen, mit der Nebenstation Butaueng, andre Stationen sind: Konstantinhafen mit Bogadjim, Hatzfeldhafen und auf dem Lauenburg-Archipel Kerewara. In Bogadjim besteht eine protestantische Mission. Zwischen Finschhafen und Soerabaja besteht ein regelmäßiger Postdampferverkehr. In Kaiser Wilhelms-Land wird Ackerbau mit Hilfe von Malaien und Neubritanniern seitens der Neuguineagesellschaft betrieben, und Ansiedler können dort jetzt Land erwerben; auf dem Bismarck-Archipel treibt ein Amerikaner Plantagenbau bei Kalum am Südufer der Blanchebai, die Firma Robertson u. Hernsheim hat ihren Sitz in Matupit in der Blanchebai mit Zweigfaktorei auf der Insel Nusa zwischen Neumecklenburg und Neuhannover, die Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft hat sich auf Mioko (Neulauenburg) niedergelassen. Beide Gesellschaften haben eine Anzahl Nebenstationen. Hauptprodukt ist Kopra; [498] die Anpflanzungen von Kaffee, Baumwolle, Chinarinde sind noch im Werden.

Die Marshallinseln mit Einschluß der zum Gilbert-Archipel gehörigen Pleasantinsel oder Nawodo haben einen Flächeninhalt von 405 qkm (7,5 QM.) und etwa 11,000 Einw. Die Marshallinseln wurden 13. Sept. 1886 unter deutschen Reichsschutz genommen, nachdem bereits seit langer Zeit der Handel hier fast ausschließlich in deutschen Händen (Hernsheim, Deutsche Plantagengesellschaft) war. Im J. 1887 wurde durch Hernsheim die Jaluitgesellschaft gegründet, welche die Faktoreien der Deutschen Plantagengesellschaft erwarb. Hauptprodukt ist, wie bei dem Bismarck-Archipel, Kopra.

Nicht auf deutschem Gebiet arbeiten gleichfalls mehrere Kolonisationsgesellschaften. In Afrika die Pondolandgesellschaft, in Asien die Tanoh-Pantihgesellschaft, welche Tabaksbau auf Sumatra treiben will, in Amerika die Brasilische Kolonisationsgesellschaft (Stuttgart), zum Betrieb von Landwirtschaft und Viehzucht, die Gesellschaft Herman, welche Land zu Ansiedelungen in Brasilien erworben hat, die Deutsch-Brasilische Handels- und Plantagengesellschaft und die Südamerikanische Kolonisationsgesellschaft (Leipzig), welche in Paraguay 20,000 Hektar Land erworben hat. Angeregt und unterstützt werden die deutschen Kolonialunternehmungen durch die Deutsche Kolonialgesellschaft, hervorgegangen aus der Verschmelzung der beiden größten Vereine, deren Organ die „Deutsche Kolonialzeitung“ ist. Ferner erscheinen seit 1888 die von Freih. v. Danckelman herausgegebenen „Mitteilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen Schutzgebieten“.

Großbritannien.

In nachfolgender Tabelle sind nicht inbegriffen die Nigerdistrikte und Britisch-Ostafrika, über welche ziffermäßige Angaben nicht vorliegen. Die Nigerdistrikte umfassen die ganze Küste von der Ostgrenze von Lagos bis zur Westgrenze von Camerun sowie die Uferlandschaften zu beiden Seiten des Niger aufwärts bis Lokodscha. Durch die Bestimmungen der Berliner Konferenz hat sich England, das hier durch die National African Company vertreten ist, dieses wichtige Gebiet gesichert, zugleich wurde aber, wie beim Congo, allen Nationen Freiheit des Handels und der Schiffahrt ausbedungen. Thatsächlich sucht aber die Gesellschaft den Handel zu monopolisieren und durch völlig unberechtigte Zollerhebungen die Konkurrenz andrer Nationen unmöglich zu machen. Widerrechtlich erhebt sie auch Anspruch auf den Niger bis Sa und den Binuë bis Jola. Frankreich übernahm dieselbe Verpflichtung für den obern Fluß, soweit derselbe bereits unter seinem Protektorat steht oder in Zukunft einmal stehen sollte. Britisch-Ostafrika wird nach einem zwischen Deutschland und England 1886 getroffenen Abkommen im S. begrenzt durch eine Linie, welche ausgeht von der Mündung des Wanga- oder Umbeflusses und in gerader Linie zum Jipesee läuft, dann den Lumifluß überschreitet, die Landschaften Taveta und Dschagga mitten durchschneidet, dann um den Nordabhang des Kilima Ndscharo führt bis zu dem Punkt am Ostufer des Victoria Nyanza, welcher vom 1.° südl. Br. getroffen wird. Die Nordgrenze bildet der Tanafluß bis 20′ vom Äquator, worauf die Grenzlinie in gerader nordöstlicher Richtung verläuft. Das große Matabele- und Maschonaland zwischen Limpopo und Sambesi wurde 13. März 1889 trotz der Einsprache Portugals als unter britischem Einfluß stehend erklärt. Endlich ist noch die Handelsstation Tarsaja mit Fort zu erwähnen, welche die englische North West African Company bei Kap Juby an der Küste von Nordwestafrika auf noch unbesetztem Gebiet anlegte, um den Handel von Adrar nach dieser Küste zu ziehen.

  QKilom. QMeilen Bewohner Jahr
I. Kolonien        
Cypern 9601 174,00 186173 1881
Brit.-Indien mit den Andamanen, Nikobaren, Aden und Perim 2248824 40841,00 208793350 1888
Ober-Birma 492000 8935,00 5000000 1886
Ceylon 63976 1162,00 2862990 1887
Kamaran 165 3,00 ?
Keelings- und Christmas-Inseln 124 2,20 400
Straits Settlements 3742 68,00 537000 1887
Hongkong 83 1,50 212951 1887
Labuan 78 1,40 5883 1887
Kuria Muria-Inseln 55 1,00 34 1887
Asien: 2818648 51189,10 217598781
Gambia 179 3,20 14150 1881
Sierra Leone 2600 47,00 60546 1881
Goldküste 76145 1383,00 1405450 1887
Lagos 2768 50,00 87165 1883
St. Helena 123 2,40 5300 1888
Ascension 88 1,60 300 1881
Tristan da Cunha 116 2,10 94 1886
Kapkolonie 553295 10049,00 1377213 1887
Basutoland 25175 457,00 128176 1887
Walfischbai 1250 23,00 800 1885
Natal 48560 882,00 481361 1888
Britisch-Zululand 21290 387,00 ?
Mauritius 2645 48,00 368163 1887
Neuamsterdam u. St. Paul 73 1,30
Sokotora 3579 65,00 10000
Afrika: 737886 13401,40 3938718
Dominion of Canada:        
 Ontario u. Quebec 875268 15895,80 3601777 1887
 Neubraunschweig 70762 1285,10 344714 1887
 Neuschottland 56280 1022,10 475616 1887
 Manitoba 190927 3467,40 120065 1887
 Prinz Edward-Ins. 5524 100,30 118916 1887
 Brit.-Columbia u. Vancouverinsel 1010950 18360,00 75363 1887
 Nortwestterritorium 6612873 120100,00 89698 1887
Neufundland 110670 2010,00 193121 1884
Labrador 310000 5630,00 4211 1881
Bermudas 50 0,90 15534 1888
Honduras 19585 355,70 27668 1887
Bahamas 13960 253,70 48000 1888
Turksinseln 25 0,45 4732 1881
Caicosinseln 550 10,00 46 1881
Jamaica 10859 197,00 607798 1887
Caymansinsel 584 10,60 3066 1881
Windward Islands:        
 Santa Lucia 614 11,10 42301 1887
 St. Vincent 381 6,90 45844 1887
 Barbados 430 7,80 171860 1881
 Grenada 430 7,80 48346 1887
 Tobago 295 5,30 20335 1887
Leeward Islands:        
 Virgininseln 165 3,00 5287 1881
 St. Christopher 176 3,20 29137 1881
 Nevis mit Redonda 118 2,10 11864 1881
 Anguilla 91 1,60 3219 1881
 Antigua u. Barbuda 440 8,00 34321 1882
 Montserrat 83 1,50 11680 1887
 Dominica 754 13,70 28340 1884
Trinidad 4544 82,00 189566 1888
Britisch-Guayana 221243 4018,00 277038 1887
Falklandinseln 12532 227,60 1843 1887
Südgeorgia 4066 73,80
Amerika: 9225229 167540,00 6649900

[499]

  QKilom. QMeilen Bewohner Jahr
Neusüdwales 800730,0 14542,00 1085740 1888
Victoria 227610,0 5950,00 1090869 1888
Queensland 1730630,0 31430,00 387463 1888
Südaustralien 2339775,0 42492,00 318308 1888
Westaustralien 2527530,0 45903,00 42137 1888
Tasmania 68309,0 1241,00 146149 1888
Neuseeland 269957,0 4911,00 649349 1888
Norfolkinsel 44,0 0,80 741 1887
Aucklandsinseln 509,0 9,00
Lord Howe-Insel 8,3 0,15 65 1880
Kermadekinseln 55,0 1,00
Campbellinsel 220,0 4,00
Antipodeninsel 27,0 0,50
Bountyinseln 5,5 0,10
Karolineninsel 5,5 0,10
Penrhyn (Tongarewa) 8,0 0,14 300 1877
Starbuck 3,0 0,05
Malden 89,0 1,60 79 1876
Fanning 40,0 0,70 150 1858
Christmas-Insel 607,0 11,00
Suworowinseln 5,0 0,09
Humphrey 10,0 0,18 348 1877
Rakäanga 2,0 0,04 400 1877
Unioninseln 14,0 0,25 514 1876
Phönixinseln 42,0 0,76 59 1876
Fidschiinseln mit Rotumah 20843,0 378,60 124658 1887
Britisch-Neuguinea 229100,0 4161,00 137500 1887
Australien (Ozeanien) 8216110,3 151039,06 3984829
Britische Kolonien: 20997873,0 383169,60 232172228
II. Schutzstaaten.        
Einheim. Staaten in Indien 1320133,0 23975,00 60684378 1888
Kaschmir 178558,0 3243,00 1534972 1873
Perak, Selangor mit Klang, Sungei, Ujong, Negri Sembilan, Dschohor und Pahang 63900,0 1150,00 357000 1888
Nordborneo mit Sarawak und Brunei 220000,0 3995,00 600000 1888
Asien: 1782591,0 42363,00 63176350
Pondoland 9324,0 169,00 150000 1879
Betschuanenland 477835,0 8678,00 183000 1888
Amatongaland 13870,0 252,00 50000 1888
Matabele- u. Maschonoland 344083,0 2248,90 1200000 1888
Afrika: 845112,0 11347,90 1878000
Hervey- (Cooks-) Ins. 368,0 6,70 7400 1877
Australien: 368,0 6,70 7400
Schutzstaaten: 2528071,0 73717,60 65055750
Britische Kolonien u. Schutzstaaten: 23625944,0 456887,20 297227978
Frankreich.
  QKilom. QMeilen Bewohner Jahr
I. Kolonien.        
Indien 508 9,00 279066 1887
Kotschinchina 59800 1086,00 1864214 1887
Asien: 60380 1095,00 2143280
Algerien 667000 12113,00 3960400 1886
Senegal etc. 358500 6511,00 1850000
Gold- u. Sklavenküste 24000 436,00 528000
Gabun 670000 12168,00 8000000
Diego Suarez (Madagaskar) ? ? 4607 1887
Réunion 2512 46,00 163881 1887
Ste.-Marie de Madagascar 165 3,00 7468 1887
Mayotte 366 6,60 10551 1887
Nossi Bé 293 5,70 8281 1887
Obok mit Tadschurra 6000 109,00 22370 1884
Afrika: 1728836 31398,30 14555558
St.-Pierre u. Miquelon 235 4,00 5929 1887
Guadeloupe 1870 34,00 188188 1887
Martinique 988 18,00 177078 1887
Guayana 121413 2205,00 25796 1887
Amerika: 124506 2661,00 396991
Neukaledonien u. Loyaltyinseln 19950 362,00 62752 1887
Gesellschafts-, Tuamotu-, Gambier- und Markesasinseln 4341 78,76 28099 1887
Wallisinseln 96 1,74 3500 1887
Futuna 115 2,09 2500 1887
Niuagruppe 31 0,56 1000 1887
Niue 94 1,71 5124 1887
Ozeanien: 24627 446,86 102975
Kolonien: 1877973 35541,00 17198804
II. Schutzstaaten.        
Kambodscha 100000 1816,00 1500000
Anam 275300 5000,00 6000000
Tongking 90000 1635,00 9000000
Asien: 465300 8461,00 16500000
Tunis 116000 2107,00 1500000
Madagaskar 591964 10751,00 3500000
Komoren 1606 29,00 53000
Afrika: 709570 12887,00 5053000
Schutzstaaten: 1174870 21348,00 21553000
Französische Kolonien und Schutzstaaten: 3133223 56889,00 38751804
Niederlande.
  QKilom. QMeilen Bewohner Jahr
Java und Madura 132713 2410,2 21467445 1885
Sumatra 406706 7386,2 2729418 1885
Riau 45449 825,4 94905 1885
Bangka 13059 237,0 73799 1885
Billiton 6552 119,0 34079 1885
Borneo 516143 9373,7 917889 1885
Celebes 188155 3417,1 607148 1885
Amboina 49017 890,2 253234 1885
Ternate 238956 4339,7 109947 1885
Timor 57409 1042,6 34471 1885
Bali und Lombok 10462 190,0 1360577 1885
Asien: 1664606 30231,1 27682912
Guayana 119321 2167,0 74141 1887
Curassao 1130 20,5 45954 1887
Amerika: 120451 2187,5 120095
Westhälfte v. Neuguinea 397202 7213,0 250000
Australien: 397202 7213,0 250000
Niederländ. Kolonien: 2182256 39631,6 28053007

Da die Zahl der Eingebornen von vielen Teilen Niederländisch-Indiens noch unbekannt ist, kann man die Bevölkerungsziffer mit 281/2 Mill. annehmen.

Spanien.
Kolonien QKilom. QMeilen Bewohner Jahr
Cuba 118833 2158,0 1521684 1882
Puerto Rico 9620 175,0 754313 1880
Amerika: 128453 2333,0 2275997
Philippinen 293726 5334,0 5745116 1879
Suluinseln 2456 44,6 75000
Asien: 296182 5378,6 5820116
Presidios in Marokko 35 0,6 12216 1886
Kanarische Inseln 7273 132,0 311030 1886
Guineainseln etc. 2105 38,0 68656 1885
Territorium von Ifni 40 0,7 1000
Territorium des Rio de Oro und von Adras 700000 12713,0 100000
Afrika: 709453 12884,3 492902

[500]

Kolonien QKilom. QMeilen Bewohner Jahr
Marianen 1140 20,7 8665 1877
Karolinen 700 12,7 22000
Palau 750 13,6 14000
Australien: 2590 47,0 44665
Spanische Kolonien: 1136588 17642,9 8633680  

Der Hafen Ifni oder Santacruz de Mar Pequeña an der Südwestküste uon Marokko, den Spanien bereits 1507–27 besessen, wurde ihm durch einen mit Marokko 1860 abgeschlossenen Frieden abermals zugesichert. Es hat davon aber erst kürzlich Besitz ergriffen, ebenso wie von der Westküste der Sahara zwischen Kap Bojador im N. und Cabo blanco im S., wo einige Fischereistationen von Spaniern seit längerer Zeit bestehen. Das Protektorat über diesen Küstenstrich wurde durch verschiedene Schutzverträge über die östlich davon gelegene Sahara bis zum 7.° westl. L. v. Gr. ausgedehnt.

Portugal.
Kolonien QKilom. QMeilen Bewohner Jahr
Goa und Zubehör 3270,0 59,0 419993 1881
Damao und Gebiet 80,0 1,4 50000 1881
Insel Diu und Gogola 5,0 0,1 12636 1881
Macao, Taipa und Colovane 11,7 0,2 67036 1885
Timor und Cambing 16300,0 296,0 300000
Asien: 19666,0 356,7 849600
Madeira 815,0 15,0 133955 1882
Kapverdische Inseln 3851,0 70,0 110926 1885
Guinea 69,0 1,2 6518 1882
São Thomé 929,0 17,0 18266 1878
Principe 151,0 2,7 2622 1878
Angola 809400,0 14700,0 2000000
Mosambik 991150,0 18000,0 2000000
Afrika: 1806365,0 32805,9 4272287
Portugiesische Kolonien: 1826031,0 33162,6 5121887

Außerdem besitzt Portugal noch das Fort Ajuda an der Sklavenküste, der einzige Besitz an dieser Küste, nachdem die Regierung die Übernahme des Protektorats über Dahomé nicht ratifizieren wollte, da ihr die Abschaffung der dortigen Menschenopfer und andrer Mißbräuche nicht gelang.

Dänemark.
Kolonien QKilom. QMeilen Bewohner Jahr
Grönland 88100,0 1600,0 9914 1885
Ste.-Croix 218,3 4,0 18430 1880
St. Thomas 86,2 1,6 14386 1880
St. John 54,4 1,0 944 1880
Dänische Kolonien: 88458,9 1606,6 43677
Italien.

Der Kolonialbesitz Italiens teilt sich in direkt unter italienischer Souveränität stehenden und solchen unter italienischem Protektorat. Zur ersten Klasse gehören Assab, Massaua und die Dahlakinseln. Assab erstreckt sich in einer Länge von 130 km von der Behetabai im N. bis Ras Santhur im S. und hat 5400 Einw. Massaua umfaßt außer der Stadt mit den Nachbarinseln die Festlandküste von Ras Kasar (18°2′ nördl. Br.) im N. bis zur Halbinsel Buri im S. und erstreckt sich nach dem Innern zu bis zu den ersten Stufen des abessinischen Hochlandes, auf welchem kürzlich die für die Gesundheit der Truppen nötigen und strategisch wichtigen, jetzt auch gut befestigten Orte Keren und Asmara besetzt wurden. Dies Gebiet hat 63,000 Einw. Die Dahlakinseln bestehen aus einer größern und mehreren kleinern Inseln (Nohra, Nokra u. a.) mit einer 2000 Köpfe starken Bevölkerung. Unter italienischem Protektorat stehen im W. und NW. von Massaua die Stämme der Habab, Beni Amer u. a., so daß sich die italienische Schutzherrschaft bis an den Oberlauf des Baraka und an den mittlern Anseba erstreckt, ferner der Küstenstrich zwischen der Halbinsel Buri und der Nordgrenze von Assab mit den Häfen Hamfilah, Ed und Bailul, das Sultanat Raheita südlich von Assab bis zur Grenze der französischen Kolonie Obok, an der Küste des Indischen Ozeans das Sultanat Obbia an der Somalküste zwischen Warschekh bis Ras Awad und das nördlich folgende Gebiet von Garad und Wadi Nogal bis 8°3′ nördl. Br. Außerdem ist der Sultan der Midjertin Somal, dessen Herrschaft im N. bis Ras Hafun reicht, die Verpflichtung eingegangen, für diesen nördlichen Rest seiner Besitzungen sich dem Protektorat keiner andern Macht als Italien zu unterwerfen. Weiteres s. unter Italienisch-Ostafrika (Bd. 17).

Italiens Besitzungen am Roten Meer und am Indischen Ozean sind nur in Bezug auf die Küstenausdehnung bekannt, der frühere, für Assab allein bekannte Besitz mit 632 qkm und 1303 Einw. hat sich durch eine Reihe neuer Erwerbungen und Übernahme von Protektoraten so bedeutend erweitert, daß ein Vergleich wie der obige zwischen Mutterland und K. sich nicht anstellen läßt. Auch von dem britischen Kolonialbesitz ist ein ansehnlicher Teil seiner Größe nach unbekannt und hat in der obigen vergleichenden Zusammenstellung nicht berücksichtigt werden können.

Die Organisation der Verwaltungsbehörden ist für die einzelnen Staaten sehr verschieden, wie die Stellung derselben zum Mutterland. Die englischen K. zerfallen in sich selbst verwaltende K., wie Kanada, Australien, das Kapland, in Kronkolonien, wie Barbados, Trinidad, Mauritius, Ceylon, für welche das Gesetzgebungsrecht dem Kolonialministerium zusteht, das dies Recht aber auch einem von der Krone ernannten Gouverneur und Rat übertragen kann, während das indische Kaiserreich unter einem Vizekönig durch einen besondern Minister in London verwaltet wird. In Frankreich und Portugal hat ein Minister der Marine und der K. die Verwaltung, wobei aber in Frankreich Algerien eine besondere, dem Ministerium des Kriegs unterstehende Stellung einnimmt. Die Niederlande und Spanien haben besondere Minister der K. In Deutschland stehen die K. unter dem Auswärtigen Amte, das eine besondere Abteilung für Kolonialsachen hat.

Zur Litteratur: Vgl. Fabri, Fünf Jahre deutscher Kolonialpolitik (Gotha 1889); Engler, Koloniales (Hamb. 1889); Gareis, Deutsches Kolonialrecht (Gießen 1888); G. Meyer, Die staatsrechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete (Leipz. 1888); v. Stengel, Die deutschen Schutzgebiete, ihre rechtliche Stellung, Verfassung und Verwaltung (das. 1888); „Koloniales Jahrbuch“ (hrsg. von Meinecke, Berl. 1880 ff.).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 533540
korrigiert
Indexseite

[533] Kolonien. Der Kolonialbesitz der europäischen Mächte hat außer einigen kleinern Gebietserweiterungen in Asien und Polynesien durch England eine wesentliche Veränderung nur in Afrika erfahren, aber dort auch eine ganz außerordentliche. Nach einer Berechnung besaßen die europäischen Staaten 1876 erst 4,303,704, aber 1890 nicht weniger als 20,057,613 qkm in Afrika (s. d., S. 5). In den letzten Jahren sind es besonders Großbritannien und Frankreich, welche gewaltige Landstriche, zunächst allerdings meist nur auf der Karte, unter sich verteilt haben, während Portugal einen nicht geringen Teil der bisher von ihm beanspruchten Landstriche an England überlassen mußte, da dieses ein fast seit Jahrhunderten nicht geltend gemachtes Recht nicht anerkennen wollte. Auch Deutschland überließ bedeutende Teile seiner Interessensphäre an England. Der koloniale Besitzstand der meisten übrigen europäischen Staaten ist ganz unverändert geblieben; doch haben sich in der innern Organisation mancherlei Veränderungen vollzogen.

Deutschland.

Durch die in Deutschland mit sehr geteilten Empfindungen aufgenommenen Abmachungen mit England vom 17. Juni und 1. Juli 1889 wurde die Schutzherrschaft über Witu und das Somalland im Norden der englischen Interessensphäre sowie ein bedeutendes Gebiet an der Nordostgrenze von Deutsch-Südwestafrika an England übertragen, so daß Deutsch-Ostafrika auf 964,000, Deutsch-Südwestafrika auf 810,000 qkm reduziert wurde. Deutschland erteilte zugleich seine Zustimmung zur Übernahme des Protektorats über das Sultanat Sansibar seitens Englands, doch mit Ausnahme des an die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft verpachteten Küstenstreifens, welcher in der Folge gegen eine Zahlung von 4 Mill. Mk. 1. Jan. 1891 in deutschen Besitz überging. Als eine Gegenleistung hatte England versprochen, den Sultan zu dieser Abtretung zu bewegen und auch die Insel Helgoland an Deutschland abzutreten. Die Westgrenze des deutschen Togogebietes sowie diejenige Kameruns am Busen von Biafra wurden genauer bestimmt. (Vgl. die Artikel „Deutsch-Ostafrika“, „Deutsch-Südwestafrika“, „Kamerun“, „Togo“.) Das ganze Deutschland gehörige Gebiet in Afrika berechnet Wauters auf 2,720,000, Ravenstein dagegen auf 2,152,202 qkm mit 5,110,000 Einw., so daß mit den Besitzungen in der Südsee sich der ganze Kolonialbesitz Deutschlands auf 2,971,420, bez. 2,403,520 qkm mit 5,513,000 Einw. beziffern würde. Derselbe setzt sich wie folgt zusammen:

In Afrika: QKilom. Bewohner
Togo 41400 500000
Kamerun 336700 2600000
Südwestafrika 810000 250000
Ostafrika 964000 1760000
In Ozeanien:    
Kaiser Wilhelms-Land 181650 110000
Bismarck-Archipel 47100 188000
Salomoninseln 22255 89000
Marshallinseln u. Nawodo 415 16000
Zusammen: 2403520 5513000

Die Verwaltung wird jetzt ausschließlich von Reichsbeamten geführt. In Kaiser Wilhelms-Land, auf dem Bismarck-Archipel und den Marshallinseln erstatten die betreffenden Gesellschaften dem Reiche den Gehalt dieser Beamten zurück, in Kamerun, Togo, Ost- und Südwestafrika zahlt das Reich diese Gehalte: In Kamerun für einen Gouverneur, einen Kanzler, zwei Sekretäre und einen Amtsdiener 57,250 Mk., im Togogebiet für den Kommissar, Sekretär und Amtsdiener 29,500 Mk. Die sonstigen, für Kamerun auf 270,000, für Togo auf 142,000 Mk. veranschlagten Verwaltungsausgaben tragen diese Schutzgebiete selbst. Die Anforderungen, [534] welche Südwestafrika, namentlich aber Ostafrika an das Reich stellen, sind ungleich bedeutender. In Deutsch-Ostafrika werden ein Gouverneur mit 3 Kommissaren und zahlreichen Beamten sowie eine 1612 Mann starke Schutztruppe unterhalten. Dazu kommen noch einige Regierungsfahrzeuge für den schnellern Verkehr mit den einzelnen Küstenpunkten. Alle hierdurch erwachsenden Ausgaben sind auf 3,900,000 Mk. veranschlagt. Da die Einnahmen, abgesehen von den für die vertragsmäßige Zahlung an die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft abgehenden 600,000 Mk., etwa 1,400,000 Mk. erreichen dürften, so ist der Zuschuß des Reiches zu den Verwaltungskosten auf 21/2 Mill. Mk. veranschlagt worden. Für Deutsch-Südwestafrika hat das Reich zu zahlen an Gehalten 29,500, für die 50 Mann starke Schutztruppe, die Bergbehörde und sonstige Ausgaben 292,300, also zusammen 321,800 Mk. Hierzu kommen noch die 200,000 Mk., welche zur Förderung der auf Erschließung Zentralafrikas und andrer Gebiete gerichteten wissenschaftlichen Bestrebungen gewährt werden, der jährliche Zuschuß von 900,000 Mk. für die Deutsch-Ostafrikanische Dampferlinie und ein Posten von 100,000 Mk. für die Kabelverbindung zwischen Sansibar, Bagamoyo und Dar es Salam. Danach beziffern sich die Ausgaben Deutschlands für koloniale Zwecke wie folgt:

1) Ausgaben im eigentlichen Sinne:
 Zentralverwaltung 200000 Mark
 Kamerun 57250
 Togo 29500
 Deutsch-Ostafrika 2500000
 Deutsch-Südwestafrika 321800
Zusammen: 3108550 Mark
2) Andre Ausgaben:
 Afrikafonds 200000 Mark
 Ostafrikanische Dampferlinie 900000
 Kabel 100000
Zusammen: 1200000 Mark
Insgesamt: 4308550 Mark.

Kaiser Wilhelms-Land, der Bismarck-Archipel und die Marshallinseln verursachen dem Reiche keine Kosten, abgesehen von den gelegentlichen Besuchen deutscher Kriegsschiffe, welche auch für die übrigen K. in Anschlag zu bringen sind.

Unser direkter Handel mit unsern K. betrug 1890 (in Mark):

  Deutsch-Westafrika Deutsch-Ostafrika Deutsch-Neuguinea Zusammen
Einfuhr 5189000 489000 190000 5868000
Ausfuhr 3243000 320000 240000 3803000
Zusammen: 8432000 809000 430000 9671000

Unter Deutsch-Westafrika sind hier zu verstehen Togo, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika, unter Deutsch-Neuguinea außer Kaiser Wilhelms-Land auch der Bismarck-Archipel, die deutschen Salomoninseln und die Marshallinseln.

Großbritannien.

Das britische Kolonialreich hat durch Besetzung strategisch wichtiger Posten an der Grenze von Afghanistan, durch Besitzergreifung mehrerer kleiner, unbewohnter Inseln im Großen Ozean, welche für die Legung eines Kabels zwischen Amerika und Australien Wert haben, insbesondere aber durch die Ausdehnung der britischen Interessensphäre in Südafrika nach N. bis zum Nyassa und Tanganjika, von der ostafrikanischen Küste über den Victoria Nyanza hinaus bis an die Ostgrenze des Kongostaates und in Westafrika durch Sicherung des untern und mittlern Niger und Binuë bis in das Herz des Sudân hinein für britische Unternehmungen eine gewaltige Ausdehnung erhalten. Zudem hält England unentwegt an dem vorgeblich nur vorübergehend von ihm besetzten Ägypten fest und scheint wenig geneigt, dasselbe wieder zu räumen. In Afrika ist der britische Kolonialbesitz seit 1876 von 761,381 qkm auf nicht weniger als 4,170,474 qkm angewachsen. Der gesamte Kolonialbesitz Großbritanniens stellt sich gegenwärtig wie folgt:

Übersicht der britischen Kolonien 1892.
  QKilom. Bewohner Auf 1 QKilom.
Gibraltar 5 34224 6845,00
Malta 323 174621 541,00
Europa: 328 208845 637,00
Cypern 9601 209291 22,00
Kaiserreich Indien 4853200 289376000 59,00
Kamaraninseln 160 500 3,00
Bahreïninseln 600 68000 113,00
Ceylon 63976 3008239 46,00
Malediven 300 30000 100,00
Straits Settlements 3998 568000 142,00
Christmasinsel 102
Keelinginseln 22 516 24,00
Malaiische Schutzstaaten 86000 581000 7,00
Nordborneo 80300 200000 2,50
Labuan 78 6015 75,00
Brunei 21000 50000 2,50
Sarawak 106200 320000 3,00
Hongkong 79 194482 2462,00
Asien: 5225616 294612043 55,00
Gambia 6993 50000 7,00
Sierra Leone 38848 180000 5,00
Goldküste 120689 1905000 16,00
Lagos u. Joruba 285070 3000000 10,00
Niger-Protektorat u. Ölflüsse 751070 17000000 2,00
Kapkolonie 574800 1524971 3,00
Walfischbai 1250 768 0,60
Pondoland 11120 150000 13,00
Basutoland 30420 218903 7,00
Britisch-Betschuanenland 184980 60376 0,30
Betschuanenland (Protektor.) 248630 50000 0,20
Sambesigebiet u. Nyassaland 1604480 1350000 0,80
Natal 45830 543913 12,00
Sulu- u. Tongaland 34238 180000 5,00
Sansibar u. Pemba 2560 210000 82,00
Britisch-Ostafrika 634520 5600000 9,00
Gebiet bis zur ägyptischen Grenze 2124000 7000000 2,00
Somalküste 77700 240000 3,00
Sokotra 3579 12000 3,00
Ascension 88 140 1,60
St. Helena 123 5300 43,00
Tristan da Cunha 116 97 0,90
Mauritius u. Dependenzen 1914 372664 195,00
Neu-Amsterdam u. St. Paul 73
Afrika: 6783091 39654132 6,00
Kanada 7990700 4829411 0,60
Neufundland 110670 193121 1,70
Labrador 310800 4211 0,01
Britisch-Honduras 21475 27668 1,30
Bermudas 50 15884 315,00
Bahamainseln 13960 49500 3,00
Jamaica 10859 639491 59,00
Turks- und Caicosinseln 575 4778 8,00
Caymansinseln 584 2400 4,00
Leewardinseln 1827 124769 68,00
Windwardinseln 1425 142011 100,00
Barbados 430 182000 423,00
Trinidad und Tobago 4839 216798 45,00
Britisch-Guayana 229600 284877 1,00
Falklandinseln[WS 1] 12532 1926 0,10
Amerika: 8710326 6718845 0,80

[535]

  QKilom. Bewohner Auf 1 QKilom.
Neusüdwales 799139 1134207 1,40
Lord Howe-Insel 16 65 4,00
Norfolkinsel 44 714 16,00
Pitcairninsel 5 126 25,00
Victoria 229078 1140405 5,00
Queensland 1730721 393938 0,20
Südaustralien 2341611 320006 1,00
Westaustralien 2527283 49835 0,02
Tasmania 67894 146667 2,20
Neuseeland und Dependenzen 269432 637353 2,40
Fidschiinseln und Rotumah 20837 124919 6,00
Britisch-Neuguinea 229102 489000 2,00
Fanninginsel 40 150 4,00
Christmasinsel 607 ?
Malden 89 168 2,00
Starbuck 3
Tongarewa 8 373 46,00
Suworow 5
Unioninseln 14 514 37,00
Phönixinseln 42 59 1,40
Exchequerinseln ?
Cookinseln 368 8900 12,00
Australien u. Ozeanien: 8216338 4447399 5,00
Britische Kolonien: 28935699 345641264 13,00

Das wichtigste Ereignis auf kolonialem Gebiet ist die endliche Abgrenzung des Hinterlandes der portugiesischen südafrikanischen Besitzungen gegenüber den englischen Ansprüchen. Nachdem ein bereits 20. Aug. 1890 zwischen England und Portugal getroffenes Abkommen die Genehmigung der gesetzgebenden Körperschaften in Portugal nicht gefunden hatte, wurde endlich 11. Juni 1891 ein Übereinkommen über die Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphären in Südostafrika zu stande gebracht, das 6. Juni 1891 von der Kammer in Lissabon genehmigt und 3. Juli von beiden Seiten ratifiziert wurde. Danach erkennt England als portugiesisches Gebiet in Ostafrika das Gebiet an, welches begrenzt wird im N. von einer Linie, welche dem Laufe des Flusses Rovuma von der Mündung bis zum Zusammenfluß mit dem M’Sinje folgt und von da nach W. parallel dem Breitengrad bis zum Nyassa geht, im W. von einer Linie, welche dem östlichen Ufer des Nyassasees nach S. bis 13°30′ südl. Br. folgt, von da nach SO. bis zum östlichen Rande des Tschiutasees läuft und das Ostufer des Sees umfaßt. Von da geht die Grenze in gerader Richtung nach dem Ostufer des Schirwasees, folgt dem Ufer nach S. bis zur äußersten Spitze, läuft nach dem östlichsten Zufluß des Ruoflusses, diesen bis zum Zusammenfluß mit dem Schire begleitend. Von hier folgt die Grenze dem Schire bis unterhalb Tschiwanga, läuft nach W., folgt der Wasserscheide des Sambesi und des Schire bis zum 14.° südl. Br., wendet sich dann nach SW., bis der 15.° südl. Br. den Fluß Aroangoa trifft, und folgt diesem Flusse bis zu seiner Vereinigung mit dem Sambesi. Im S. vom Sambesi ist das portugiesische Gebiet begrenzt von einer Linie, die von der Mündung des Aroangoa ausgeht, nach S. bis zum 16. Breitengrad läuft, dieser Parallele bis zum 31.° östl. L. v. Gr. folgt, dann nach O. bis zum Fluß Masu läuft und dem 33. Längengrad nach S. folgt bis 18°30′ südl. Br. Von hier geht die Grenze über den Kamm des Ostabhanges der Hochebene von Manica nach S. bis zum Flusse Sabi, folgt diesem bis zu seinem Zusammenfluß mit dem Lunde, wendet sich in gerader Richtung nach der Nordostecke der Grenze der Südafrikanischen Republik und folgt dieser und der Grenze von Swasiland bis zum Flusse Maputa. Somit gehört Mutassa zum englischen und Macequece zum portugiesischen Gebiet. Das ganze Manicaplateau wurde den Engländern zuerkannt, Macequece aber, wo bereits eine portugiesische Bergwerksgesellschaft thätig ist, verbleibt den Portugiesen. Die Grenze zwischen dem nördlich vom Sambesi gelegenen englischen Interessengebiet und dem westlich gelegenen portugiesischen Gebiet soll von den Katimafällen des Sambesi diesem nordwärts folgen, doch bleibt ihre nähere Bestimmung einer englisch-portugiesischen Kommission überlassen. Portugal verpflichtet sich zum Bau einer Eisenbahn zwischen der Pungwemündung (Masanganibucht) und dem englischen Gebiete. Die portugiesische Regierung hat 23. März 1891 in Mosambik eine Gesellschaft konzessioniert, welche sich verpflichtet, ohne Garantie die Pungwe-Eisenbahn und andre von der Regierung verlangte Bahnen zwischen den Flüssen Sabi und Sambesi zu bauen. Falls aber die in dieser Richtung Portugal auferlegten Verpflichtungen nicht pünktlich erfüllt werden, können die Bahnen durch eine von einer neutralen Macht zu bestimmende Gesellschaft ausgeführt werden. Ähnliche Bestimmungen sind mit Bezug auf die Anlage von Telegraphenlinien getroffen. Ein gegenseitiges Vorkaufsrecht ist ausbedungen. Über die Rechtsgültigkeit von Grubenkonzessionen innerhalb eines Gebietes von 50 km zu beiden Seiten der Grenze südlich des Sambesi entscheidet ein Schiedsgericht. Die Missionen werden geschützt, und Glaubensfreiheit ist zugesichert. Der Verkehr zwischen der britischen Interessensphäre und der portugiesischen Ostküste wird erleichtert durch Beschränkung der Transitzölle, indem auf 25 Jahre von Ratifizierung des Vertrages an für ein- und ausgehende Güter der britischen Interessensphäre nicht mehr als 3 Proz. Durchgangszoll erhoben werden. Die englische Regierung kann innerhalb 5 Jahren die Zölle durch eine Kapitalzahlung ablösen. Der Verkehr über den Sambesi und durch die Distrikte am linken Ufer desselben oberhalb des Schire, am rechten Ufer oberhalb des Ruenga oder Luenha soll gänzlich frei sein; auch darf jede der beiden Mächte daselbst Wege, Eisenbahnen und Telegraphen anlegen. Die Schiffahrt auf dem Sambesi und Schire sowie auf deren Mündungsarmen ist vollkommen frei. Portugal verpflichtet sich, den Transitverkehr auf dem Pungwe, Busi, Limpopo, Save und deren Nebenflüssen zu gestatten sowie auf den Landwegen, wo jene Ströme nicht schiffbar sind. Zwischen der Pungwebai und der britischen Interessensphäre besteht Verkehrsfreiheit. Ein Landweg soll vom Pungwefluß nach der britischen Interessensphäre, Landungsplätze an der Pungwebai angelegt werden.

Am 24. März 1891 wurde ein Übereinkommen mit Italien getroffen, wonach die Grenze zwischen der englischen und der italienischen Interessensphäre im Thale des Jubastromes aufwärts bis 6.° nördl. Br. gehen, von hier sich nach W. bis zum 35.° östl. L. v. Gr. und entlang diesem Grade bis zum Blauen Nil wenden soll. Die beiden kleinen Kaffernstaaten Swasiland und Tongaland wurden 4. Aug. 1890 unter britische Schutzherrschaft gestellt und zugleich der Südafrikanischen Republik gestattet, von der Grenze durch die beiden Ländchen eine Eisenbahn nach der Kosibai zu bauen, dort einen Hafen anzulegen und das umliegende Land in einem Umkreis von 15 km zu erwerben. Sululand, durch Abtretungen an die Buren sehr verkleinert, wurde im Mai 1887 unter direkte britische Verwaltung gestellt und bildet jetzt eine Dependenz von Natal. In [536] Pondoland gehört der Kapkolonie seit 1884 am rechten Ufer des Umzimvubu oder St. Johnsflusses 13 km aufwärts ein Streifen Landes, für welchen die Kolonie 1000 Pfd. Sterl. zahlte. Außerdem entrichtet sie an den Häuptling Sigcau eine Hafenabgabe von 205 Pfd Sterl. jährlich. Welche enorme Ausdehnung der britische Besitz in Südafrika erfahren hat, ist aus dem oben verzeichneten Abkommen mit Portugal ersichtlich. In der innern Organisation erfuhr Britisch-Betschuanenland eine Vergrößerung durch die Angliederung des zwischen seiner Westgrenze und Deutsch-Südwestafrika liegenden Landstreifens. Am Niger wurde den Engländern durch ein 5. Aug. 1890 mit Frankreich geschlossenes Abkommen ein gewaltiges Areal zugeteilt. Die Grenze gegen die französische Interessensphäre bildet eine von Say am Niger bis Barrua am Tsadsee gezogene Linie, welche nach N. einen Bogen macht, um alles zu Sokoto und Gando gehörige Land mit einzuschließen. Die Bestimmung der Grenze vom Niger nach Segu ist einer französisch-englischen Kommission vorbehalten, die in Paris tagen soll.

In Asien traten die Bahreïninseln im Persischen Golf an der arabischen Küste unter britischen Schutz. Die Nordwestgrenze Indiens wurde 1890 weiter vorgeschoben, indem das ganze Gebiet südlich des 32. Breitengrades, das im Dreieck zwischen Tank in Indien und Tschaman an der afghanischen Grenze liegt, unter englische Verwaltung gestellt wurde. Am 15. Jan. 1891 wurden zwei Brigaden ausgesandt, deren eine das Miranzaigebirgsland besetzen und deren andre die Bewohner der Schwarzen Berge unterwerfen und diese strategisch wichtigen Gebiete durch Anlage befestigter Punkte als Sitz von Garnisonen und Behörden England sichern soll. Eine Empörung des kleinen Vasallenstaates Manipur an der Ostgrenze von Bengalen 1891 endete mit einer völligen Niederlage des Senaputti, des Herrschers des Landes. Dasselbe wurde darauf unter direkte britische Verwaltung genommen und die Besatzungsgarnison auf 1800 eingeborne Truppen mit 50 europäischen Offizieren festgestellt. Nachdem für Negri Sembilan, einen der kleinen Schutzstaaten der Malaiischen Halbinsel, ein englischer Aufsichtsbeamter ernannt war, trat an dessen Stelle 1889 ein britischer Resident mit einem Staatsrat. In Nordborneo nahmen alle einheimischen Staaten das englische Protektorat an, im Südwesten wurde nach einem glücklich geführten Kriege der Staat Padas Darnit dem Gebiete der Britisch-Nordborneo-Gesellschaft einverleibt und dieser auch von der englischen Regierung die Verwaltung der englischen Kronkolonie Labuan übertragen. Und wie 1888 der vom Radscha Brooke beherrschte Staat Sarawak das britische Protektorat angenommen hatte, so schloß auch das bisher unabhängige Sultanat Brunei einen ähnlichen Vertrag mit England.

Über die neuern Besetzungen kleiner Inseln und Inselgruppen in Ozeanien s. d.

Was die Finanzen der britischen K. anlangt, so haben dieselben ihre eignen Budgets. Die ältern K. sind zum Teil ganz unabhängig vom Mutterlande, dessen Budget nur in Anspruch genommen wird, soweit die eignen Mittel nicht ausreichen. An solchen Zuschüssen wurden 1890/91: 126,920 Pfd. Sterl. gezahlt. Darunter waren Zuschuß für die Verwaltung von Betschuanenland 186,000, Gehalte für Gouverneure etc. 19,038 Pfd. Sterl. (Bermuda, Bahamas, Westaustralien, Westküste von Afrika, Windwardinseln, Leewardinseln u. a.), Zuschüsse für Unterhaltung von Dampfern in Sierra Leone, Neuguinea, Norfolkinsel und Mauritius 10,750, Transvaal (Gehalte und Pensionen) 4074, Oberkommissariat für die Kapkolonie 2896, Oberkommissariat für den westlichen Großen Ozean 2590, St. Helena (Pensionen etc.) 1342, Oranjefluß-Freistaat 200 Pfd. Sterl. Für Cypern sind 70,000, für das Kolonialamt in London 41,663 Pfd. Sterl. ausgeworfen. Somit stellen sich die Ausgaben Englands für die K. im engern Sinne auf 238,583 Pfd. Sterl. Im weitern Sinne müssen aber auch die gleichfalls kolonialen Zwecken dienenden Ausgaben gegen den Sklavenhandel (26,140 Pfd. Sterl.), die Subsidien für die Telegraphengesellschaften (55,375 Pfd. Sterl.) sowie 5300 Pfd. Sterl. für Agenten im Nyassa- und im Altkalabargebiet, in Mombas und Borneo hinzugerechnet werden. Einige dieser Ausgaben werden im nächsten Budget weit höher zu stehen kommen. Unter Hinzurechnung dieser letztern würden die dem Mutterlande zur Last fallenden Ausgaben die gewiß nicht bedeutende Höhe von 325,000 Pfd. Sterl. erreichen. Die neueste Ausdehnung des britischen Kolonialreiches ist hauptsächlich der Privatinitiative zu verdanken, welche die Anlage- und Unterhaltungskosten trägt. In Westafrika ist es die Royal Niger Company, welche mit einem Kapital von 1 Mill. Pfd. Sterl. den gesamten Handel des Nigergebietes im englischen Interesse zu monopolisieren sucht, in Ostafrika arbeitet die Britisch-Ostafrikanische Gesellschaft mit einem doppelt so großen Kapital, in Südafrika hat die Britisch-Südafrikanische Gesellschaft ein riesiges Gebiet unter einem königlichen Schutzbrief in Verwaltung genommen, in Borneo hat die British North Borneo Company ebenfalls mit einem Kapital von 2 Mill. neben ihrem eignen großen Besitz auch die ehemalige britische Kronkolonie Labuan unter ihre Verwaltung genommen. Auch Ägypten muß als unter englischem Einflusse stehend (die Armee wird von einem britischen Generalmajor und 60 britischen Offizieren kommandiert) hier erwähnt werden. Ein großer Teil des britischen Heeres steht in den K.; in

Indien 72429 Mann
Gibraltar 5195
Malta 8788
Cypern 562
Bermuda 1391
Halifax 1493
Westindien 3011
Kapkolonie u. Natal 3324
St. Helena 151
Mauritius 881
Westküste von Afrika 953
Hongkong 2989
Ceylon 1509
Singapur 1416

Dazu kommen noch 517 in London stationierte Kolonialtruppen und 3409 Mann in Ägypten, so daß die Gesamtstärke der außerhalb Englands stehenden Truppen gegenwärtig 108,018 Mann beträgt. In einigen K. wurden bereits eigne Formationen gebildet, so in Indien 124,976, in Kanada 1200 Mann, neben einer Miliz von 37,359 und einer Reserve von 655,000 Mann. Auch die australischen K., Kapland u. a., haben neben kleinen Stämmen zahlreiche Freiwilligenkorps unter dem Oberbefehl englischer Offiziere, ebenso haben einige andre K. Freiwilligenkorps. Von der 271 Fahrzeuge zählenden britischen Kriegsflotte sind 134 in außerenglischen Gewässern stationiert, darunter 30 im Mittelmeer, 18 in China, 15 in Indien und Ostafrika, 9 in Süd- und Westafrika, 9 an der Westküste von Amerika, 13 an der Ostküste, 4 in Brasilien, 8 in Australien. Auch einige K. haben Anläufe zur Bildung eigner Flotten gemacht. Kanada besitzt 5 See- und 2 Flußdampfer, die australischen K. haben 23 Kriegsschiffe u. Torpedoboote. Von welcher Bedeutung die K. für das britische Mutterland sind, erhellt daraus, daß 1890 von der Gesamteinfuhr im Betrag von 420,692,000 [537] und einer Ausfuhr von 263,530,000 Pfd. Sterl., auf die K. 96,161,000, bez. 87,370,000 Pfd. Sterl. entfielen.

Frankreich.

Der Umfang der französischen außereuropäischen Besitzungen hat sich in den letzten Jahren sehr bedeutend vergrößert, ist doch der Besitzstand Frankreichs in Afrika (vgl. Afrika, S. 5) seit 1876 um mehr als das Achtfache gestiegen. Gegenwärtig läßt sich der Kolonialbesitz Frankreichs ohne die großen, noch der nähern Bestimmung harrenden Gebiete West- und Innerafrikas, welche durch wenig sichere Verträge oder gar nur durch bloße Abmachungen mit andern europäischen Staaten als französische Interessensphäre bezeichnet wurden, wie folgt angeben:

Übersicht der Kolonien Frankreichs 1892.
  QKilom. Bewohner Auf 1 QKilom.
Algerien 667100,0 3855700 6,0
Tunis 116300,0 1500000 13,0
Sahara 3061000,0 1120000 0,3
Senegal 132000,0 146518 1,2
Rivières du Sud 47503
Gold- u. Beninküste 19400,0 250000 1,3
Französischer Sudân 1231500,0 8800000 7,0
Französisch-Kongo 570000,0 250000 4,0
Obock 6000,0 7770 4,0
Tadschurra und Kubbet 14600
Réunion 1980,0 165915 33,0
Mayotte 366,0 12270 34,0
Komoren 1606,0 53000 33,0
Diego Suarez 591964,0 4607 6,0
Nossi Bé 7567
Ste.-Marie de Madagaskar 7667
Madagaskar 3500000
Afrika: 6399216,0 21993117 3,0
Besitzungen in Indien 509,0 283053 554,0
Französisch-Indochina 489500,0 18691000 38,0
Asien: 490009,0 18974053 39,0
St.-Pierre und Miquelon 235,0 5929 25,0
Guadeloupe u. Dependenzen 1870,0 165899 89,0
Martinique 988,0 175863 178,0
Französisch-Guayana 78900,0 29769 0,3
Amerika: 81993,0 377460 4,0
Neukaledonien und Loyalty­inseln 19823,0 62714 3,0
Chesterfieldinseln 0,8
Wallisinseln 96,0 5000 20,0
Futuna und Alofi 159,0
Tahiti und Dependenzen 4108,0 28129 6,0
Clippertoninsel 6,0
Ozeanien: 24193,0 95843 3,0
Französ. Kolonien: 6995411,0 41440473 6,0

In Bezug auf die administrative Einteilung wurden in den letzten Jahren einige Veränderungen vorgenommen. Das früher mit der Kolonie Senegal verbundene Gebiet Rivières du Sud wurde von jener 1. Jan. 1890 als eignes Verwaltungsgebiet abgetrennt und die Besitzungen am Golfe von Guinea (Groß-Bassam und Assinie, Groß-Popo und Agueh, Porto Novo und Kotonu) ebenfalls 1. Jan. 1890 in zwei Verwaltungsgebiete geschieden, das Gebiet der Goldküste und das Gebiet des Golfes von Benin. Zur Besitzergreifung von dem östlichen Küstenstrich Liberias von Cavally bis Sankt Andreas entsandte Mai 1891 der Leutnant-Gouverneur der Rivières du Sud zwei Kriegsschiffe, indem er erklärte, daß der betreffende, 300 km lange Küstenstrich schon seit Jahren zu Frankreich gehöre, es sich demnach nur um die Geltendmachung lange bestandener Ansprüche handle. Durch Agenten, welche die Verwaltung von Ober-Senegal aussandte, wurden Protektoratsverträge mit den Königen und Häuptlingen von Massina, Yatenga, Aribinda, Gurma und Mossi abgeschlossen, so daß jetzt Segu, Senedugu, Tuba, Samorys Reich Wassulu und Kong bis zur Elfenbeinküste als französisch gelten, ebenso wie die Landschaften innerhalb des großen Nigerbogens. Ein 5. Aug. 1890 mit England getroffenes Abkommen bestimmt, daß die Grenzlinie vom Niger nach Segu durch eine gemischte Kommission in Paris festgestellt werden sollte, während man sich darüber einigte, daß eine von Say am Niger nach Barrua am Tsadsee gezogene, nördlich der Reiche Sokoto und Gandu laufende Linie die Grenze zwischen der englischen und französischen Interessensphäre bilden solle. Somit beansprucht Frankreich ein ungeheures Gebiet in Westafrika.

Der Kostenaufwand für die K. ist sehr bedeutend. Je nach der Entwickelungsstufe derselben ist er verschieden. Für Algerien hat Frankreich, seit es auf afrikanischem Boden Fuß faßte, 5 Milliarden ausgegeben, und heute werden noch immer 80–90 Mill. Frank auf Algerien verwendet. Bei Tunis fallen Frankreich lediglich die Kosten der Residentur (162,000 Fr.) zur Last. Bei den schon eine gewisse Selbstverwaltung besitzenden K. trägt das Mutterland nur die Kosten der höhern Verwaltung u. teilweise des Militärdienstes. Bei den weniger selbständigen K. u. den Schutzgebieten tritt Frankreich aber in viel weiterm Maße ein, bei einigen auch mit Beiträgen zu den lokalen Budgets, so namentlich bei Anam und Tongking, deren Defizit zu decken auch Kotschinchina mithelfen muß. Im Budget 1890 waren für koloniale Zwecke ausgeworfen:

Staatssekretariat der Kolonien 445100 Frank
Zivilverwaltung (Gehalte) in den Kolonien 1132981
Justizverwaltung (Gehalte) 1364069
Militärdienst (Gehalte) 6685445
Intendantur 746850
Reisekosten 1456129
Wissenschaftliche Missionen 50000
Naturalverpflegung 6334801
Hospitalwesen 2560007
Sachliche Ausgaben der Kolonialverwaltung 171695
Sachliche Ausgaben der Militärverwaltung 1874507
Verschiedene Ausgaben 527793
Beihilfen zu den lokalen Verwaltungen der Kolonien 1565050
Beitrag zum Hafen- und Eisenbahnbau auf Réunion 2700000
Eisenbahn Dakar-St. Louis (Beitrag und Zinsgarantie) 1250490
Wege und Eisenbahnen am obern Senegal 250000
Unterseeisches Kabel in Tongking (Jahresbeitr.) 450000
Strafkolonien 10048827
Subvention für Anam und Tongking 12000000
Zusammen: 51613744 Frank

Die Subvention für Anam-Tongking veranschlagt das Budget für 1891 auf nur 10 Mill. Fr., dagegen erscheinen neue Posten, so für Kohlenstationen (1,2 Mill. Fr.) u. a., so daß das Budget die Höhe von 55 Mill. erreicht. Zu obigen 51,613,744 Fr. kommen noch die Kosten der Residenturen in Tunis und Madagaskar (576,600 Fr.) und die Subventionen für Dampferlinien nach Indochina 6,670,144, Algerien, Tunis und Berberei 880,000, Australien und Neukaledonien 3,079,104, Ostafrika 1,042,560 und Westafrika 500,850, zusammen 12,172,858 Fr., so daß die Gesamtsumme der Ausgaben für koloniale Zwecke 64,363,002 Fr. betragen würde. Diesen Ausgaben stehen nur Einnahmen in Höhe von 2–3 Mill. Fr. gegenüber. Und Algerien ist dabei gar nicht in Betracht gezogen. Um den Verkehr mit dem Mutterlande [538] zu fördern, ist den Waren französischen Ursprunges Zollbefreiung gewährt worden in Martinique, Guayana, Senegal, Gabun-Kongo, Réunion, Mayotte, Nossi-Bé, Indochina. In der letzten Kolonie ist auch teilweise die Ausfuhr nach Frankreich vor derjenigen nach andern Ländern begünstigt. Die französischen K. ressortierten bis vor kurzem vom Marineministerium, wurden Anfang 1892 aber dem Ministerium für Handel, Industrie und Kolonien überwiesen. Ein Gesetz vom J. 1891 bezweckt die Schaffung einer Kolonialarmee, welche dem Kriegsministerium allein unterstellt sein soll. Ihre Aufgabe ist, die französischen K. und Schutzgebiete zu verteidigen, jedoch mit Ausschluß von Algerien und Tunis. Sie soll sich zusammensetzen aus einheimischen, fremden und eingebornen Truppen. Die erstern, Infanterie und Artillerie, werden aus den bisherigen Marinetruppen gebildet. Die neue Kolonialinfanterie soll 4 Brigaden zu je 2 Regimentern von je 5 Bataillonen, also im ganzen 40 Bataillone stark sein. Die Bataillone 1–3 eines jeden der beiden Regimenter sollen in der Regel in Frankreich stehen, die Bataillone 4 und 5, meist Freiwillige und Kapitulanten, dagegen in den K. als Garnisonen und Expeditionsreserve. Die Artillerie ist zu 2 Bataillonen Garnisonartillerie von je 6 Batterien und zu 2 Regimentern Kolonialartillerie von je 16 Batterien, nämlich 7 Feld- und 9 Gebirgsbatterien, angesetzt. Davon sollen die Feldbatterien 1–6 in Frankreich stehen, die Feldbatterie 7 mit den 9 Gebirgsbatterien, ebenfalls Freiwillige und Kapitulanten, den Dienst in den K. versehen. Außerdem sind 8 Kompanien Kolonial-Artilleriehandwerker, 1 Kompanie Kolonialhandwerker und Strafkompanien vorgesehen. Die fremden Truppen sind eine Fremdenlegion von 6 Bataillonen. Sie sollen die Besatzungen in Indochina, Madagaskar und Senegal liefern. Die Eingebornen-Truppen zählen 3 Regimenter Tongking-Tirailleure zu je 4 Bataillonen, 1 Regiment Anam-Tirailleure und 1 Regiment Senegal-Tirailleure zu je 3 Bataillonen, 1 Bataillon Haussa, also 19 Bataillone, wozu noch einige kleinere Formationen für die kleinen K. kommen. Das Verwaltungspersonal wird von der Hauptarmee in Frankreich gestellt, doch als Teil und auf Kosten der Kolonialarmee. Die Verluste des Militärs in den französischen K. sind außerordentlich groß, sie betrugen 1890 bei den Offizieren allein 91 Mann oder 7,3 Proz., davon waren nur 11 vor dem Feinde Gefallene. – Von der Gesamteinfuhr Frankreichs (1889: 4316,8 Fr.) entfielen auf die K. 350,9 Mill. Fr., von der Gesamtausfuhr (370,4 Mill. Fr.) aber 267,3 Mill. Fr.

Niederlande.

Der niederländische Kolonialbesitz hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Die Bevölkerung von Niederländisch-Ostindien wird auf 31,8 Mill. geschätzt, die von Niederländisch-Guayana betrug 1891 (ohne 12,000 Indianer und Buschneger) 54,037 Seelen, die von Curassao 46,247 Seelen, ohne die 214 Mann starke Garnison. Die Kosten der Zentralverwaltung der K. bestreitet das Mutterland. Die Kosten der Verwaltung der ostindischen K. sowie für die Kolonialarmee und Marine bestreiten diese K. aus eignen Mitteln, nur für das aus vier größern holländischen Kriegsschiffen bestehende Hilfsgeschwader, welches dem Generalgouverneur zur Verfügung gestellt ist, zahlt das Mutterland die Hauptkosten. Die Generalstaaten der Niederlande setzen jährlich das Budget Ostindiens fest, welches bekanntlich schon seit 1876 Defizits aufweist. Das Defizit betrug 1890: 7,509,335 und 1891 infolge der schlechten Kaffee-Ernte 20,426,331 Guld. Den westindischen K. Surinam und Curassao wurden durch Gesetz vom 31. Mai 1865 eigne gesetzgebende Körperschaften mit selbständigem Budgetrecht gewährt, so daß sie nur dann ihre Budgets den Generalstaaten des Mutterlandes zu unterbreiten haben, wenn sie Unterstützung durch dasselbe bedürfen. Eine solche Subvention hat bei Surinam in den letzten Jahren regelmäßig stattgefunden, 1890 betrug dieselbe 306,341 Guld. Außerdem zahlt das Mutterland die zur Verteidigung der beiden K. notwendigen militärischen Kosten, 1890 für Surinam 358,700, für Curassao 191,000 Guld., die Gehalte der Gouverneure u. a.; auch fallen ihm die Kosten der beiden nach den Westindischen Inseln detachierten Kriegsschiffe zur Last. Alle übrigen Ausgaben haben die K. zu bestreiten. Die Budgets der niederländischen K. waren 1890 (in Gulden):

  Einnahme Ausgabe Defizit
Niederländisch-Indien 132653477 140162812 7509335
Surinam 1320813 1627154 306341
Curassao 672195 672195

Die Ausgaben des Mutterlandes für die K. betragen dagegen für allgemeine Zwecke 278,733, für Surinam 819,340 u. für Curassao 253,415 Guld. Dazu kommen noch Marineauslagen für Westindien 311,585 und für Ostindien 1,420,380, so daß sich die Gesamtausgaben des niederländischen Mutterlandes für die K. auf 3,083,441 Guld. beziffern. Die Truppen in den ostindischen K. sind ausschließlich aus Freiwilligen gebildet. Dieselben bestanden 1. Jan. 1888 aus 1406 Offizieren und 33,169 Mann. Von letztern waren 14,984 Europäer, 77 Afrikaner und 18,108 Eingeborne. Außerdem gibt es Schutterijen und bewaffnete indische Korps in Stärke von 9096 Mann, worunter 3968 Europäer. In Surinam gab es 1888: 514 Mann Nationalgarde in Paramaribo, 1379 Mann Bürgergarde in den Distrikten und 389 Mann Garnisonstruppen, in Curassao 274 Mann Garnisonstruppen.

Spanien, Portugal, Belgien.

Spaniens Kolonialbesitz hat sich in den letzten Jahren im Umfang nicht verändert. Die beabsichtigte Aufgabe des Postens am Rio de Oro wurde auf Vorstellung der Geographischen Gesellschaft zu Madrid fallen gelassen, und man verlangt nun, daß Frankreich als Ostgrenze der spanischen Interessensphäre den Meridian von Timbuktu anerkenne. Ebenso forderte Spanien auf der 1891 in Paris zusammengetretenen Afrikakonferenz die Guineaküste von der Südgrenze Kameruns bis zum Kap Santa Clara (2,21–0,31° nördl. Br.) und das gesamte Hinterland bis an den Mobangi, die Westgrenze des Kongostaates, ein Gebiet von 190,000 qkm, während Frankreich nur geneigt ist, Spaniens Rechte auf Elobey und Corisco anzuerkennen und einen Teil des Muniufers abzutreten, etwa 500 qkm. Spanien beruft sich auf Verträge mit Portugal und den Eingebornen sowie auf Deutschland, das 1886 auf die Ausdehnung seines Kamerungebietes nach S. verzichtete, als Spanien diese Gebiete als die seinigen bezeichnete. Die spanischen K. bestreiten ihre Ausgaben aus den eignen Einnahmen, nur Fernando Po erhält aus den Einnahmen der übrigen spanischen Besitzungen am Golfe von Guinea einen Betrag, der sich 1890 auf 247,273 Pesetas belief. Dennoch wies das Budget derselben 1890 einen Überschuß von 553,173 Pesetas auf. Da aber infolge [539] der Aufstände auf den Karolinen und auf den Philippinen eine Vermehrung der Truppen auf den letztern stattfinden mußte, so machte sich im Budget des Kriegsministeriums eine Mehrforderung von 1,402,683 Pes. nötig. An Militär stehen auf Cuba 1007 Offiziere und 26,685 Mann Infanterie nebst je einem Bataillon weißer und schwarzer Milizen, ferner 4 Kavallerieregimenter und 2 Milizschwadronen, 2 Batterien, 1 Kompanie Genietruppen etc. Die Marine besteht aus 3 Kreuzern, 14 Kanonenbooten und 14 Dampfbarkassen mit 1233 Matrosen und 199 Marinesoldaten. Puerto Rico hat 3700 Mann Infanterie, Kavallerie, Artillerie etc. und 1 Kreuzer mit 102 Matrosen. Auf den Philippinen stehen 7 Infanterieregimenter von Eingebornen, 1 Schwadron Ulanen, 1 Artillerieregiment von 2 Batterien, 1 Geniebataillon, ferner Zivilgarde, Karabiniers etc. Die Marine zählt 8 Kreuzer, 2 Kanonenboote und 11 andre Schiffe mit 2818 Matrosen und 452 Soldaten. In Südafrika ist 1 Kreuzer, für Fernando Po 1 Kreuzer und 2 andre Fahrzeuge mit 120 Matrosen stationiert.

Portugal hat in seinem Abkommen mit England (s. oben) einen beträchtlichen Teil des ehemals von ihm beanspruchten Kolonialbesitzes verloren, die Grenzen gegen den Kongostaat sind durch Ende Mai 1891 getroffene Vereinbarungen geregelt, indem die Grenze in der Enklave von Kabinda und Mokki festgestellt wurde. Betreffs des Lundareichs verständigte man sich dahin, daß die Grenze unter 8° südl. Br. vom Kuango zum Kuilufluß läuft, dann den letztern entlang bis 7° südl. Br. und von diesem Breitengrade bis zum Dilolosee. Das portugiesische Kolonialgebiet weist für das Finanzjahr 1890/91 einen Fehlbetrag von 1,200,793 Milreis auf. Neben diesem eigentlichen Kolonialetat sind in das Budget des Mutterlandes noch eingestellt an ordentlichen Ausgaben 19,586, an außerordentlichen 1,564,222 Milr. Unter den letztern werden 152,909 als staatliche Garantie des Einkommens aus dem Kabel nach Loanda, 150,000 als Zinsgarantie für die West of India Portuguese Guaranteed Railway Company und 200,000 als Zinsgarantie für die Loanda-Ambaca-Eisenbahn gezahlt. Außerdem wurde die Regierung ermächtigt, eine ostafrikanische Dampferlinie zu subventionieren mit 378,000, bez. 500,000 Milr., sobald diese den Dienst bis Goa ausdehnt. Danach enthält das Budget für Kolonialzwecke einen Gesamtaufwand von 3,380,686 Milr. Von den einzelnen K. weisen nur die Kapverdischen Inseln, Saõ Thomé und Principe, Indien und Macao Überschüsse auf, dagegen einen Fehlbetrag Guinea (1890/91: 148,113 Milr.), Angola (40,706) und Mosambik (382,799), so daß sich ein Gesamtfehlbetrag von 339,872 Milr. ergibt. Der Grund liegt in den bedeutenden Aufwendungen. So in Angola für die Eisenbahnen Loanda-Ambaca und Mossamedes-Huilla, die Zuschüsse für die K. von Mupata, Billé, Bailundo, Jan und Huilla etc., in Mosambik gleichfalls für Eisenbahnen, öffentliche Bauten etc. Von Eisenbahnen sind im Betrieb in Angola 100, in Mosambik 91 und in Indien 51 km, im Bau in Angola 275 km, außer, dem sind in Angola und Mossamedes 500 km projektiert. Von Telegraphen sind im Betrieb in Angola 350, in Mosambik 25, in Indien 50, und im Bau in Mosambik 100 km. Die Truppen in den K. beziffern sich auf 538 Offiziere und 8938 Soldaten. Außerdem bestehen Truppen 2. und 3. Linie von Eingebornen der K. In Guinea, Mosambik und Macao sind auf den Flüssen einige Dampfkanonenboote stationiert und mit 400 Mann besetzt. Der Handel Portugals mit seinen K. betrug 1889: Einfuhr 793,000, Ausfuhr 906,000 Milreis bei einer Gesamteinfuhr von 44,423,593 und einer Gesamtausfuhr von 24,536,299 Milreis.

Belgien ist durch die in den letzten Jahren getroffenen Vereinbarungen gleichfalls in die Reihe der Kolonialmächte getreten. Augenblicklich steht der Kongostaat zwar unter der Souveränität des Königs der Belgier auf Grundlage der Personalunion, aber der König vermachte 8. Aug. 1889 alle seine Rechte testamentarisch an Belgien, und eine 1. Juli 1890 zwischen dem König und Belgien abgeschlossene und 25. Juli d. J. von den Kammern angenommene Konvention sichert letzterm das Recht zu, den Staat mit allen Rechten, welche mit der Souveränität verknüpft sind, nach 10 Jahren zu annektieren. Innerhalb dieser Zeit wird dem Kongostaat ein jährlicher Zuschuß von 2 Mill. Frank aus der belgischen Staatskasse gewährt. Die Grenzen mit Portugal im N. wie im S. wurden durch ein Abkommen festgesetzt (s. oben unter Portugal). Vgl. auch Kongostaat.

Italien.

Die erythräische Kolonie am Roten Meere wird nach einem mit England getroffenen Übereinkommen begrenzt durch eine Linie, welche von Ras Kasar im S. bis zum Kreuzungspunkte des 17.° nördl. Br. mit dem 37.° östl. L. v. Gr. gezogen ist. Die Linie folgt dem Meridian bis 16°30′ nördl. Br. und läuft dann von diesem Punkte aus in gerader Richtung bis Sabderat, dieses Dorf östlich lassend. Von diesem Dorfe geht die Linie nach dem Süden bis zu einem Punkte am Chor al Gasch, 36 km oberhalb Kassala, und erreicht den Atbara unter 14°52′ nördl. Br. Dann zieht die Linie den Atbara aufwärts bis zum Zusammenfluß mit dem Chor Kakamot (Hahamot), von wo sie in westlicher Richtung bis zum Chor Lemsen geht, auf dem sie sich bis zu seiner Vereinigung mit dem Rahat abwärts bewegt. Sie folgt dann diesem Flusse abwärts bis zum 35.° östl. L. v. Gr., an dem sie dann südwärts bis zum Schnittpunkt mit dem 6.° südl. Br. und dann diesem ostwärts dem 6.° südl. Br. folgend bis zum Dschubb unter 40° östl. L. v. Gr. zieht, worauf dieser Fluß bis zum Meere die Grenze bildet. An der ostafrikanischen Küste erstreckt sich die italienische Einflußsphäre von der Dschubbmündung nordwärts bis zum Ras al Khyle. Landeinwärts bildet hier das Wadi Kolale die Grenze auf eine kleine Strecke. Kassala verbleibt in der Einflußzone Englands, doch hat Italien das Recht, dasselbe zu besetzen, wenn militärische Rücksichten dies gebieten sollten, muß es aber an Ägypten zurückgeben, falls letzteres sein Besitzrecht auf Kassala geltend zu machen und die Ruhe daselbst zu garantieren in der Lage ist. Die Schutzherrschaft über das Sultanat Aussa (Haussa) und dessen Dependenzen hat sich Italien für den Fall vorbehalten, daß irgend eine andre Macht dasselbe besetzen will. Für Abessinien übernahm die italienische Regierung laut Vertrag vom 2. Mai, bez. 29. Sept. 1889 die Vertretung in allen auswärtigen Angelegenheiten und ernannte einen ständigen diplomatischen Agenten am Hofe des Negus. Doch zeigte sich Negus Menelik später nicht geneigt, die Bestimmungen dieses Vertrages einzuhalten, versuchte vielmehr, sich von italienischem Einfluß frei zu machen. Außer den befestigten Posten an der Eisenbahn Massaua-M’Kullo-Saati (26,9 km) und Abd el Kader-Arkiko sowie Ailet am Plateaurande besitzt Italien auf dem gesunden abessinischen Hochplateau die Militärposten Keren, Asmara, Gura und Godofelassi, [540] doch beschloß die Regierung, in Zukunft sich auf das Dreieck Massaua-Keren-Asmara zu beschränken. Denn obschon bei Keren ein erster Kolonisationsversuch seitens einer kleinen Zahl oberitalienischer Landleute geplant ist, eignet sich doch außerordentlich wenig Land im italienischen Eritrea für solche Zwecke. Nach den Untersuchungen des im Auftrag der Regierung dorthin geschickten Bergingenieurs Baldacci steht allerdings, wo künstliche Bewässerung ausführbar und rätlich, eine reiche Vegetation zu erwarten, doch lassen die Kosten und Schwierigkeiten der Bewässerung nur an sehr wenigen Stellen das Unternehmen rätlich erscheinen. Doch sprach sich sowohl die von der italienischen Regierung entsandte Untersuchungskommission wie Menotti Garibaldi gegen eine Räumung der Mareblinie und eine Beschränkung auf oben genanntes Dreieck aus, da die hierdurch preisgegebenen Vorteile in keinem Verhältnis zu den geringen, dadurch erzielten Ersparnissen ständen. Den Kolonialbesitz Italiens in Afrika berechnet Wauters auf 935,000 qkm, Ravenstein dagegen folgendermaßen:

  QKilom. Bevölkerung
Eritrea 145034 660000
Abessinien 489490 4500000
Somalküste 181293 210000
Zusammen: 815817 5370000

Die in das italienische Budget für 1890/91 eingestellten Ausgaben für koloniale Zwecke betrugen 15,838,978 Lire. Das Ministerium[WS 2] des Auswärtigen fordert 1,581,061 Lire für die Zivilverwaltung in Afrika, darunter für Eislieferungen 450,000, für Telegramme 403,000, für eine Eingebornentruppe und Polizei zum Dienste in Massaua 190,000 Lire. Die Post- und Telegraphenverbindung mit Massaua erfordert 780,000, die in Afrika befindlichen Truppen 11,139,900 und das Marineministerium 2,338,017 Lire. Dazu kommen noch die Gehalte für Beamte der erythräischen Kolonie u. a. Auch ist der im Budget 1889/90 für koloniale Zwecke geforderte Betrag um 5,353,726 Lire überschritten worden, was zu dem obigen Betrage hinzuzurechnen ist. Das italienische Kolonialheer besteht aus 2 Jägerbataillonen, 1 Bataillon Bersaglieri, 1 Gebirgsbatterie zu 4 Geschützen, 1 Kompanie Festungsartillerie, 1 Kompanie Artilleriehandwerker, 1 Kompanie Sappeure, 1 Kompanie der Eisenbahn- und Luftschifferabteilung u. a. und je 1 Kompanie für Sanitätswesen, Verpflegung und Train, zusammen 109 Offiziere und 3096 Mann mit 371 Pferden. Außerdem ist aus Eingebornen eine Truppe von 3794 Mann mit 114 Offizieren, worunter 74 Italiener, errichtet worden, bestehend aus 6 Infanteriebataillonen, 2 Kundschaftseskadrons, 1 Gebirgsbatterie mit 6 Geschützen, 52 Polizisten und einer innern Horde. Die Einfuhr von Massaua betrug 1830: 14,980,041 Lire.

Eine Zusammenstellung des Umfanges des Kolonialbesitzes der europäischen Staaten und der unmittelbaren Kosten, welche dieselben veranlassen, ergibt folgende Resultate:

  QKilom. Bevölkerung Kosten in Mark
Deutschland 2403520 5113000 3308350
Großbritannien 28935699 345641000 6500000
Frankreich 6995411 41440000 62000000
Niederlande 2003291 31919000 5242000
Spanien 429000 9400000
Portugal 2203320 14213000 15200000
Italien 935000 5370000 21000000
Belgien (Kongostaat) 2241250 14100000 2400000

Die spanischen K. erfordern keine Zuschüsse des Mutterlandes, ergaben vielmehr 1890 einen Überschuß von 691,466 Mk. Nirgends sind aber in den obigen Summen die Aufwendung für die Flotte in Anschlag gebracht.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Faklandinseln
  2. Vorlage: Mininisterium